Niedersachsen will Lehrer nach ihrer Arbeitsbelastung befragen

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HANNOVER. Wegen einer fehlenden Erhebung ihrer Arbeitsbelastung hatte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg 2015 die Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für die niedersächsischen Gymnasiallehrer kassiert – eine schallende Ohrfeige für die rot-grüne Landesregierung. Nun sollen die Lehrer Online befragt werden, um sie zu entlasten, wie es aus dem Kultusministerium heißt.

Noch vor den Sommerferien sollen die rund 86 000 Lehrer in Niedersachsen im Internet zu ihren Arbeitsbelastungen im Schulalltag befragt werden. «Ich möchte wissen, bei welchen Aufgaben Lehrkräfte mehr Unterstützung brauchen, welche Vorgaben praxistauglicher gestaltet werden sollten und welche Tätigkeiten aus Sicht der Lehrkräfte möglicherweise wegfallen können», sagte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD). Ziel sei es, die Lehrer zu entlasten, «mehr Zeit für gute Schule, weniger Papierkram und Konzeptionitis».

Die Arbeitsbelastung für Lehrer endet nicht mit dem Verlassen der Schule. Foto: Markus Grossalber /flickr (CC BY 2.0)
Die Arbeitsbelastung für Lehrer endet nicht mit dem Verlassen der Schule. Foto: Markus Grossalber /flickr (CC BY 2.0)

Bei der freiwilligen Online-Befragung im Mai und Juni will das Kultusministerium von den Lehrern aber nicht nur erfahren, welche Tätigkeiten sie als besonders belastend empfinden. Zugleich können sie auch Vorschläge für mögliche Entlastungsmaßnahmen machen. «Dabei müssen wir im Auge behalten, das die hohe Qualität in unseren Schulen selbstverständlich erhalten bleibt», betonte Heiligenstadt.

Generell gelte die «klare Maßgabe», dass sich das Ministerium bei der Umsetzung möglicher Verbesserungen nur im Rahmen des beschlossenen Haushaltes bewegen könne. «Finanziellen Spielraum für eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung oder für mehr Anrechnungsstunden gibt es nicht», sagte Heiligenstadt.

Wissenschaftlich begleitet wird die Befragung vom Zentrum für Angewandte Gesundheitswissenschaften (ZAG) an der Lüneburger Leuphana-Universität. Ersten Planungen nach soll das Ausfüllen des Fragebogens nicht mehr als 30 Minuten in Anspruch nehmen. Die genauen Fragestellungen seien noch nicht ausgearbeitet. Die Erkenntnisse aus der Befragung sollen in die für die zweite Jahreshälfte 2016 geplante Arbeitszeitanalyse des Kultusministeriums einfließen.

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Die Arbeitszeitanalyse geht zurück auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom Juni 2015. Damals hatten die Richter eine von der rot-grünen Landesregierung beschlossene Erhöhung der Unterrichtsstunden für Gymnasiallehrer unter anderem deshalb als verfassungswidrig bezeichnet, weil es zuvor keine Erhebung der Arbeitsbelastung gab.

Seitens der Bildungsverbände wurde umgehend Kritik an den Plänen laut: «Die damit angekündigte Devise „Mehr Zeit für Unterricht“ ist rein populistisch», sagte die Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gitta Franke-Zöllmer, laut Mitteilung. Lehrkräfte bräuchten nicht mehr Zeit für Unterricht – dieser Anteil sei schon jetzt viel zu hoch. «Die von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt favorisierte „Online-Befragung“ ist keine Methode für eine seriöse Arbeitszeiterfassung.»

Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft GEW: «Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft wird sich nicht an der Ausarbeitung der Umfrage beteiligen, weil der irre-führende Eindruck erweckt wird, mit ihr könnten „belastbare Ergebnisse“ zur Arbeitsbelastung und Arbeitszeit der Lehrkräfte gewonnen werden.» Die GEW plant, im August 2016 eine eigene Untersuchung mit «wissenschaftlich abgesicherten und juristisch beachtlichen Ergebnissen» zu präsentieren. Diese werde an mehr als 250 Schulen und unter Beteiligung der Universität Göttingen von rund 3000 Lehrern vorgenommen, die über ein Jahr lang ihre Arbeitszeit minutengenau aufschreiben. (dpa)

• zum Bericht: Aus Arbeitszeit-Urteil nichts gelernt? – Heiligenstadt lehnt Arbeitszeiterfassung ab

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