Im Interview: Neue Humboldt-Uni-Präsidentin Kunst will für bessere Betreuung der Studenten sorgen

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BERLIN. Die neue Präsidentin der Humboldt-Universität Berlin, Sabine Kunst, will sich für die Belange der rund 33.000 Studenten einsetzen. Ihre Betreuung soll besser werden. Das scheint nötig: An der Uni sind einige Professoren für bis zu 115 Studenten zuständig. Über ihre Pläne sprach Kunst jetzt im Interview mit unserer Redaktion.

Durchaus erfahren im Universitätsmanagement: Brandenburgs Ex-Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD). Foto: Axel Hindemith / Wikimedia Commons /  Creative Commons by-sa-3.0 de
Durchaus erfahren im Universitätsmanagement: Brandenburgs Ex-Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD). Foto: Axel Hindemith / Wikimedia Commons / Creative Commons by-sa-3.0 de

Redaktion: Welche Themen wollen Sie angehen?

Kunst: Diese Frage kann ich in drei Monaten präzise beantworten. Einige Themen liegen allerdings spürbar auf dem Tisch, vor allem die gute Versorgung der etwa 33.000 Studierenden. In einigen besonders nachgefragten Fächern ist es ganz schön eng.

Redaktion: Welche Fächer sind das?

Kunst: Jura, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften sind besonders beliebt. Bei diesen Fächern liegt der Betreuungsschlüssel deutlich über dem HU-Schnitt von 69 Studierenden je Professor. Bei Jura ist ein Professor für 115 Studierende zuständig, in Psychologie ist das Verhältnis 1 zu 91 und in den Wirtschaftswissenschaften 1 zu 75 (Stand: 2015).

Redaktion: Wie wollen Sie eine bessere Betreuung erreichen?

Kunst: Das geht nicht nur über die Professuren. Wir müssen die Personalstruktur insgesamt anpassen. In der Lehre gibt es viele Häupter, die die Last tragen.

Redaktion: Mehr Stellen kosten auch mehr Geld. Woher wollen Sie das nehmen?

Kunst: Der Bund will über zehn Jahre eine Milliarde Euro für die Nachwuchsförderung in die Hochschulen geben, vor allem für Junior-Professuren. Man könnte hier schauen, ob man einen Teil dieser Stellen in Studiengängen ansiedelt, die beim Betreuungsverhältnis etwas hinterherhängen. Dazu müssten sich das Präsidium und die Gremien der Universität verständigen.

Redaktion: Könnte man auch bei wenig nachgefragten Studiengängen den Rotstift ansetzen?

Kunst: Es bewegt sich Einiges. Studiengänge sind ja nicht von Gott gemacht, sondern orientieren sich an der Nachfrage. Es zeigt sich momentan auch an der Humboldt-Universität, dass einige sehr spezialisierte Master-Studiengänge, etwa in der Klassischen Philologie, der Slawistik oder der Geschichtswissenschaft, nicht ausgelastet sind. Eine Möglichkeit ist, solche Studiengänge zusammenzulegen oder in breiter angelegte Studienangebote einzubetten. Hierzu laufen derzeit Diskussionen. Allerdings muss man auch strategische Argumente betrachten und schauen, ob es die Fächer noch an anderen Hochschulen gibt.

Redaktion: Berlin hat mehrere große Hochschulen. Viele Studiengänge gibt es mehrfach, etwa Jura oder BWL. Wäre es nicht finanziell günstiger, Angebote an einzelnen Unis zu konzentrieren?

Kunst: Das ist eine Frage von Kosten und Leistungsfähigkeit. Die Nachfrage nach diesen Fächern ist gigantisch, gleichzeitig sind es relativ preiswerte Studiengänge. Deshalb überleben sie überall.

Redaktion: Es heißt, die HU bekommt vom Senat weniger Geld als andere Berliner Hochschulen. Wie groß ist der Unterschied?

Kunst: Ich kann derzeit nur sagen, dass die HU bei vergleichbarer Größe mit der Freien Universität weniger Cashflow bekommt. Woran das liegt, kann ich noch nicht sagen. Aber da werde ich rangehen. Gegenüber dem Senat wollen wir während der demnächst anstehenden Hochschulvertragsverhandlungen die besonderen Bedarfe der Humboldt-Universität verdeutlichen. Es geht nicht darum, anderen Hochschulen etwas wegzunehmen.

Redaktion: Seit dem vergangenen Jahr darf auch der Bund bei der Hochschulfinanzierung einsteigen. Welche Rolle sollte er spielen?

Kunst: Aus meiner Sicht müsste der Bund stärker in die Grundfinanzierung der Hochschullehre eintreten – beispielsweise nach Auslaufen des Hochschulpaktes im Jahr 2019.

Redaktion: Wie stellen Sie sich die Zusammenarbeit mit anderen Berliner Hochschulen vor?

Kunst: Ich sehe eine Chance darin, die vielfältigen Verflechtungen noch stärker sichtbar zu machen. Man müsste aus meiner Sicht Themen herausdestillieren, die für den Standort und die Wissenschaftsregion Berlin-Brandenburg wichtig sind, beispielsweise die Rekrutierung von neuen, internationalen Lehrenden. Da gemeinsame Sache zu machen, wäre klug.

Redaktion: Warum sollten die Hochschulen gemeinsam um Wissenschaftler werben?

Kunst: Um gegen die Konkurrenz in Süddeutschland zu bestehen. Der Süden zahlt einfach viel besser. Berlin lebt nicht davon, dass es so gut zahlt, sondern, dass es hier viele tolle Leute gibt und die Stadt so viele soft facts bietet. Die besondere Lebenswelt Wissenschaft in Berlin müsste man noch stärker gemeinsam verkaufen. Interview: Anja Sokolow, dpa

Zur Person
Die 61-jährige Sabine Kunst hatte bereits verschiedene Spitzenpositionen in Wissenschaft und Politik inne. Sie war Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), Präsidentin der Universität Potsdam und zuletzt Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg. Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin hat Biologie, Politologie und Wasserwirtschaft studiert und in Ingenieurwesen und Politologie promoviert. Kunst ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und lebt in Werder (Havel).
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