Streit in der Schweiz: Muslimische Schüler verweigern Lehrerin den Handschlag – und die Schule duldet das

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BASEL. In der Schweiz ist ein Streit darüber ausgebrochen, wie sehr sich muslimische Schüler in der Schule an westliche Höflichkeitsriten anzupassen haben. Der Anlass: Zwei Brüder aus Syrien verweigerten einer Lehrerin den Handschlag – und bekamen eine Sondergenehmigung, auch künftig jede Berührung vermeiden zu dürfen. Allerdings sollen sie auch männlichen Lehrkräften künftig nicht mehr die Hand geben. Der Gleichberechtigung wegen.

Der Handschlag mit Vertretern des anderen Geschlechts stellt manche Muslime offenbar vor ein Problem. Foto: Broad Bean Media / flickr Broad Bean Media (CC BY-SA 2.0)
Der Handschlag mit Vertretern des anderen Geschlechts stellt manche Muslime offenbar vor ein Problem. Foto: Broad Bean Media / flickr Broad Bean Media (CC BY-SA 2.0)

Ist der Händedruck zwischen Mann und Frau im Islam erlaubt? Eine für manche Moslems offenbar schwierige Frage. Der als radikal geltende Islamische Zentralrat der Schweiz hat aktuell eine „Fatwa“ veröffentlicht, die das Problem in unterschiedlichen Konstellationen abhandelt und, unfreiwillig komisch, an die ellenlangen Abhandlungen katholischer Theologen zur Sexualmoral erinnert.

Unter „Verwandten, die einander zur Heirat verwehrt sind“ – also etwa zwischen Vater und Tochter? Erlaubt. „Zwischen einem fremden geschlechtsreifen Mann und einer fremden geschlechtsreifen Frau, welche natürliche Triebe (gegenseitige Anziehungsmöglichkeit) verspüren“? Verboten. „Der Händedruck einer fremden alten Frau oder eines fremden alten Mannes, bei der die sexuellen Triebe kaum noch einen Einfluss haben“? Umstritten. „Das Berühren bzw. der Händedruck von fremden weiblichen oder männlichen Kindern (nicht geschlechtsreif)?“ Unproblematisch, den meisten Gelehrten zufolge jedenfalls. Allerdings nur bis zur Pubertät, deren Beginn auf das Alter von acht Jahren festgelegt wird. Danach: verboten.

Letzteres hat in der Schweiz aktuell Relevanz erfahren:  Zwei muslimische Schüler einer weiterführenden Schule in Therwil bei Basel, zwei Brüder aus Syrien im Alter von 14 und 15 Jahren (die in der Schweiz aufgewachsen sind), hatten sich geweigert, einer Lehrerin die Hand zum Abschied zu reichen – und müssen das auch nicht tun. Sie werden allerdings  künftig auch männlichen Lehrern nicht die Hand geben, sondern es bei einem höflichen mündlichen Gruß belassen.

Der Fall löste in der Schweiz einen Sturm der Entrüstung aus. Der vorherrschende Tenor auch bei Politikern und Lehrerverbänden ist Unverständnis für die Entscheidung der Schule, welche diese „Diskriminierung der Frauen“ mittels Sonderregelung zulasse. Der Rektor begründet die Sonderregelung hingegen laut „Basler Zeitung“ als einen gangbaren Kompromiss: „Mit dieser Regelung ist zumindest die besagte Diskriminierung zwischen den Geschlechtern beseitigt», sagte er.  Dass die nicht in den Köpfen der Schüler abgelegt wurde, bestreitet der Schulleiter nicht. Aber: „Die Einstellung der Schüler können wir nicht ändern.“ Zumal sie von den Eltern offenbar in ihrer Haltung bestärkt werden. Beschwert hatte sich eine Lehrerin, die sich von dem Verhalten der Schüler vor den Kopf gestoßen fühlte.

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Auch liberale Muslime können die Weigerung – und deren Duldung – nicht nachvollziehen. „Wir sind hier nicht in Saudi-Arabien“, schimpfte etwa Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen Fortschrittlichen Islam. Justizministerin Simonetta Sommaruga meldete sich laut „Süddeutscher Zeitung“ ebenfalls  zu Wort: Der Handschlag gehöre zur Schweizer Kultur, ihn zu verweigern, „das geht nicht“. An dieser Stelle dürfe man „kein Fragezeichen aufkommen lassen“.

