Neugeborenes draussen liegen gelassen – Prozess um Mutter: Welche Strafe muss sein?

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BIELEFELD. Was ist die gerechte Strafe für eine Mutter, die ihr Kind nach einer geheimen Geburt in eine Plastiktüte steckt und in einem Busch zurücklässt? Der Verteidiger weist auf eine Ausnahmesituation.

Eine Mutter, die laut Anklage ihr Kind nach der Geburt in einem Gebüsch versteckt hat, soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft vier Jahre ins Gefängnis. Die 39­-Jährige muss sich vor dem Landgericht Bielefeld wegen versuchten Totschlags verantworten.

Im Juni 2015 soll sie in einem leerstehenden Rohbau in Gütersloh heimlich einen Jungen zur Welt gebracht haben. Dann soll sie ihn in eine Plastiktüte gesteckt und an einer verborgenen Stelle hinter einem Busch zum Sterben zurückgelassen haben. Staatsanwalt und Verteidiger gingen in ihren Plädoyers am Donnerstag davon aus, dass sie dabei im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit handelte. Ein Gutachter hatte der Angeklagten eine Störung der Wahrnehmung attestiert, im Zuge derer sie ihre Schwangerschaft bis zuletzt verdrängt hatte.

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Welche Strafe ist angemessen für eine Mutter, die ihr Neugeborenes sterben lassen wollte? Foto: dierk schaefer / flickr (CC BY 2.0)

Die Angeklagte hatte zum Prozessauftakt die Geschehnisse unter Tränen gestanden. Sie gab an, bis zuletzt geglaubt zu haben, dass sie statt eines Kindes ein Geschwulst in ihrem Bauch trage. Dass der Junge unterkühlt und ausgetrocknet überlebte, sei nur der zufälligen Entdeckung einer Passantin Stunden nach der Geburt zu verdanken.

«Hätte es die Nacht im Freien verbringen müssen, wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gestorben», begründete der Staatsanwalt den Vorwurf des versuchten Totschlags. Mit einer Festlegung auf ein Strafmaß habe er gerungen, führte er aus. Obwohl sie in einer psychischen Ausnahmesituation gehandelt habe, Reue zeige und nicht vorbestraft sei, habe die Angeklagte die Hilf­e und Wehrlosigkeit des auf sie angewiesenen Kindes ausgenutzt. Die von ihm geforderte Strafe von vier Jahren Haft unterscheide sich daher nicht von anderen Fällen versuchten Totschlags bei derart eingeschränkter Schuldfähigkeit, sagte der Staatsanwalt.

Der Verteidiger der 39­Jährigen hob hervor, dass seine Mandantin nicht bösartig, sondern aufgrund ihrer Störung eher planlos gehandelt habe. Sie bereue die Tat und könne ihr Handeln bis heute nicht erklären. Sie wäre mit einer zur Bewährung ausgesetzten zweijährigen Freiheitsstrafe ausreichend bestraft. Das Urteil wollen die Richter am 8. April verkünden. dpa

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sofawolf
7 Jahre zuvor

Warum -draussen- und nicht -draußen-? Irrtum, Tippfehler oder „Schweizer Verhältnisse“?