Bei jedem 15. Teenager sorgt exzessive Computernutzung für Probleme in der Schule – Eltern setzen keine Regeln

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BERLIN. Intensive Computernutzung führt in vielen deutschen Familien zu Problemen. Für etwa jedes 20. Kind im Alter zwischen 12 und 17 Jahren in Deutschland gibt es sogar das erhöhte Risiko einer Internet-Sucht. Dies ergab eine Studie der DAK-Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen. Danach geben Eltern ihren Kindern oft keine Regeln zum Umgang mit Laptop oder Smartphone. Krankenkasse und Institut starten jetzt eine Aufklärungskampagne.

Für die repräsentative Untersuchung hat das Forsa-Institut 1.000 Mütter und Väter umfassend zum Internet- und Computergebrauch ihrer 12- bis 17-jährigen Kinder befragt. Es ist die erste Eltern-Studie, die neben der Dauer und der Art der Internetnutzung auch mögliche krankhafte Folgen für die Jungen und Mädchen untersucht. Hauptergebnisse der DAK-Studie:

  • Laut der Hälfte der befragten Eltern bleibt das Kind länger online als vorgenommen.
  • 22 Prozent der 12- bis 17-Jährigen fühlen sich ruhelos, launisch oder gereizt, wenn sie ihre Internetnutzung reduzieren sollen.
  • Etwa jedes zehnte Kind nutzt das Internet, um vor Problemen zu fliehen.
  • Bei elf Prozent der Befragten hat das Kind mehrfach erfolglose Versuche unternommen, seine Internetnutzung in den Griff zu bekommen.
  • Bei sieben Prozent der Kinder gefährdet die Onlinewelt eine wichtige Beziehung oder eine Bildungschance, wobei die Jungen doppelt so häufig betroffen sind.

Marlene Mortler, Drogenbeauftragte der Bundesregierung: „Das Internet bietet Kindern und Jugendlichen große Möglichkeiten und Chancen. Gleichwohl dürfen die Risiken nicht unterschätzt werden. Experten gehen davon aus, dass in Deutschland bereits bis zu einer Million Menschen onlinesüchtig sind. Die Vermittlung einer frühen Medienkompetenz ist der entscheidende Schlüssel zur Prävention gesundheitsschädlicher Auswirkungen des Internetgebrauchs und der Computernutzung. Die aktuellen Zahlen geben uns brauchbare Anregungen und wichtige Hinweise für die Präventionsarbeit. Das Thema Onlinesucht habe ich zu meinem Schwerpunktthema in 2016 gemacht.“

„Die aktuelle Befragung macht deutlich, dass Suchtgefährdung auch im Kinderzimmer besteht“, erklärt Prof. Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). „Die Daten deuten darauf hin, dass etwa fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland unter krankhaften Folgen ihrer Internetnutzung leiden.“
Laut Studie der DAK-Gesundheit haben die Kinder im Durchschnitt im Alter ab zwölf Jahren begonnen, das Internet selbstständig zu nutzen.

  • Bei etwa einem Zehntel der befragten Eltern waren die Jungen und Mädchen aber jünger als zehn Jahre. Häufig vereinbaren Eltern mit ihren Kindern keine Regeln für den Umgang mit dem Computer:
  • 71 Prozent der Eltern haben keine Regeln, an welchen Orten ihr Kind das Internet nutzen darf;
  • 51 Prozent der Eltern haben keine Regeln, wie lange ihr Kind das Internet nutzen darf;
  • 32 Prozent der Eltern haben keine Regeln, welche Inhalte ihr Kind im Internet nutzen darf.
  • Auch wenn es Regeln zur Internetnutzung gab, so wurden diese nur von 42 Prozent der befragten Eltern auch „voll und ganz“ umgesetzt.

Nach der Befragung schätzen die Eltern die private Internetnutzung der Kinder an einem normalen Werktag auf rund zweieinhalb Stunden. Am Wochenende steigt die verbrachte Zeit im Durchschnitt auf vier Stunden an. 20 Prozent der Jungen und Mädchen sind am Samstag oder Sonntag sechs Stunden und mehr am Computer. Während Jungen die meiste Zeit mit Online-Spielen verbringen, nutzen die Mädchen das Internet für das sogenannte Chatten. In jeder dritten Familie sorgt die Internetnutzung manchmal bis sehr häufig für Streit. Dies ist vor allem bei Kindern im Alter zwischen zwölf und 13 Jahren der Fall.

„Unsere Studie zeigt, dass bei vielen Eltern offenbar eine große Verunsicherung bei der Internetnutzung ihrer Kinder herrscht“, sagt Herbert Rebscher, Vorstandschef der DAK-Gesundheit. „Wir nehmen die Ergebnisse zum Anlass, um die Prävention beim Thema Internetsucht zu verstärken und den Betroffenen neue Hilfsangebote aufzuzeigen.“ Die Krankenkasse finanziert neue Aufklärungsbroschüren, die Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte gezielt über das Thema Internet- und Computersucht informieren. Herausgegeben werden die Hefte mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Beispielen und einem Selbsttest vom Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

„Internetsucht ist noch nicht offiziell als Krankheit anerkannt. An vielen Orten in Deutschland wird dazu aber bereits geforscht“, sagte der Geschäftsführer des Gesamtverbandes für Suchthilfe, Theo Wessel. Für viele Eltern sei es sehr schwierig, Regeln aufzustellen, räumte er ein. „Es gibt hier eine Lücke zwischen den Generationen. Anders als ihre Kinder sind die Eltern nicht in die Internetwelt hineingeboren. Ihnen fehlt daher oft die Kompetenz, Regeln zu entwickeln“, so Wessel. News4teachers / mit Material der dpa

Weitere Informationen gibt es unter www.computersuchthilfe.info oder unter www.dak.de/internetsucht.

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2 Kommentare
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mehrnachdenken
8 Jahre zuvor

Eltern setzen ihren Kindern keine Regeln? Wie auch, wenn viele von ihnen selbst Internet – oder Smartphone-Junkies sind!

„Toll“, bald haben wir eine anerkannte Sucht mehr! „Technischer Fortschritt“ mit erheblichem persönlichen Risiko. In welcher „wunderbaren“ Zeit leben wir doch!!

Pälzer
8 Jahre zuvor

wenn wir mit Waffen so umgingen wie mit den digitalen Medien, …