Lehrmethode der Zukunft? Physiklehrer gewinnt bei Wissenschaftsfilm-Wettbewerb

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BERLIN. Jugendliche nutzen für die Schule wie selbstverständlich digitale Medien – Lehrer auch, aller Ausstattungsprobleme zum Trotz. Im Medienmix spielen dabei Filme eine wichtige Rolle.

Was YouTube mit dem Föderalismus im Bildungswesen zu tun hat? Auf den ersten Blick zunächst nicht viel. Für den 16-jährigen Tim allerdings war die Video-Plattform nach eigener Aussage „die Rettung meiner Mathe-Note“, nachdem er mitten im zehnten Schuljahr aus Niedersachsen auf ein Gymnasium in Nordrhein-Westfalen gewechselt war.

Der Teilchenbeschleuniger als brachiale Methode der Wissenschaft. Stefan Müller erklärt in seinem Brickfilm wie das funktioniert. Foto: Screenshot
Der Teilchenbeschleuniger als brachiale Methode der Wissenschaft. Stefan Müller erklärt in seinem Brickfilm wie das funktioniert. Foto: Screenshot

Die dort üblichen zentralen Abschlussklausuren in Mathematik trafen, wie auch seine Eltern „etwas überraschend“, so Tims Vater. Mit einigen Themen habe er vorher noch nie zu tun gehabt. Insbesondere Ableitungen seien ihm „ein Buch mit sieben Siegeln“ gewesen. Im Gespräch mit seiner Lehrerin, eine Woche vor der Klausur erntete er ungläubiges Staunen aber zumindest die Aussicht auf eine wohlwollenden Bewertung.

Schließlich schaffte es Tim auf 10 Punkte. „Nicht ganz mein Standard, aber besser als Nichts“ berichtet er. Ein geliehenes Mathe-Buch, vor allem aber eine Anleitung aus einem youtube-Video hätten ihm auf die Sprünge geholfen. Positiver Nebeneffekt: Eine Woche keine Diskussionen mit seinen Eltern über den „Dauertask Online-Zeit“, so Tim mit einem hintergründigem Lächeln.

Das Internet auch für die Schule zu nutzen, ist mittlerweile für die meisten Jugendlichen die selbstverständlichste Sache der Welt. Neun von zehn (91 Prozent) der 14- bis 19-jährigen nutzen zu Hause zur Unterrichtsvorbereitung Informationen aus dem Netz, ergab etwa eine Umfrage des Branchenverbands Bitcom aus dem Jahr 2015. Hausaufgaben oder Referatsvorbereitung sind für die allermeisten Schüler ohne Online-Recherche kaum mehr vorstellbar.

Mehr als die Hälfte (54 Prozent) suche dabei gezielt nach einer zweiten Quelle zum selben Thema. Einerseits ein positives Zeichen, andererseits bleibt noch einiges zu tun. Die Nutzung der digitalen Medien für die Schule ist in Deutschland noch immer weitgehend Privatsache. Damit trägt aber auch schon das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein entsprechender Medien zu Hause und damit letztlich das Einkommen der Eltern zum „Digital Divide“ bei.

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Fast ein Drittel der Jugendlichen, zeigt die ICILS-Studie verfügt über nur geringe Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien. Diese Schüler werden kaum in der Lage sein, das Internet zu nutzen, wie der ohnehin eher leistungsstarke Tim.

Auf Seiten der Lehrer die digitale Kompetenz in den letzten Jahren und Jahrzehnten dagegen deutlich gewachsen. Trotz aller Widrigkeiten nutzen viele digitale Medien auf kreative Weise im und für den Unterricht.

Ob in diesem Sinn das Video „Brickscience TV – Teilchenbeschleuniger“ des Physik- und Mathematiklehrers Stefan Müller eines Tages für einen Jugendlichen die Rettung darstellen wird, kann heute wahrscheinlich noch niemand beantworten. In seinem Brickfilm, einem Film mit Legofiguren, erklärt er, wie ein Teilchenbeschleuniger funktioniert und wann Forscherherzen höher schlagen.

Müller zeigt unter anderem anschaulich, wie und warum im Teilchenbeschleuniger Zusammenstöße von kleinsten Teilchen ausgelöst werden. Mit dem knapp fünf Minuten langen Werk gewann er jetzt den ersten Preis in der Kategorie Scitainement beim Webvideo-Wettbewerb Fast Forward Science 2015 des Forschungskommunikationsverbunds Wissenschaft im Dialog. (zab)

• zum Film von Stefan Müller
• weitere Wettbewerbsfilme

zum Kommentar von Andrej Priboschek: „Mittelalterliche“ digitale Bildung: Alles halb so schlimm? – Leider doch

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GriasDi
8 Jahre zuvor

‘Bücher werden in Schulen bald obsolet sein…Es ist möglich, jeden Zweig des Wissens (…) mit Hilfe von Filmen zu lernen. Unser Schulsystem wird innerhalb von zehn Jahren vollkommen verändert sein.”
Ein Zitat von T. A. Edison aus dem Jahr 1913