Montassar BenMrad, der Präsident Islamischer Dachorganisationen in der Schweiz, FIDS, eierte zunächst herum. Um dann doch mitteilen zu lassen: „Die Hand einer anderen Person nicht zu schütteln wird in der Schweiz als Respektlosigkeit, Unhöflichkeit oder sogar als Aggression empfunden.“ Das Vermeiden von physischen Kontakten werde zwar mit Respekt und Schamgefühl begründet, in der Schweiz sei das jedoch „unangebracht.“ Zudem hätten viele islamische Gelehrte „klar bestätigt, dass ein gewöhnlicher Händedruck zwischen Mann und Frau theologisch erlaubt ist“.

Der Islamische Zentralrat der Schweiz sieht das allerdings anders. Er empfiehlt Muslimen, den Handschlag zu verweigern – das Verhalten dann aber freundlich zu erklären. „Insbesondere hat das Berührungsverbot im Islam keinen diskriminierenden Ursprung, sondern gilt gleichermaßen für beide Geschlechter und hat das Ziel Versuchung vorzubeugen. Außerdem kann darin ganz im Gegenteil zur im Westen verbreiteten Wahrnehmung auch eine besondere Geste des gegenseitigen Respekts gesehen werden“, heißt es.

Und weiter: „An die Nicht-Muslime ergeht die Empfehlung, das islamische Berührungsverbot nicht als Provokation oder Herausforderung der eigenen Kultur zu interpretieren. Angesichts der immer stärkeren kulturell und religiösen Durchmischung unserer Gesellschaft ist sinnvoll, einzelne Bräuche und kulturelle Eigenheiten nicht zur conditio sine qua non für gesellschaftliche Zugehörigkeit zu überhöhen. Der Händedruck soll das bleiben, was er ist: ein Brauch, auf den man ohne weitere Abstriche auch verzichten kann.“  News4teachers

Zum Bericht: Dreijahresstudie – Immer mehr junge Muslime wenden sich der Religion zu, immer mehr sind auch anfällig für radikale Botschaften

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Samuel
7 Jahre zuvor

Ganz einfach. Beide sofort ausweisen und dann sehen wir mal ob sich noch jemand traut uns seine Steinzeitmoralvorstellungen aufzwingen wollen.

Georg
7 Jahre zuvor
Antwortet  Samuel

Wie wärs mal mit der Forderung nach mehr Bildung? Darüber schon mal nachgedacht?

Ist doch ein Forum für Lehrer*innen hier, oder?

Milch der frommen Denkungsart
7 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Derart archaisch-religiös vernagelten Gehirnen wird man selbst durch die geballten Weisheiten des Orients nicht beikommen, sondern nur mit granithartem Einfordern europäischer Basiskultur – Bildung im besten Sinne des Wortes, ähnlich einem Steinmetz, der spröden Stein in ein Kunstwerk verwandelt.
Gewiss wird man mir diesen antiken Vergleich als antimodern, inhuman und reaktionär um die Ohren hauen, doch Fordern bleibt in meinen Augen stets die Basis bzw. Voraussetzung des Förderns.

mehrnachdenken
7 Jahre zuvor

Vielleicht möchten Sie hier einmal hinein schauen. Etwas länger, aber für mich spannend wie ein Krimi.

http://www.rolandtichy.de/feuilleton/medien/modell-merkel-am-ende/

Georg
7 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Lesen Sie auch mal was anderes außer Kutschi, Röhl und Tichy? Es gibt soviel anderes auf der Welt, das Ihren Horizont mächtig erweitern würde.

Einfach mal rauswagen, es tut gar nicht weh.

mehrnachdenken
7 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Wollen Sie mir jetzt schon vorschreiben, was ich zu lesen habe?
Mich kümmert auch nicht, woher Sie Ihre „Weisheiten“ beziehen.

Obwohl Sie es nichts angeht, gebe ich aber zu, dass ich mich von den Mainstream – Medien in zentralen politischen Fragen nicht ausreichend und vor allem nicht objektiv genug informiert fühle. Das gilt auch für die gängigen Talk – Shows in der ARD und dem ZDF.
Erfreuliche Ausnahmen sind für mich 3 Sat und Phönix.

Lesen Sie doch bspw. mal im Cicero (Ausgabe April), was eine
BaMF – Mitarbeiterin der Journalistin Viola Roggenpohl über ihre Arbeit erzählt.
Dann würden Ihre schwärmerischen Ansichten über das Flüchtlingsthema möglicherweise arg durchgeschüttelt werden.

