Noch immer kein Ende? Hoffnung auf Neustart der Odenwaldschule lebt bei einigen fort

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HEPPENHEIM. Die einst angesehene Odenwaldschule ist erst einmal Geschichte. Und doch glauben die Initiatoren eines neuen Konzepts an einen Neustart des Schulbetriebs. Auch den Gang vor Gericht scheuen sie nicht.

Das Idyll trügt: Um die Odenwaldschule wird heftig gerungen. Foto: Jakob Montrasio / flickr (CC BY 2.0)
Idyll oder Horrorhaus? Die Odenwaldschule. Foto: Jakob Montrasio / flickr (CC BY 2.0)

Vor fast vier Monaten haben die Aufsichtsbehörden ein neues Konzept für die insolvente Odenwaldschule abgelehnt. Trotzdem hoffen die Macher dieses Konzepts noch darauf, dass es nach den nächsten Sommerferien mit dem Schuljahr 2016/2017 wieder weitergehen kann.

«Wenn noch ein Jahr gewartet wird, hat man mehr Renovierungsbedarf», sagte die Sprecherin der Initiatorengruppe «Schuldorf Lindenstein», Gaby Magsam. «Es ist auch ein potenzieller Bewerber da.» Für ein Weitermachen sind auch die Insolvenzverwalterin und der Altschülerverein.

Die Behörden hatten die Genehmigung Anfang September versagt, weil sich ihrer Meinung nach auch eine abgespeckte Form der Privatschule langfristig nicht wirtschaftlich trage. Die aus Eltern und Sponsoren bestehende Gruppe legte Widerspruch ein. Auf eine Entscheidung wird noch gewartet. Falls die Behörden bei ihrer Absage bleiben, wollen die Initiatoren auf jeden Fall vor Gericht ziehen, wie Magsam sagt. «Wir sind der Meinung, dass man uns das Recht verwehrt hat.»

Die für ihre Reformpädagogik bekannte Odenwaldschule hatte mit einem 2010 ans Licht gekommenen Missbrauchsskandal jahrelang für Schlagzeilen gesorgt. Die lange zurückliegenden sexuellen Übergriffe waren kurz vor einer Feier zum 100-jährigen Bestehen der Einrichtung ans Licht gekommen. Die Zahl von 132 Opfern gilt als offiziell, ausgegangen wird aber von bis zu 500.

Die Schule meldete aufgrund finanzieller Probleme schließlich Mitte Juni 2015 Insolvenzantrag an. Die wichtige Gruppe der zahlenden Schüler war immer kleiner geworden. Die damalige Leitung machte aber auch Missmanagement in der Vergangenheit für das Dilemma verantwortlich. Das Insolvenzverfahren wurde im August eröffnet.
«Wir stehen immer noch Gewehr bei Fuß», betont Magsam. «Viele von uns würden ihre Kinder in diese Schule schicken.» Dafür gebe es gute Gründe. «Eine Schule wie die Odenwaldschule mit dieser Weltoffenheit und Integration ist einzigartig in Deutschland. So etwas muss erhalten bleiben.»

So sehen es auch der mehr als 700 Mitglieder zählende Altschülerverein der Odenwaldschule sowie Insolvenzverwalterin Sylvia Rhein. «Es gibt Interessenten für die Immobilie, darunter auch solche, die eine Wiederaufnahme eines Schulbetriebs anstreben», teilte die Rechtsanwältin mit. «Die Verhandlungen laufen, konkrete Angebote liegen mir bislang nicht vor. Mit spruchreifen Entscheidungen ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.» Der Altschülerverein unterstützt eine Fortführung, «wenn die Schule im Großen und Ganzen das schulische und pädagogische Konzept der Odenwaldschule umsetzt».

Neu aufstellen will und muss sich der Trägerverein der Privatschule, der früher die Fäden in der Hand hielt. «Sein Vereinszweck war die Führung der Schule. Diese Aufgabe ist weggefallen», sagte die Vorsitzende Christiane Streitz. Wie der Verein sein Aufgabenfeld genau verändern will, sei noch zu klären. «Es wäre allerdings schlecht, an vorderer Linie an einer Nachfolge-Schule mitzuarbeiten», meinte Streitz. «Denn der Trägerverein ist dafür verantwortlich gemacht worden, was an der Odenwaldschule schlecht ist.»

