„Geschenke“ von Fotografen angenommen? Tausenden von Schulen in Deutschland droht Ärger

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BERLIN. Mehreren Tausend Schulen und Kindergärten in Deutschland droht Ärger – ihre Leitungen sollen „Spenden“ von Fotounternehmen angenommen haben. Die Gegenleistung: Den Fotografen wurde das gewinnbringende Recht eingeräumt, die jährlichen Klassenfotos und Kinderporträts machen zu dürfen. Strafverfolger ermitteln.

Gutes Geschäft im Fokus. Foto: Paul Reynolds / flickr (CC BY 2.0)
Gutes Geschäft im Fokus. Foto: Paul Reynolds / flickr (CC BY 2.0)

Das Geschäftsmodell ist ebenso simpel wie luktrativ: Einmal im Jahr kommt ein Fotograf in die Kita oder in die (Grund-)Schule und fotografiert die Gruppen oder Klassen, und jedes Kind nochmal solo. Für 16 bis 26 Euro bekommen die Eltern dann das Gruppenbild mit Lehrer, sowie Porträtaufnahmen, mitunter noch als Aufkleber oder Schlüsselanhänger dazu. In einer Schule mit 500 Schülern kann ein Fotograf so an ein, zwei Tagen zwischen 10.000 und 13.000 Euro verdienen, heißt es. Kein Wunder also, dass in der Branche offenbar mit harten Bandagen gekämpft wird – und manchmal auch am Rande der Legalität oder darüber hinaus.

Haben Anbieter mit Schulleitern und Lehrern gekungelt, um an solch exklusive Aufträge zu kommen? Das Bundeskriminalamt spricht in seinem „Bundeslagebericht Korruption 2014″ laut Medienberichten von 10.480 Verdachtsfällen, in denen Fotografen „schon mal ein iPad“ oder andere Dinge für den Schulalltag auf den Tisch gelegt haben. Beim Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen besteht laut „Berliner Morgenpost“ der Verdacht, dass „Aufwandsentschädigungen“ für die Fotoaufträge an Schulleiter gezahlt worden seien.

Anlass der neuerdings „scharfen Gangart der Strafverfolgungsbehörden“ („Rheinische Post“) ist ein Urteil des Bundesgerichtshofes von Mai 2011. Danach liegt bei solchen Geschäften grundsätzlich der Verdacht der Bestechlichkeit nahe. Im Urteil heißt es: Es mache sich „bereits derjenige wegen Bestechung strafbar, der einem Amtsträger einen Vorteil anbietet und versucht, diesen hinsichtlich einer Behandlung, die in dessen Ermessen steht, bei der Ermessensausübung zu beeinflussen. Die Beauftragung eines Schulfotografen ist eine derartige Ermessenshandlung“. (Bundesgerichtshof, AZ.: 3 StR 492/10)

Die Berliner Bildungsverwaltung verweist auf Anfrage der „Berliner Morgenpost“ auf ein Schreiben, das sie bereits im Jahre 2008 an alle Berliner Schulen verschickt hat. Darin heißt es unter anderem: „Es empfiehlt sich, vor der Entscheidung für einen Fotografen mehrere Angebote einzuholen und diese in der Schulkonferenz zu besprechen. Zudem sollte auch der Schulträger in eine solche Entscheidung miteinbezogen werden.“ Eine Zuwendung des Fotografen an die Schule, heißt es im Schreiben weiter, müsse in einem angemessenen Verhältnis zur Gegenleistung der Schule stehen und dürfe – weder dem Grunde noch der Höhe nach – vom Absatz der verkauften Fotos abhängig gemacht werden, heißt es weiter. Schließlich müsse es eine klare schriftliche Vereinbarung zwischen der Schule und dem Schulfotografen geben, in der alle Verpflichtungen der Schule und alle Verpflichtungen des Fotografen benannt werden.

In Bayern ist inzwischen Schulleitern und Lehrern vom Kultusministerium mittlerweile generell verboten worden, bei Schulfotoaktionen Zuwendungen entgegenzunehmen. Vorsorglich wurden die Schulen laut „Morgenpost“ darauf hingewiesen, dass im Bestechungsfall Paragraf 332 Strafgesetzbuch eine sechsmonatige Haft als Mindeststrafe vorsieht. Und an die Fotografen sei der Rat ergangen: billigere Preise statt Geschenke, die den Korruptionsverdacht nähren.
Michael Belz, Geschäftsführer des Bundes professioneller Porträtfotografen, berichtet in der „Rheinischen Post“, dass in den 80er und 90er Jahren „Akquisiteure“ für große amerikanische Fotounternehmen damit begonnen hätten, Schulen und Kindergärten für ein Foto-Monopol auch Geld anzubieten. Die Praxis, Geldspenden oder Sachleistungen anzubieten, werde seitdem von vielen Einrichtungen erwartet.

Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, kennt die Praxis der aggressiven „Akquise“ von Fotounternehmen – er sei als Schulleiter regelmäßig von aggressiven Unternehmern bedrängt worden, sagte er der „Rheinischen Post“: „Meistens wurden mir Laptops und Computer für die Schule angeboten.“ Er selbst habe das aber stets „radikal abgelehnt“. Kraus schätzt, dass auf dem Höhepunkt der Welle vor etwa fünf Jahren jede zehnte Schule derart angesprochen wurde – das wären bundesweit rund 3.500 Schulen. „Die sind auch massiv auf Kindergärten zugegangen“, sagt Kraus. „Ich habe das radikal abgelehnt“, betont Kraus.

Seit dem neuen Gesetz seien aber sowohl Unternehmen als auch Schulen „vorsichtiger“ geworden. „Trotzdem müssen das Kultusministerium und die Schulaufsicht besser über das Problem aufklären“, meinte Kraus. Und sie müssten die Schulen besser finanziell ausstatten: Es gehe nicht an, dass Schulen zu ihrer Finanzierung überhaupt auf Fördervereine und Drittmittel angewiesen seien. News4teachers.

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