Georg
7 Jahre zuvor

Kurze Antwort zu Ihnen, Milchmann:

„zwei Brüder aus Syrien im Alter von 14 und 15 Jahren (die in der Schweiz aufgewachsen sind)“

Es sind Jugendliche, die hier aufgewachsen sind. Die sind also eher Okzident, denn Orient. Einfordern ist schön, Bildung ist schöner. Das Sie kein Wort von Bildung verlieren, ist schade und widerspricht in meinen Augen dem Selbstanspruch und Selbstbild. Beides sollte meiner Meinung nach Hand in Hand gehen, wobei mir die richtige Bildung tausendmal lieber ist, als die Faust auf dem Tisch.

Aber je weiter man allerdings nach rechts kuckt, desto lauter werden jedoch die antimodernen, inhumanen und reaktionären Forderer, die gleichzeitig an jeder Ecke im Bildungssystem sparen und endlich mal wieder Disziplin durchsetzen wollen, weil es das ist, was sie unter Pädagogik und Werten verstehen: Disziplin, Ordnung, Sauberkeit, Organisation. Kurz: Auschwitz.

Milch der frommen Denkungsart
7 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

@Georg:

D‘ accord – dann haben augenfällig die Eltern dieser Jugendlichen ihre Sprößlinge die sprichwörtlichen mores nicht gelehrt, offenbar ermuntert von einem desinteressiert-resignierten Systemversagen auf staatlicher Ebene.
Nebenbei bemerkt, habe ich Hochachtung vor den orientalischen bzw. islamischen Bildungsleistungen, die freilich sämtlich aus einer Zeit stammen, als die Kultur, die diese hervorbrachte, noch nicht
von einem derart bäuerischen, eifernden Fundamentalismus er- drosselt war, dem die eben erwähnten Eltern wohl noch huldigen.

Diese meine Feststellung ist gewiß diskutabel, im Gegensatz zu Ihrer
blindwütig-simplifizierenden und selbst Ihr Diskursniveau bis dato un- vorstellbar unterschreitenden Auschwitzanalogie.
Wer wie Sie nach Bildung ruft, hätte besser den Geschichtsunter- richt nicht so häufig in der Raucherecke geschwänzt; aber jeder blamiert sich bekanntlich selbst, so gut er kann – und darin haben
Sie soeben Ihr Meisterstück geliefert – chapeau !

Georg
7 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Das mit den deutschen Sekundärtugenden (oder „Preußischen Tugenden“) – aktuell gerade wieder bei der der AfD ganz hoch im Kurs – haben Sie aber schon mal gehört, oder? Und das mit diesen Tugenden auch ein KZ betrieben werden kann, ohne sich am KZ und dem Menschenmord selbst zu stören auch, oder?

Vielleicht kannten Sie das Problem ja auch nicht, dann würde ich Ihnen den zweiten Teils ihres Kommentars nachsehen.

„Sekundärtugend ist ein Begriff aus dem deutschen Positivismusstreit der 1970er/1980er Jahre. Als Sekundärtugenden oder auch bürgerliche Tugenden wurden Charakter­eigenschaften eingestuft, die zur praktischen Bewältigung des Alltags und zum „störungsfreien“ Betrieb einer Gesellschaft beitrügen, ohne aber für sich allein eine ethische Bedeutung zu haben, sofern sie als Selbstzweck hochgehalten würden und nicht zur Umsetzung der Primärtugenden dienten.

Zu den bürgerlichen oder Sekundärtugenden wurden insbesondere Fleiß, Treue, Gehorsam, Disziplin, Pflicht­bewusstsein, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Ordnungsliebe, Höflichkeit, Sauberkeit u. a. m. gezählt, meist aus dem Katalog der preußischen Tugenden bzw. des „bürgerlichen“ Tugendkatalogs. Otto Friedrich Bollnow ließ 1963 der Ordnung und Reinlichkeit, dem Fleiß und der Wahrhaftigkeit noch einmal eine Bestätigung zukommen, registrierte aber bereits „das absinkende Verständnis“ in der Gesellschaft.“

Und die eigentlich wichtigen Tugenden, die Kardinaltugenden, sind der AfD natürlich ein Fremdwort:

Freiheit,
Güte,
Klugheit,
Gerechtigkeit,
Tapferkeit,
Mäßigung.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kardinaltugend

Pan Onim
7 Jahre zuvor

Ausländer, nicht Schweizer haben sich anzupassen: Nehmen oder gehen. Ich habe die Nase voll, dass man sich in unserem Land ständig darüber Sorgen machen soll, ob sich irgendwelche Personen oder Kulturen in ihren Befindlichkeiten beleidigt fühlen. Unsere Nation hat über viele Jahrhunderte Identität, Zusammengehörigkeit, Konsens und Wohlstand erkämpft und eine Kultur geschaffen, die uns gehört. Wir wollen sie gerne mit anderen teilen, aber auf keinen Fall darauf verzichten.

