Überstunden, Pensionierungswelle – und Flüchtlinge: Berufsschullehrerverband Baden-Württemberg fordert 1500 zusätzliche Kollegen

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STUTTGART. Ein Berg von Überstunden, absehbare Pensionierungen – und nun noch Unterricht für junge Flüchtlinge: Die Berufsschulen in Baden-Württemberg sehen sich an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Schafft die neue Regierung Abhilfe?

Vor dem Hintergrund der grün-schwarzen Koalitionsverhandlungen fordert der Lehrerverband BLV die Einstellung von rund 1500 Lehrern an den Berufsschulen im Land. Allein 600 neue Stellen seien für die Ausweitung des Vorqualifizierungsjahres nötig, in dem junge Flüchtlinge vor allem Deutsch lernen, teilte der Vorsitzende des Berufsschullehrerverbandes, Herbert Huber, am Montag in Stuttgart mit. Es gebe für diese Integrationsklassen derzeit eine Warteliste von 4500 Schülern, weil die Berufsschulen weder genug Personal noch die nötigen Räume bereitstellen könnten.

Allein 700 Stellen würden wegen Pensionierungen von Lehrern, Beurlaubungen und Elternzeiten frei. Diese müssten wiederbesetzt werden – ausgeschrieben würden derzeit aber nur 450 Stellen. Für manche Fächer sei es schwierig, neue, geeignete Lehrer zu bekommen. Zudem schöben die Lehrer einen Berg von Überstunden vor sich her. Für ihren Abbau veranschlagt der Verband weitere 200 Stellen. Baden-Württemberg könne seinen Spitzenplatz bei Innovation und Wirtschaftskraft nur behaupten, wenn es auf hohem Niveau aus- und fortgebildete Arbeitskräfte gebe, erklärte Huber.

Der Berufsschullehrerverband kritisiert überdies die Arbeitsbedingungen der Pädagogen. Ein Ärgernis sei etwa die um acht Prozent verminderte Eingangsbesoldung für neue Lehrer in den ersten drei Dienstjahren. Das mache im Monat rund 325 Euro brutto aus. Und Referendare im Juli 2016 in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, um sie dann Mitte September 2016 wieder einzustellen, sei unsozial. Der Verband vertritt mehr als 10 000 Lehrer an beruflichen Schulen, in denen im laufenden Schuljahr rund 358.500 Schüler lernen.

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Huber verwies insbesondere auf die Probleme im Zusammenhang mit dem Vorqualifizierungsjahr (Integrationsklassen/VABO-Klassen). Für die Lehrer sei die Fluktuation in den Klassen eine große Herausforderung. Sie behindere Lernfortschritte, erschwere die Integration und stelle die Schulen vor große organisatorische Herausforderungen. Zudem müsse es für die jungen Erwachsenen dringend eine Perspektive für die Zeit nach dem Vorqualifizierungsjahr geben. Anschlussmöglichkeiten sähen zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung Praktika vor – doch es gebe schon jetzt nicht genügend Plätze.

Das derzeit noch SPD-geführte Kultusministerium entgegnete, die Schulen und die Schulverwaltung bemühten sich intensiv darum, neue VABO-Klassen einzurichten. Zum neuen Schuljahr soll ein weiterentwickeltes, konzentriertes Modell der VABO-Klassen eingeführt werden, um die Sprachförderung in separaten Klassen möglichst kompakt anzubieten und die jungen Menschen so schnell wie möglich in eine Regelklasse zu integrieren. Der Berufsschullehrerverband wittert dahinter aber die Absicht, mit weniger Ressourcen auszukommen.

Unterstützung für die Forderungen erhält der Berufsschullehrerverband von der Industrie- und Handelskammer. Der Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, Andreas Richter, sagte, die Wirtschaft sei bereit, Flüchtlinge zu beschäftigen und auszubilden. «Die Unternehmen stehen in den Startlöchern und können häufig nicht loslegen, weil die Flüchtlinge noch nicht über die nötigen Sprachkenntnisse verfügen.» dpa

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