14-Jähriger würgt Lehrer mit Schnürband auf Klassenfahrt – Prozess um versuchten Totschlag

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HANNOVER. Was geschah 2014 auf der Klassenfahrt des Gymnasiums Bad Pyrmont in Goslar? Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft Hannover wollte ein damals 14-Jähriger seinen Lehrer töten. Die Verteidiger des zwischenzeitlich nach Russland geflohenen Schülers sehen das anders.

Das Urteil wird für den 18. Mai erwartet. Foto: Florentine / pixelio.de
Das Urteil wird für den 18. Mai erwartet. Foto: Florentine / pixelio.de

Weil er seinen Lehrer attackiert und mit einem Schnürsenkel gewürgt haben soll, muss sich ein 16-Jähriger vor dem Landgericht Hannover verantworten. Der Angriff ereignete sich im Herbst 2014 während einer Klassenfahrt des Gymnasiums Bad Pyrmont. In der Jugendherberge Goslar geriet der damals 14 Jahre alte Gymnasiast in Streit mit dem Lehrer, weil dieser ihm sein Handy abgenommen hatte. Wie die Ermittler damals berichteten, soll der Schüler dem 33-Jährigen im Treppenhaus der Jugendherberge aufgelauert und ihn von hinten angegriffen haben. Der Pädagoge erlitt der Polizei zufolge Würgemale und einen Sehnenabriss am Finger.

Am Dienstag startete der Prozess gegen den Schüler – wie alle Jugendverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Junge ist wegen versuchten Totschlags angeklagt. «Aus Verteidigersicht wird sich dieser Vorwurf nicht bestätigen», sagte der Rechtsanwalt des 16-Jährigen, Vyacheslav Varavin, nach der Verhandlung. Details wollte er aber zunächst nicht nennen.

Der Jugendliche, der kurz nach der Attacke von seinem Gymnasium flog, sitzt seit Beginn des Jahres in der Jugendanstalt Hameln. Nachdem er die Anklage zugestellt bekommen hatte, war er nach Russland geflohen, dort aber festgenommen worden. Längere Zeit verbrachte das Kind in russischer Auslieferungshaft. «Es war eine schwierige Zeit für ihn in Russland. Er ist in Deutschland geboren und aufgewachsen», sagte der Verteidiger. Möglicherweise werde sich sein Mandant am kommenden Prozesstag zur Sache äußern.

An den nächsten beiden Verhandlungstagen sind insgesamt zwölf Zeugen geladen. Dabei wird die Jugendkammer vor allem klären müssen, ob der Schüler in Tötungsabsicht seinen Lehrer geschlagen und gewürgt hat. Nach Polizeiangaben konnte sich der Mann nur mit Hilfe anderer Schüler befreien. Zudem soll der mutmaßliche Täter zuvor gedroht haben, den Lehrer umzubringen. Nach der bisherigen Planung des Gerichts könnte am 18. Mai das Urteil gesprochen werden. (AZ: 34 KLs 12/14)

In den vergangenen Jahren sind mehrfach Angriffe von Schülern auf Lehrer bekanntgeworden. Statistische Daten dazu gibt es aber nicht. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, beobachtet insbesondere eine Zunahme von verbalen Beleidigungen und Cybermobbing. «Ich empfehle allen betroffenen Lehrern, schnell Strafanzeige zu stellen», sagte der Autor und ehemalige Schulleiter aus Bayern. Kraus geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Viele Pädagogen machten Angriffe nicht öffentlich, weil sie meinten, ihr eigener Ruf könnte darunter leiden. Vorbeugend sinnvoll können nach Ansicht von Kraus zum Beispiel Deeskalationskurse im Lehrerkollegium sein.

Nach Angaben der niedersächsischen Landesschulbehörde sind Vorfälle wie die Attacke des 14-Jährigen auf der Klassenfahrt jedoch «absolute Einzelfälle». Behördensprecherin Bianca Schöneich sagte: «An niedersächsischen Schulen spielt Gewaltprävention eine große Rolle.»

Nach Angaben des Landeskriminalamtes in Hannover sind die Straftaten an Schulen stark rückläufig. Im vergangenen Jahr wurden landesweit 4185 Fälle bekannt, 2014 waren es noch 4619 Fälle, 2006 sogar 10.523 Straftaten. Unter den 4185 Fällen im vergangenen Jahr waren 1372 sogenannte Rohheitsdelikte wie Raub und Körperverletzung. dpa

 

Schüler-Angriffe auf Lehrer

Schüler haben mehrfach Lehrer bei Angriffen verletzt. Einige Fälle:

– Im Dezember 2015 wird ein 14-jähriger Schüler in Winsen/Aller (Niedersachsen) zu einem Gespräch ins Büro des Rektors bestellt. Dort schlägt der Jugendliche auf den Schulleiter und den zur Hilfe gekommenen Hausmeister ein.

– Drei Jugendliche greifen im Dezember 2014 einen Lehrer in Erfurt während des Unterrichts an und prügeln auf ihn ein. Hintergrund soll ein Streit des Lehrers mit einer Schülerin gewesen sein.

– Ein 14-Jähriger tritt im Juni 2014 im mecklenburgischen Ludwigslust während eines Streitschlichtungsgesprächs einer Lehrerin ins Gesicht.

– In Clausthal-Zellerfeld (Niedersachsen) schlägt ein Neunjähriger im Mai 2014 eine Lehrerin krankenhausreif, die sich schützend vor einen anderen Schüler gestellt hatte.

– In Pattensen (Niedersachsen) schlagen im Dezember 2008 fünf Jungen im Alter von 15 und 16 Jahren mit Ruten auf einen Lehrer ein. Sie waren dem Lehrer aufgefallen, weil sie anderen Schülern aufgelauert hatten.

– In Biberach (Baden-Württemberg) sticht ein 15-Jähriger im Juli 2008 mit einem Küchenmesser auf seinen Lehrer ein. Zuvor hatte er angegeben, mit ihm über seine Nicht-Versetzung reden zu wollen.

– Ein zwölf Jahre alter Hauptschüler attackiert in Gelsenkirchen im September 2006 seine Lehrerin, als diese ihn auf das Schulgelände zurückholen wollte. Er beschimpft die Frau, entblößt vor ihr sein Gesäß und schlägt ihr ins Gesicht.

Zum Bericht: Gewalt gegen Beamte – „trotz wachsendem Konfliktpotenzial sollten Schulen offene Häuser bleiben“

 

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