Präsident des Deutschen Hochschulverbands beklagt: Viele Abiturienten sind nicht studierfähig – trotz sehr guter Noten

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BERLIN. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Bernhard Kempen, hat die Notenvergabe an den Universitäten als viel zu lasch kritisiert. «In ganz vielen Fächern haben die Kollegen die Neigung, nur noch Bestnoten zu vergeben. Das ist eine fatale Entwicklung», sagte er der Zeitung «Die Welt». Kempen appellierte, das Bewertungsspektrum besser abzudecken. «Noten müssen ihre Aussagekraft behalten.»

Kempen bedauerte, in einigen Fächern kämen viele Abiturienten an, die trotz sehr guter Noten nicht studierfähig seien. «Oft müssen die Universitäten den Unterricht der Oberstufe nachholen. Das ist bestürzend. Hier wäre eine stärkere Koordination zwischen Schule und Universität wünschenswert.»

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Die Berufsvertretung der Universitätsprofessoren und des wissenschaftlichen Nachwuchses verlangt von der Politik, für bessere Studienbedingungen zu sorgen. Kempen: «Während die Zahl der Studenten explodiert ist, ist die der Professoren gleich geblieben. Heute betreut ein Professor im Schnitt 66 Studenten. Vor zehn Jahren waren es noch 60, und schon das war ein schlechter Wert.» Um die Betreuungsrelation nachhaltig zu verbessern, brauche es 7500 zusätzliche Stellen. dpa

Zum Bericht: Und immer ist die Schule schuld: Das Märchen vom sinkenden Bildungsniveau in Deutschland

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xxx
7 Jahre zuvor

Möchte Herr Kempen die mangelnde Studierfähigkeit der Abiturenten bemängeln, durch eine bessere Ausschöpfung des Notenspektrums die Studentenzahlen reduzieren oder in erster Linie mehr Professorenstellen fordern? Ich persönlich tendiere zu letzterem.

Übrigens ist das Schulsystem in Deutschland (laut Politiker) so gut, _weil_ der Abiturentenanteil so stark erhöht wurde. Dass man das hauptsächlich durch Reduzieren des Schwierigkeitsgrades und der Menge an Lernstoff erreicht hat, spielt dabei (für die Politiker) keine Rolle.

Palim
7 Jahre zuvor

Wie sieht denn eigentlich die SchülerInnen-LehrerInnen-Relation in den verschiedenen Schulstufen aus?

„Hier wäre eine stärkere Koordination zwischen Schule und Universität wünschenswert.“
Dann könnten die Profs ja mal 1 Jahr lang in der Oberstufe den Stoff vermitteln, den sie sonst im 1. Semester noch einmal erklären müssen.

Wenn angeblich die Ergebnisse aus den Schulen zu schwach sind, müssten dann doch nicht die ProfessorInnenstellen, sondern die Lehrkräfte-Stellen erhöht werden, oder?

Pälzer
7 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Es geht wohl nicht um Stellen, sondern um Inhalte und Ansprüche.

GriasDi
7 Jahre zuvor

Wenn jeder das Abi haben muss (politisch so gewollt) dann ist das Abitur auch kein Nachweis der Studierfähigkeit mehr. Kann es gar nicht mehr sein. Die Forderungen ans Abitur gehen ja vielmehr immer mehr in die Richtun „Fit für eine Ausbildung machen“. Also wird es eher noch schlimmer werden.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

… und gerade das entspricht der Mittleren Reife und widerspricht dem Abitur im ursprünglichen Sinne.

PeterPan314
7 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Erstaunlicherweise lautet die huetige „Überschrift“ des Abitur-Zeugnisses tatsächlich ABITUR.
Früher stand da mal was drauf wie „Fachhochschulreife“ oder so – naja, damals war man ja auch noch zum Studium befähigt.

