Bildungsforscher: Viele Flüchtlingskinder werden dem Unterricht kaum folgen können – selbst wenn sie Deutsch gelernt haben

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Zum aktuelleren Bericht „Jetzt doch: Syrische Flüchtlinge sind hochqualifiziert – neue Studie des UNHCR“

BERLIN. Viele syrische Flüchtlinge haben einen erheblichen Bildungsrückstand. «Selbst nachdem sie Deutsch gelernt haben, werden viele dem Schulunterricht wohl nicht folgen können», sagte der Leiter des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, Ludger Wößmann, gegenüber der „Bild“-Zeitung. Laut einer Studie, die Wößmann für die OECD erstellt hat, beherrschen 65 Prozent der Schüler in Syrien im Lesen oder Rechnen nicht die Grundkompetenzen. „Es bestehen erhebliche Zweifel, ob sie die Voraussetzungen für eine Berufsausbildung mitbringen“, sagte er. Tatsächlich werde es Jahre dauern, bis Flüchtlinge voll in den Arbeitsmarkt integriert werden, meint auch der Präsident des Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Eric Schweitzer.

Unterrricht für syrische Mädchen in einem Flüchtlingslager. Foto: DFID / flickr (CC BY 2.0)
Unterrricht für syrische Mädchen in einem Flüchtlingslager. Foto: DFID / flickr (CC BY 2.0)

„Wir haben gerade erst für die OECD die Schulbildung in insgesamt 81 Ländern miteinander verglichen, unter ihnen auch Staaten wie Syrien oder Albanien, aus denen aktuell viele Flüchtlinge stammen“, so erklärte Wößmann gegenüber der „Zeit“. Legt man die Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudien PISA und Timss von 2011 – also für die heute 18-Jährigen – zugrunde, ergibt sich ein niederschmetterndes Bild: In Syrien schaffen 65 Prozent der Schüler nicht den Sprung über das, was die OECD als Grundkompetenzen definiert. In Albanien liegt die Quote bei 59 Prozent – gegenüber 16 Prozent in Deutschland.“

Dies bedeute konkret, „dass zwei Drittel der Schüler in Syrien nur sehr eingeschränkt lesen und schreiben können, dass sie nur einfachste Rechenaufgaben lösen können. Und das bedeutet, dass diese Schüler in Deutschland, selbst wenn sie Deutsch gelernt haben, kaum dem Unterrichtsgeschehen folgen können“. Vom Lernstoff her hinkten syrische Achtklässler im Mittel fünf Schuljahre hinter etwa gleichaltrigen deutschen Schülern hinterher. Und dabei liege der Besuch in der weiterführenden Schule dort nur bei 69 Prozent.

Die bundesweit 79 Industrie- und Handelskammern bauen nun flächendeckend Angebote für Beratung, berufliche Orientierung und Vermittlung in Ausbildung auf, wie DIHK-Präsident Schweitzer am Dienstag in Berlin mitteilte. Das DIHK-Programm kostet 20 Millionen Euro im kommenden Jahr und richtet sich an Flüchtlinge, die über die Schule oder das Jobcenter mit den Kammern in Kontakt kommen. Betriebsbesuche und Praktika sollen helfen. Die IHKs wollen unter anderem bei der Vermittlung in Einstiegsqualifizierung und Ausbildung unterstützen.

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Von der Politik forderte Schweitzer, dass Flüchtlinge während der Ausbildung und zwei Jahre danach nicht abgeschoben werden. Derzeit kann die Ausländerbehörde für die Aufnahme einer Ausbildung eine Duldung zunächst für ein Jahr erteilen – und jeweils bei Bedarf verlängern.

Allerdings muss die Lehre vor dem 21. Lebensjahr begonnen werden. Auch diese Altersgrenze mache keinen Sinn, kritisierte Schweitzer. Zudem sei die Vorrangprüfung, nach der Deutsche und EU-Bürger bei Jobs Vorrang haben, eine «unnötige bürokratische Hürde».

Generell dämpfte Schweitzer zu hohe Erwartungen. Vom Asylantrag bis zur vollen Integration in den Arbeitsmarkt dauere es zwischen sieben und zehn Jahre. Die Bereitschaft der Unternehmen, sich in dem Bereich zu engagieren, sei groß – aber auch das Bewusstsein, dass es ein langer Weg sei. «Wenn sie nicht Deutsch können, haben sie überhaupt keine Chancen», sagte Schweitzer.

Der DIHK wollte keine Prognose abgeben: Wie viele Flüchtlinge letztlich einen vollwertigen Arbeitsplatz haben werden, könne derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Flüchtlinge würden aber wohl nicht in großem Stil als Hilfskräfte in den Unternehmen arbeiten, denn die Zahl der entsprechenden Jobs sinke im Hochlohnland Deutschland, so Schweitzer. Deswegen sei die Qualifizierung so wichtig. News4teachers / mit Material der dpa

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