Die Schweiz ist vielsprachig und bietet deshalb wie kein anderes Land die Chance der sprachlichen Integration; wenn ihr Teil unserer Gesellschaft werden möchtet, dann lernt eine unserer Landessprachen!

Wir sind stolz auf unsere liberale Religionsfreiheit und akzeptieren euren Glauben, aber dieser hat sich unseren Gesetzen der Gleichberechtigung von Mann und Frau zu unterordnen.

Dies ist UNSER LAND, UNSER LIFE-STYLE und wir geben euch jede Möglichkeit, die Früchte unserer Errungenschaften mit uns zu teilen. Aber wenn ihr euch hier als Fremdkörper gebären–, euch in Kleidung, Sprache und Lebensart von uns absetzen–, euer Ghetto schaffen–, euch nicht an unsere Gesetze und Regeln halten und ohne eigenen Beitrag die von unseren hart erarbeiteten sozialen Netze unterwandern wollt, dann empfehlen wir euch dringend, Gebrauch von einem weiteren Stück Freiheit in diesem Land zu machen: DEM RECHT, ZU GEHEN.

Wenn ihr euch bei uns nicht wohl fühlt, dann GEHT. Wir haben euch nicht gezwungen, hierher zu kommen. Ihr habt darum gebeten, mit und bei uns leben zu dürfen, eure Akzeptanz hängt davon ab, dass ihr uns und unser Land akzeptiert.

Erst wenn wir uns um eine Gemeinsamkeit bemühen, ja, darum kämpfen, werden wir eine gemeinsame lebenswerte Basis schaffen, auf dass wir uns ALLE hier bei uns zu Hause fühlen.

Torsten Fink
7 Jahre zuvor

Auch wenn es unhöflich ist, man muss niemanden die Hand geben bzw. sich berühren lassen. Das unterliegt der persönlichen Freiheit. Ich selbst hatte auch zwei Seminarausbilder, denen ich ums Verrecken nicht die Hand gegeben hätte.

Pan Onim
7 Jahre zuvor
Antwortet  Torsten Fink
Milch der frommen Denkungsart
7 Jahre zuvor

@Georg:

Dass Sie sich immer wieder krampfhaft abmühen, Ihre Opponenten in den Schlappschuh der AfD zu zwängen, ist ja inzwischen nahezu pathologisch.

Letztlich lenkt das den Sachkundigen dennoch nicht davon ab, dass Ihre Auschwitzherleitung in ihrer Monokausalität eine genauso eindimensionale, platte Phraseologie darstellt wie seinerzeit die Behauptung, der Pazifismus
der 30er Jahre habe die Shoah erst ermöglicht.
Daher würde Ihnen eine solch blutleere, zur historischen Differenzierung
unfähige bzw. unwillige These von jedem Proseminaristen im ersten Seme- ster um die Ohren gehauen werden.

Georg
7 Jahre zuvor

Lieber Milchmann,

nehmen Sie mal die Brille runter. Nicht immer, wenn ich AfD schreibe, meine ich damit automatisch die Person, auf die ich antworte. Schauen Sie sich aber mal an, was die AfD so zu Bildung und Schule denkt.

Alles andere lass ich mal als schönes Beispiel für Unwillen zum Wissen und arrogante Herablassung stehen.