PeterPan314
7 Jahre zuvor

Es ist schon komisch, dass man seit geraumer Zeit in regelmäßigen Abständen Aussagen von Menschen hört, die mit der Qualität der Kinder mit Abitur unzufrieden sind. Das betrifft sowohl die Menschen an den Universitäten, die sich auf die Studierfähigkeit ebenjener Kinder verlassen, als auch auf die, die ausbilden und große Erwartungen an diese Kinder stellen. Hier wird aber immer öfter bemängelt, dass es mit diesem hohen Bildungsniveau, das das Abitur früher vertreten hat, heute nicht mehr in Verbindung zu setzen ist.
Vielmehr hat XXX bereits darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren die Zahl der „Abis“, besonders der sehr guten, stark gestiegen („worden“) ist. Diese Entwicklung verlief ohne Einsatz von zusätzlichen finanziellen oder personellen Mitteln. Vielmehr wurde einfach die Quote gesteigert.
Wer jüngsten Entwicklungen glauben schenkt, der hat von folgenden Fällen bereits Kenntnis genommen:
– Studenten drohen Professoren bereits mit dem Anwalt, wenn ihre Note eine „3“ ist. Der Trend zur Noteninflation geht also von den Schulen, die alles für die Kinder tun MÜSSEN, damit sie das Abitur erreichen, auf die Universitäten über, die jetzt ebenfalls Dienstleister dieser Art werden, weil die Kinder das selbstständige Arbeiten nicht beherrschen und keine Toleranz für das Überwinden von Schwierigkeiten entwickelt haben.
– Die Durchfallquote bei universitären Klausuren wird regelmäßig medial breit getreten, wenn sie „zu hoch“ ist, ohne auf die Gründe zu schauen. Letztens wurde doch schon wieder über eine Mathematikklausur mit einer Durchfallquote von über 90% geschimpft. Hierbei wurde weder beachtet, dass viele Studenten dieser Klausur beiwohnten, weil es sich um einen Freiversuch handelte, noch dass ein großer Teil der behandelten Inhalte den Oberstufenstoff der Schule abdeckte. Besonders das letztere zeigt doch, dass das Lernen in der heutigen Zeit nichts mehr mit Inhalten zu tun hat, weil die Inhalte für einen perfiden Kompetenzbegriff geopfert werden, um jedem eine gute Note geben zu können. Als Beispiel sei genannt, dass Kindern an Grundschulen im Fach Deutsch trotz mangelnder Fähigkeiten im Lesen und Schreiben bescheinigt werden kann, dass sie „gut zuhören“.
Jab, soweit ist es schon:
Wenn die Aufgaben zu schwer sind, senken wir das Niveau.
Wenn das nicht reicht, führen für „Kompetenzen“ ein, die jeder erfüllen kann.
So wird niemand aufgrund mangelnder Leistung zurückgesetzt und alle erreichen das Abitur.

mehrnachdenken
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Viel Richtiges! Was schlagen Sie vor, um diese Entwicklung zu stoppen oder wird es immer so weiter gehen?

dixo
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Zutreffender und guter Kommentar. Danke PeterPan314!
Mir ist nur nicht klar, was die Bildungspolitik mit dieser Bergab-Entwicklung verfolgt. Sie macht keinen Sinn. Keiner Gesellschaft und keinem Staat nützt die schlechte Bildung ihres Nachwuchses. Warum also?

