„Ein wichtiger Teil von normalem Unterricht“: Jetzt entdecken auch die rot-grünen Bildungsminister die Begabtenförderung

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MAINZ. Wer ein großes Potenzial hat, muss besonders gefördert werden – das wollen die Bildungspolitiker aus 13 Ländern erreichen. Es ist auch eine Antwort auf drei Unionsminister, die im Dezember mit einer Initiative zur Begabtenförderung vorgeprescht waren.

Die Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher muss nach Ansicht der rot-grünen Bildungsminister von 13 Ländern in allen Schulen forciert werden. «Begabtenförderung ist ein wichtiger Teil von normalem Unterricht», sagte Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) am Montag nach einer Tagung in Mainz. Die Vertreter der rot-grünen Ressorts von Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen verabschiedeten eine gemeinsame Strategie, mit der die Förderung zur Regelaufgabe werden soll.

«Unser Ziel ist ein Bildungssystem, in dem für jedes Kind, jede Jugendliche und jeden Jugendlichen unabhängig von der Herkunft ein bestmöglicher Lern- und Bildungserfolg gesichert ist», heißt es in der sogenannten Mainzer Erklärung. «Die individuelle Förderung der Leistungspotenziale ist hierfür eine entscheidende Voraussetzung.» Darauf soll auch die Lehrerausbildung ausgerichtet werden.

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Die rot-grünen Minister wollen damit deutlich machen, dass sie keinen Unterschied machen wollen in der Unterstützung begabter Schüler, von Zuwandererkindern, von Schülern aus sozial schwierigen Verhältnissen oder von Kindern mit Behinderungen. NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) sagte: «Was Kindern mit besonderem Förderbedarf gut tut, das tut auch Kindern mit besonderem Potenzial gut und mit besonderen Talenten.» Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Vera Reiß (SPD) sagte, es gehe stets um individuelle Förderung.

Bereits im Juni 2015 hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) eine gemeinsame Strategie beschlossen, in der es um eine frühere und stärkere Förderung leistungsstarker Schüler geht. Danach erklärten die Unions-Kultusminister aus Bayern, Sachsen und Hessen im Dezember, sie wollten die Begabtenförderung an ihren Schulen vorantreiben. Löhrmann sagte: «Es sollte keine ideologischen Grundgräben geben.»

Hochbegabte Schüler werden in den Ländern mit vielen Aktionen gefördert. So hat Baden-Württemberg ein Landesgymnasium für Hochbegabte und Hochbegabtenzüge an mehreren Gymnasien. In Berlin gibt es Profiklassen mit Schwerpunkten, besonders begabte Schüler können früher aufs Gymnasium wechseln. In Thüringen können sie außerdem Klassen überspringen oder vorzeitig eingeschult werden. Rheinland-Pfalz bietet Hochbegabtenschulen und an weiteren 14 Gymnasien die Möglichkeit, eine Klasse zu überspringen.

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4 Kommentare
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Jürgen Günther
8 Jahre zuvor

Mit dem Begriff der „Begabtenförderung“ wird mir klar, warum Bemühungen um „Inklusion“ immer wieder ins Leere laufen und die Inklusion zur Farce wird.
„Begabtenförderung“ konterkariert die Inklusion durch personelle Selektion nach Leistung im oberen Bereich.
Es müsste nicht um „Begabtenförderung“ als personenzentriertes Selektionserfordernis gehen, wenn die Förderung von Begabungen im Schulbetrieb als eine Selbstverständlichkeit ernst genommen würde.
Auch die Mainzer Erklärung sagt meines Erachtens nicht mehr aus, als dass es darauf ankommt, dass jede Schülerin und jeder Schüler individuell die höchste Förderung ihrer Begabungen und Ihrer Leistungsmöglichkeiten erfahren sollen. Wobei ich noch Unterschiede bei der Förderung von Begabungen und der Förderung von Leistungsvermögen sehe, die ich an dieser Stelle auf Grund der gebotenen Kürze der Darstellung nicht weiter ausführen möchte. Nur soweit, dass das Leistungsvermögen sehr stark auch von sozialen Umfeldbedingungen der Jugendlichen abhängt.
Letztendlich führt die „Begabtenförderung“ in einer Verengung dieses Begriffs auf die Förderung von leistungsstarken Schülern zu einer neuen sozialen Spaltung der Schule und einer „Bestenauslese“. In einer von Austerität geprägten Haushaltspolitik könnte sich diese verengte Auffassung durchsetzten, denn sie spart Kosten und ist einfacher umzusetzen als eine wirkliche Förderung der Begabung eines jeden Jugendlichen. Eine Schule, die Letzteres verwirklichen will, muss völlig anders sein als das, was bisher die deutsche Schullandschaft prägt. Investition in Bildungsspielzeug genügt da nicht, hier ist die Kunst des Lehrens gefragt und mehr Zeit der Lehrenden für die individuellen Begabungen ihrer Schülerinnen und Schüler.