Ursula Prasuhn
7 Jahre zuvor

@Georg am 7. April 2016 um 21:57
Leichtfertige und geschmacklose Auschwitz-Vergleiche, die immer wieder von Sandkastenkämpfern gegen Rechts ins Spiel gebracht werden, stoßen mir ebenso übel auf wie “Milch der frommen Denkungsart” – vor allem wegen ihrer Verharmlosung der NS-Zeit und deren Opfern.
An Auschwitz zu erinnern, um der Kritik am Fehlverhalten einiger Muslime “mutig” entgegenzutreten und sich somit als verspäteter Widerstandskämpfer gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im sog. Dritten Reich darzustellen, ist in der Tat unterste Schublade. Erziehung zu “Disziplin, Ordnung, Sauberkeit, Organisation” oder einfachsten Regeln westlicher Höflichkeit hat nichts mit Auschwitz zu tun, auch wenn Sie da gern eine Parallele ziehen.
Sie können nicht mehr Mitglied der “Weißen Rose” werden oder sich als mutiger Mitstreiter zu Hans Scholl oder Christoph Probst gesellen. Solche Vorstellungen scheinen dem Ego allerdings so verlockend, dass heutzutage nicht nur Sie überall Auschwitz wittern und hinter jedem Baum und jeder Straßenecke einen Rechtsextremisten oder Neonazi.
Hauptsache, man gilt als moralische Lichtgestalt und selbstloser Widerstandskämpfer gegen Hitler, wenn auch um einiges später.
Der Publizist Johannes Gross hat es bereits vor Jahren erkannt und ganz richtig festgestellt: “Der Widerstand gegen Hitler und die Seinen wird umso stärker, je länger das Dritte Reich zurück liegt.“

Georg
7 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

Auch Sie haben noch nie etwas vom Verhängnis der überaus deutschen Betonung der Sekundärtugenden gehört, Frau Prasuhn? Das wundert mich wenig, wenn man nur die Junge Freiheit ließt, in der diese ja sicher als das große Ding gelten.

Wenn jemand Sekundärtugenden hochjubelt und ansonsten so auffällt, wie es die AfD tut, dann wird man doch wohl noch hellhörig werden dürfen in diesem Land, oder? Oder darf man auch das schon nicht mehr unter dem Meinungsdiktat, dass Sie mir hier aufdrücken wollen? Endlich einer der sich traut, mutig die Wahrheit auszusprechend.

Naja, den Rest kennen Sie ja von sich und Kutschis Groupie.

Ursula Prasuhn
7 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Natürlich habe ich von diesem angeblichen Verhängnis gehört. Seit Jahrzehnten wird es gepredigt. Wie sollte mir das entgangen sein?
Nur hat die Glaubenslehre bei mir nicht verfangen und ich sehe die als minderwertig oder fragwürdig bezeichneten Sekundärtugenden wie Selbstdisziplin, Pünktlichkeit, Höflichkeit oder Fleiß nach wie vor als wichtig und erstrebenswert an.
So mancher Lehrer wäre froh, wenn seine Schüler diese Tugenden besser beherrschten.
Mir ist auch nicht entgangen, dass die 68er nebst ihrer Geistesschmiede “Frankfurter Schule” die sog. Sekundärtugenden mit dem Naziregime in Verbindung brachten, dadurch schlecht machten und der Vernachlässigung aussetzten.
In dieser Ideologie brauche ich also keine Nachhilfe. Sie ist jahrzehntealt und verkörpert das, was Sie oder Ihre Mitstreiter bei unerwünschter Argumentation mit bewährtem Erfahrungswissens verächtlich als “Zurück in die Zukunft” bezeichnen.

Georg
7 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

Auch ich habe nichts gegen Selbstdisziplin oder Fleiß oder Höflichkeit. Wer sollte etwas dagegen haben? Als minderwertig oder fragwürdig bezeichnet hat die von Ihnen so geschätzten Sekundärtugenden auch niemand. Und das so manche LK froh wäre, wenn diese von seinen SuS gewertschätzt würden – auch da sind wir ganz einer Meinung.

Problematisch werden sie allerdings, wenn Sie nicht auf den Primärtugenden als Basis fußen, sondern als erstrebenswertes Ziel schlechthin gelten.

Mit all denen von Ihnen angeführten Werten ließen sich nämlich wunderbar KZs betreiben, und genau das wurde an Ihnen auch kritisiert. Man kann an der Rampe sogar höflich sein, so lange der Betrieb ungestört läuft.

Die Art, wie diese Kritik von den 68ern vorgetragen wurde, hätte auch mir nicht gefallen, und ich kann Ihren Ärger – so er sich denn darauf bezieht – sehr gut nachempfinden. Im Kern ist das Argument aber schlüßig.

Man kann sich also gut von den Überbringern und der Form abgrenzen, inhaltlich aber d´accord gehen. Vielleicht versuchen Sie`s mal?