Veränderungen gibt es auch bei dem 2010 gegründeten Opferverein «Glasbrechen». Er hört nach Meinungsverschiedenheiten zum Jahresende in seiner bisherigen Form auf. Ein Teil der Mitglieder will 2016 eine andere Opfervertretung gründen. Von Joachim Baier, dpa

Zum Bericht: Nach fünf Jahren Schweigen – Hartmut von Hentig äußert sich zum Odenwald-Skandal: „Schweres Unrecht“

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mabala
8 Jahre zuvor

„Ich mach mir die Welt wiede wiede wie sie mir gefällt“ singt allseits bekannt Pippi Langstrumpf. (Und im Zusammenhang mit der gescheiterten Odenwaldschule ist es eine besondere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Gerold Becker bei der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels die Laudatio auf die Pippi-Langstrumpf-Schöpferin Astrid Lindgren halten darf.)
Sachliche Falschaussagen werden nicht dadurch richtig(er), dass sie möglichst oft wiederholt werden. Es wächst aber proportionaler zu ihrer Wiederholfrequenz die Gefahr, dass sie von einer breiten Öffentlichkeit geglaubt also „für wahr“ gehalten werden.
Herr Baier, Sie schreiben von dem „… 2010 ans Licht gekommenen Missbrauchsskandal … “ an der Odenwaldschule. Die Jahresangabe ist nicht nur sachlich falsch sondern vorsätzlich irreführend. Der Artikel von Jörg Schindler in der FR, der 2010 die publizistische Aufregung auslöste, hatte schon 1999 einen Vorläufer (ebenfalls von Jörg Schindler in der FR an ebenso prominenter Stelle – Samstagsausgabe Seite 3). Nur wurde der Artikel damals von allen Agenturen und Leitmedien ignoriert. Richtig müsste es also heißen, der “ … spätestens 1999 ans Licht gekommene Missbrauchsskandal … “
Ich mach mir die Welt wiede wiede wie sie mir gefällt
Sie zitieren die Vorsitzende des Trägervereins Christiane Streitz mit den Worten: «Denn der Trägerverein ist dafür verantwortlich gemacht worden, was an der Odenwaldschule schlecht ist.» Diese Äußerung legt den Schluss nahe, der Trägerverein sei zwar verantwortlich gemacht worden, wäre aber im Grunde garnicht verantwortlich. Diese Aussageduktus ist bodenlos. Der Trägerverein war das Leitungsorgan, dass den Schulleiter bestellte und inhaltlich wie juristisch für das Geschick der Schule verantwortlich war. Durch die Geschichte des Trägervereins zieht sich das Versagen an der Aufgabe wie ein roter Faden durch mindestens die letzten drei Jahrzehnte der Schulgeschichte – von dem völligen Versagen an der Aufsichtsfunktion, als sich Gerold Becker in quasi diktatorischer Manier seinen Alleinherrschaftsbereich an der Odenwaldschule aufbaut über das panische Verschweigen, Vertuschen und Verleugnen nach dem Artikel von 1999 bis hin zur völligen Unfähigkeit in den vergangenen fünf Jahren, sich mit den Betroffenen auseinander zu setzen. Frau Streitz, der Trägerverein wird nicht nur verantwortlich gemacht. Er ist verantwortlich, moralisch und juristisch. Und jegliche neue Schulinitiative wird gut beraten sein, sich restlos von dem belasteten Trägerverein zu trennen.
Aber nach Pippi Langstrumpfs Motto lebt sich’s leichter:
„Ich mach mir die Welt wiede wiede wie sie mir gefällt“

Pälzer
8 Jahre zuvor

Ja hören die denn immer noch nicht auf?
Oder warten sie, bis die „sexuelle Fielfalt“ auch im schulischen Bereich so richtig angekommen ist?