Seehofer will „Mittelstufe plus“ möglichst schnell abräumen – kommt dann wieder G9?

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MÜNCHEN. Die Signale aus München lassen tief blicken. Die regierende CSU lehnt zwar eine sofortige Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums in Bayern ab – peilt aber die Entscheidung über eine neuerliche Gymnasialreform bereits vor dem Ende des derzeitigen Pilotversuchs an. Die Entscheidung soll noch vor Ablauf der zweijährigen Testphase kommen, wie sowohl Ministerpräsident Horst Seehofer als auch Kultusminister Ludwig Spaenle (beide CSU) am Mittwoch am Rande der CSU-Fraktionssitzung im Landtag sagten.

Ließ schon früher seine Sympathien für G9 erkennen: Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: Ailura / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Ließ schon früher seine Sympathien für G9 erkennen: Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: Ailura / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Offiziell heißt es: Eine eventuelle neue Gymnasialreform solle zum übernächsten Schuljahr 2017/18 nahtlos an den derzeitigen Test anknüpfen. Der Pilotversuch gehe nächstes Jahr zu Ende, „und natürlich muss man rechtzeitig vor dem übernächsten Jahr entscheiden“, sagte Seehofer – gemeint ist damit das übernächste Schuljahr 2017/18, das im September 2017 beginnt. Die Anmeldungen zu den Gymnasien stehen bereits im späten Frühjahr auf dem Terminkalender, so dass allerspätestens bis dahin entschieden sein müsste, wenn die CSU Klarheit für die Eltern schaffen will.

Weit wichtiger als die Planungssicherheit für die Eltern zum Schuljahr 2017/2018 dürfte für die Christsozialen allerdings ein anderer Aspekt sein: 2018 stehen im Freistaat Landtagswahlen an – und bis dahin soll das Streitthema offenbar abgeräumt sein. Ein sofortiger Schwenk in der Schulpolitik wäre für Seehofer und Spaenle mit einem Gesichtsverlust verbunden; ihr Kompromissmodell „Mittelstufe plus“ hätte sich allzu schnell als Rohrkrepierer erwiesen.

Die Freien Wähler fordern bereits eine sofortige Entscheidung über eine Rückkehr zum G9. „Es besteht höchste Eile, um 2017 flächendeckend allen Schülern und Schülerinnen eine neunjährige Gymnasialzeit anbieten zu können, die das wollen“, sagte Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Kultusminister Spaenle nannte diese Forderung nach einer sofortigen Entscheidung einen „billigen Schaufensterantrag“.

Der Anlass für Aiwangers Begehr: In diesem und im nächsten Schuljahr wird an mehreren Dutzend Gymnasien in Bayern die „Mittelstufe plus“ erprobt – und die Anmeldezahlen liegen zwischen 60 und 70 Prozent. Die Schüler können die Mittelstufe an diesen Testgymnasien in vier anstelle von drei Jahren absolvieren, so dass sich die Gymnasialzeit insgesamt wieder auf neun Jahre verlängert. „Es wäre fahrlässig, wenn Seehofer die politische Entscheidung weiter verschiebt, nur um das Gesicht zu wahren“, sagte Aiwanger.

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Seehofer betonte dagegen: „Da besteht jetzt kein Anlass, hektisch und oberflächlich etwas vorwegzunehmen.“ Die Bildungspolitik der Staatsregierung werde verlässlich bleiben. „Das geschieht nur, wenn man sich nicht treiben lässt, sondern die Dinge in aller Ruhe aufbereitet.“

Seehofer hatte bereits vor einigen Jahren Sympathien für eine Wiedereinführung des G9 erkennen lassen, doch hatte die CSU-Landtagsfraktion dem damals einen Riegel vorgeschoben. Derzeit hält sich der Ministerpräsident bedeckt, was seine persönliche Präferenz betrifft. Doch zitierte er ein Lieblingsargument der G9-Befürworter: Dass eine neunjährige Gymnasialzeit mehr Zeit für die Persönlichkeitsentwicklung lasse. „Wir sollten alle dazu beitragen, dass wir junge Menschen ausbilden, damit sie ein glückliches Leben führen können“, sagte Seehofer. Das resultiere nicht nur aus angelerntem Wissen, sondern auch aus der Persönlichkeitsentwicklung.

Diskutiert wird nicht nur innerhalb der CSU, sondern auch bei der Opposition gibt es unterschiedliche Meinungen. Die SPD fordert, eine neunjährige Gymnasialzeit wieder zum Standard zu machen. „So wie wir es jetzt haben, ist es ein Gemurkse, und so kann es nicht bleiben“, sagte der SPD-Bildungsexperte Martin Güll.

Die Grünen haben sich bislang nicht bei den G9-Anhängern eingereiht, sie forderten stattdessen eine gründliche wissenschaftliche Untersuchung. Der bildungspolitische Sprecher Thomas Gehring warnte Seehofer und Staatsregierung vor einem neuerlichen unüberlegten Schnellschuss: „Jetzt ist die Gefahr da, dass man hoppla hopp etwas macht, was die Probleme an den bayerischen Gymnasien nicht löst.“ dpa

Zum Kommentar: Warum wir jetzt (auch mal wieder) über die Vorteile von G8 sprechen müssen

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5 Kommentare
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dickebank
7 Jahre zuvor

Rinn in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln – BY ein echter Agrarstaat.

GriasDi
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Einer der wenigen, die Rest-Deutschland über den Länderfinanzausgleich durchfüttert.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Nur zahlt BY an LFA-Mitteln des horizontalen Finanzausgleiches weniger an NRW als dieses im vertikalen LFA an Umsatzsteuererlösen an BY abgibt.

Von den Subventionierungen im Agrar- und Energiesektor einmal ganz abgesehen.

GriasDi
7 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Auch Bayern gehört zu den Geberländern bei den Umsatzsteuererlösen.

http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-03/finanzausgleich-laender-bayern-geberland

Pensionist
7 Jahre zuvor

Die werden mit der Rückkehr zum G9 doch hoffentlich noch warten, bis Stoiber das Interesse an Politik verloren hat.

„Neue Erkenntnisse setzen sich nicht durch, weil sie als besser erkannt werden, sondern weil die Vertreter der alten Lehre aussterben“ von wem war das doch gleich nochmal?