M. J.
7 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Wenn jemand „vom Verhängnis der überaus deutschen Betonung der Sekundärtugenden“ spricht und sie als wunderbar funktionierend für die Betreibung von KZs herausstreicht, macht sie nicht nur „minderwertig oder fragwürdig“, sondern unterstellt ihnen obendrein verbrecherische Energie.
Dem auch noch vorauszuschicken „Auch ich habe nichts gegen Selbstdisziplin oder Fleiß oder Höflichkeit“, schlägt dem Fass den Boden aus.
Sie behaupten einfach, Ihre Argumentation wäre schlüssig, sie ist es jedoch mitnichten und nichts anderes als typisch linke Scheinlogik, welt- und lebensfremd, vor allem aber selbstfremd.
Wie theoretisch und abgekoppelt vom eigenen Sein und Verhalten sie ist, zeigt Ihre Person mit den häufig aggressiven, zynischen und auch boshaften Angriffen auf Meinungsgegner.
Da vermisse ich sowohl Primär- als Sekundärtugenden.
Ich verkneife mir die Überlegung, wie so ein Mensch wohl in der Nazi-Zeit aufgetreten wäre, obwohl Sie Nazi-Vergleiche schätzen.

Georg
7 Jahre zuvor
Antwortet  Georg

Sorry, bitte lesen Sie es nochmal, Sie haben es meines Erachtens nicht verstanden. Ich habe keinerlei Wertung vollzogen und auch keine verbrecherische Energie unterstellt.

Und bitte spulen Sie nicht nur einen simplen Linken-Hass herunter. Damit sind Sie beim mir an der falschen Adresse. In diese Schublade können Sie gerne jemand anderen stecken.

Zu allem anderen kann ich nur sagen: Schauen Sie sich einfach die Diskussion in diesem Forum an. Wenn Sie sich nur an mir abarbeiten, legen auch Sie einen Doppelstandard an. Und die mag ich ja bekanntlich nicht.

ysnp
7 Jahre zuvor

„Insbesondere hat das Berührungsverbot im Islam keinen diskriminierenden Ursprung, sondern gilt gleichermaßen für beide Geschlechter und hat das Ziel Versuchung vorzubeugen.“
Unabhängig, aus welcher Ecke die Aussage kommt: Heute würde man in einer westlichen Gesellschaft so eine Aussage als „verklemmt“ bezeichnen. So etwas Ähnliches (die Frau als Verführerin) hatten wir vor ein paar Jahrzehnten auch in christlichen Kreisen.

Ursula Prasuhn
7 Jahre zuvor

@Georg (9. April 2016 um 21:41)
Sie schreiben: „Man kann sich also gut von den Überbringern und der Form abgrenzen, inhaltlich aber d´accord gehen. Vielleicht versuchen Sie`s mal?“
Ich denke, dass Ihre Belehrung auch für Sie nicht ganz unwichtig ist. Sie könnte z.B. anregen, sich in der Sekundärtugend “Selbstdisziplin” zu üben, die u.a. beinhaltet, dass man seine ärgerlichen, aggressiven oder auch eitlen Impulse im Griff hat.
Außerdem würde die Primärtugend “sozial” davon profitieren, weil es Querverbindungen zwischen den Tugenden gibt, die eine willkürliche Trennung in “primär” und “sekundär” sinnlos macht – es sei denn, man wollte aus einer politischen Theorie heraus die Schattenseiten bestimmter Tugenden hervorheben, um diese in den Köpfen der Menschen zurückzudrängen. Der Fleißige gilt dann als rücksichtsloser Streber, der Höfliche als altmodisch, der Ordnungsliebende als kleinkariert oder der Disziplinierte als Produkt von Drill.
Solche bewusst durchgeführten Werteveränderungen machen natürlich auch vor den Schulen nicht Halt. Im Gegenteil, gelten diese doch als Kinderstube der geplanten Gesellschaft von morgen.
Ältere Lehrer können ein Lied davon singen, wie sehr seit den späten 70er Jahren die sog. Sekundärtugenden wie Sauberkeit, Ordnung, Höflichkeit, Disziplin oder Fleiß gelitten haben, nicht zuletzt durch Anweisung von oben, es damit nicht mehr so genau zu nehmen, weil anderes – vor allem die soziale Kompetenz – wichtiger sei.
Ergebnis war ein schwächeres Sozialverhalten als früher und dazu noch eklatante Defizite in den sog. Sekundärtugenden. Nur Bayern und Baden-Württemberg waren noch relativ lange resistent gegen die Einflüsterungen angeblich besserer und modernerer Pädagogik. Die Schüler mögen es ihnen danken.
Ihre politische Sichtweise, Georg, bringt die Sekundärtugenden mit KZ-Wächtern und Massenmördern in Zusammenhang, meine hingegen mit Menschen, die sowohl Wissens- als auch Tugendbildung erfahren haben und erfolgreich durchs Leben gehen.