PeterPan314
7 Jahre zuvor
Antwortet  dixo

Nun, es ist die Frage, in welche Richtung sich die Gesellschaft bewegen wird.
Fadenscheinig wird auf eine immer bessere Bildung aller hingewiesen und die daraus resultierende Akademisierung unserer Gesellschaft, die laut einer internationalen Meinung unsere bestmögliche Entwicklung in eine positive Zukunft darstellt.
Man wird mit einer immer geringeren Anzahl an Arbeitlosen geblendet und einem angeblich immer besseren Lebensstandard aller.
Liest man sich aber mal die Ziele der Verantwortlichen durch, so scheint das Ziel einfach der Erhalt Deutschlands auf wirtschaftlicher Ebene zu sein, was an einigen Stellen nachvollziehbar ist, um das Wohl der Bevölkerung beizubehalten, aber gleichzeitig an anderen Stellen dafür Einschnitte bei diesem Wohl macht.
Nehmen wir das Parteiprogramm der etablierten Parteien, dann sieht man darin, dass die Arbeitsverhältnisse im Niedriglohnsektor immer weiter gefördert werden sollen – dazu zählen Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge. So ist es doch nicht verwunderlich, dass Deutschland seit der Wende vom Land mit den höchsten Durchschnittslöhnen Europas zu einem Land mit den niedrigsten geworden ist.
Immer mehr Menschen haben eine Arbeitsstelle, aber immer mehr nähern sich dabei der Armutsgrenze. Ich möchte hier nicht davon schwadronieren, dass die Arbeitslosenstatistik in dem Sinne eine reine Farce ist, weil sie so viele Gruppen nicht berücksichtigt, vielmehr ist die Zahl derer stetig gestiegen, die um den HartzIV-Satz verdienen. Offiziell ist ja auch jemand, der auf den HartzIV-Satz staatlich gefördert aufstockt, nicht arbeitslos.
Man hört doch im regelmäßigen Abständen von der ungleichen Verteilung des Vermögens. Dass da die Wirtschaftsweisen einem eine Statistik präsentieren, die besagt, dass die Gehälter der Menschen normalverteilt sind, also im Mittel alle normal verdienen, wenige weniger und wenige mehr, ist deshalb schon wieder lachhaft, weil diese Statistik die realen Dinge verschweigt. Sie vernachlässigt die Einkommen, also das „Gehalt“ der Menschen, die dafür nicht arbeiten (, z.B. Zinsen). Sie geht aber auch von einem „normalen“, also durchschnittlichen Einkommen von 1000€ Netto pro Person aus und teilt die Menschen darunter in Gruppen unter, bei, knapp über und ein bischen mehr über HartzVI-Niveau.
Im Endeffekt wird unsere Gesellschaft sich insoweit ändern müssen, als dass sie den Titel des Exportweltmeisters dadurch verteidigt, dass Deutschland zum größten Teil Beschäftigung im Niedriglohnsektor anbietet, um die Exporte dadurch zu „subventionieren“.
Das gelingt natürlich nur, wenn die Menschen ihre beruflichen Chancen „realistisch“ einschätzen. Niemand möchte einen Beruf, den man mit einem Hauptschulabschluss bewältigen kann. Da ist die Perspektivlosigkeit doch vorprogrammiert.
Wenn aber alle einen Volksschulabschluss machen, also das neue Abitur, dann hat man bei der ganzen Konkurrenz doch nur dann eine Chance, wenn man alle beruflichen Möglichkeiten, die einem geboten werden, ausnutzt. Dazu zählen dann auch unlukrative Stellen. Um aber allen diesen Abschluss, der einem alle Tore öffnet, doch im Endeffekt damit wertlos wird, zu ermöglichen, muss man ihn für die Masse aufgrund von einfacheren Bedingungen erreichbar machen.
Die Entwicklung der letzten Jahre,
die Eltern und Kindern mehr Rechte in der Schule hat zukommen lassen als den Lehrkräften,
die das Leistungs- und Selektionsprinzip ausgehebelt hat, indem nicht mehr die Leistung eines Kindes über seine Zukunft entscheidet, sondern sein Potential, über das jedes Kind selbstredend und grenzenlos verfügt und
die dazu geführt hat, dass man als Lehrkraft Gefahr läuft negative Konsequenzen fürchten zu müssen, weil ein Kind keine Leistung bringt und man somit dem Auftrag der Förderung nicht nachgekommen ist,
führt nun zwangsläufig zu Menschen, die ein Studium beginnen und aufgrund mangelnder Selbstständigkeit und fehlender Arbeitseinstellung daran scheitern, wenn das Niveau nicht auch an Hochschulen angepasst wird.
So „züchtet“ man sich Menschen, die denjenigen folgen, die einem einfache Dinge versprechen wie einem einfachen und in der regel schlecht bezahlten Job – den Politikern und Wirtschaftsweisen.

dixo
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Danke, PeterPan314! Über die Antwort muss ich noch ein wenig nachdenken. Auf den ersten Blick leuchten mir Ihre Ausführungen ein.

Marlo
7 Jahre zuvor

Das Abi taugt seit Jahren nicht mehr als Nachweis für Studierfähigkeit. Es ist nur noch eine reine ‚Zugangsberechtigung‘ , aber kein Zeichen von ‚Hochschulreife‘ im eigentlichen Sinne. Es ist mittlerweile zum Standard-Abschluss geworden, den alle machen. Viel gefordert wird ja nicht mehr. Somit fällt aber auch die Aussagekraft. Ich bin darum dafür,dass für jeden Studiengang ein Eignungstest eingeführt wird, um die tatsächliche Eignung und Fähigkeit beurteilen zu können. Allerding müsste man dann auch kein Abi mehr machen, um zu studieren. Wer den Test besteht, kann von mir aus auch mit Mittlerer Reife studieren, denn das Wissen dafür, muss man sich ja nicht zwingend in der Schule aneignen, sondern kann es sich selbst aus Büchern und via Internet beibringen. Also: Test bestanden = du darfst studieren. Test nicht bestanden = du darfst nicht studieren 🙂