xxx
8 Jahre zuvor
Antwortet  Jürgen Günther

Andererseits verkümmern die besten der Besten seit Jahren geistig, weil die Schwachen individuell bis zur erreichten Versetzung gefördert wurden und das Ziel einer möglichst hohen Abiturientenquote nicht auf dem bisherigen Niveau zu erreichen war.

PseudoPolitiker
8 Jahre zuvor
Antwortet  Jürgen Günther

@Jürgen Günzher
Sie schreiben, die Kunst des Lehrers sei gefragt bei der individuellen Begabung von Schülerinnen und Schülern.
Ich vermute mal, Sie sind nicht Lehrer, sonst wüssten Sie, dass bei dieser Herkulesaufgabe nicht die Kunst des Lehrers verlangt wird, sondern seine Zauberkunst. Erst recht in Einheitsschulen.
Das Märchen von der Binnendifferenzierung und individuellen Förderung wird wohl nie auszurotten sein.

@xxx
Sie haben vollkommen Recht. Bisher wurden begabte und leistungsstarke Schüler sträflich vernachlässigt und alle Kraft in die sog. „Schwachen“ gesteckt. In immer heterogener werdenden Klassen schafft es kein Lehrer mehr, jedem Kind halbwegs gerecht zu werden. Am einfachsten ist es da, die sog. guten Schüler weitgehend sich selbst zu überlassen, das Lernniveau zu senken und alle Kraft in die angeblich Benachteiligten zu stecken, die ja nicht zurückgelassen werden dürfen, sonst ist das Geschrei über soziale Ungerechtigkeit wieder groß

Jürgen Günther
8 Jahre zuvor
Antwortet  PseudoPolitiker

Bitte lesen Sie sich meinen Kommentar noch einmal genauer durch, vielleicht verstehen Sie dann die Nuancierungen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen würde ich auch, um erfolgreich zu sein, stärker die Äußere Differenzierung nutzen. Es kann sein, dass sich in den zwei jahren, in denen ich nichts mehr mit Schule zu tun habe, heroische Veränderung in Schule ergeben haben. Ich glaube das eher nicht, deshalb stehe ich auch zu dieser Aussage. Aber wissen Sie auch, dass von den sog. „Hochbegabten“ regelmäßig einige an den Förderschulen landen? Und warum? Weil es uns eben nicht gelingt, Begabungen rechtzeitig zu erkennen und zu fördern. Wenn diese Fähigkeit nicht in der Breite erworben wird und die Bedingungen dafür geschaffen werden, können wir uns die sogenannte „Begabtenförderung“ ebenfalls sparen. Bestenfalls werden noch einige private Insitutionen mit fragwürdigen Vesprechungen viel Geld verdienen. Um Begabungen zu erkennen und zu fördern bedarf es meiner Meinung nach eines radikalen Schulumbaus. Dann ist auch die Inklusion kein Thema mehr, weil eben die individuellen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen besser berücksichtigt werden können. Trotz verschärfter sozialer Spaltung der Gesellschaft. Sozial benachteiligt sind nicht nur die Kinder von Eltern, die ihr Selbstwertgefühl auf Grund der Arbeitslosigkeit und der Schikanen der Jobcenter verloren haben, sondern auch die Kinder, deren Eltern auf Grund des Leistungsdruckes einer neoliberal ausgerichteten Wirtschaft keine Zeit mehr für ihre Kinder haben. Haben Sie so etwas auch erlebt?