mehrnachdenken
7 Jahre zuvor
Antwortet  Ursula Prasuhn

@U. Prasuhn
Eine Ergänzung aus dem „Lehrerforum“ von Helene:

„Ja, diese Diskussion ist deshalb nützlich, weil sie mögliche Ursachen unserer Bildungsmisere reflektiert. Sie liegen offensichtlich nicht im strukturellen Bereich sondern im ideologischen. Letzteres erschließt sich einem, wenn man bedenkt, dass seit nunmehr 45 Jahren der Hauspädagoge der demokratischen Sozialisten (u. a. SPD) ,W. Klafki, mit seiner kritisch-konstruktiven Didaktik die ideologischen Grundlagen der BRD-Bildungspolitiken bestimmt. Nach seiner Auffassung ist Bildung, als Bildung für alle, ist in erster Linie eine politische Bildung und keine „Fachbildung“. Politisch-ideologische Bildung, flankiert von Dogmen wie Leistungsfreiheit, Erziehungsverbot für Lehrer, Wohlfühlunterricht etc., führt halt zu katastrophalen Bildungsleistungen.

Interessant sind die Ausführungen des „Bremer Entwurfs“ der SPD zum Thema Bildung (Jan. 2007). Die SPD fordert eine Verstärkung der politischen Bildung und zwar im Kontext der „demokratischen Schule“. Hier setzt die SPD offenbar verstärkt auf die pädagogischen Heilslehren von I. Illich, W. Klafki, H. v. Hentig und vielen anderen linksdrehenden Pädagogik-Päpsten, incl. der Konstruktivisten a la K. Reich, und bereitet systematisch die Umsetzung der Idee der „Entschulung der Gesellschaft“ vor.“

ysnp
7 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Dass Sie Wolfgang Klafki einen linksdrehenden Pädagogikpapst nennen, verwundert mich schon stark. W. Klafki war während meines Studiums der Didaktiker, mit dessen Konzept man sich stark auseinandersetze und dies war in der Praxis gut für die Unterrichtsanalyse und Planung anwendbar. Irgendwie stört es mich, dass er in Ihrem Beitrag in eine einseitige politische Ecke gedrängt wird, denn seine Vorschläge waren wirklich hilfreich und seine Hintergrundsgedanken nachdenkenswert.

mehrnachdenken
7 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Hallo! Ich stellte hier lediglich einen Beitrag von „Helene“ ins Forum. Meine Meinung dazu lasse ich offen.
Auch in meiner Ausbildung war Klafki DER Didaktiker. Wir akzeptierten ihn einfach, ohne groß nachzufragen.

Seine Auffassung von Bildung als „politische Bildung“ und weniger als „Fachbildung“ ist im Kontext der Diskussion über die Sekundärtugenden für mich nun wiederum interessant.

Birgit
7 Jahre zuvor
Antwortet  mehrnachdenken

Prima Ergänzung, mehrnachdenken! Die Foristin Helene kennt sich bestens aus in der jüngeren Geschichte der Pädagogik. Den unseligen Einfluss Wolfgang Klafkis beschreibt sie hervorragend.

mehrnachdenken
7 Jahre zuvor
Antwortet  Birgit

Danke! Das meine ich ebenfalls.

„ysnp“ hat schon Recht, wenn Sie schreibt, dass Klafkis Unterrichtskonzepte für die Planung und Analyse von Unterricht gut waren.
Über den „Ideologen“ Klafki dachten wir nicht nach. Evtl. wurde das von den Lehrenden aber auch so geschickt „verpackt“, dass uns nichts auffiel.

Übertragen auf die heutige Studenten – Generation könnte ich mir durchaus vorstellen, dass auch diese die Brisanz bestimmter Methoden oder Didaktikansätze nicht erkennt oder einfach nicht erkennen kann.
In meine Überlegung beziehe ich auch die Gender – Ideologie mit ein.