Marode Schulen werden Wahlkampfthema in Berlin. Rot-Schwarz streitet – CDU: Offenbarungseid der SPD

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BERLIN. Seit Amtsantritt der rot-schwarzen Regierung Ende 2011 wird in Berlin über kaputte Schulgebäude und stinkende Schultoiletten geklagt. In fünf Jahren sei zu wenig passiert, sagen alle. Bezirke und Senat schieben sich jetzt gegenseitig die Schuld zu. Und die Koalition streitet.

Der Sanierungsstau in Berlin beträgt fünf Milliarden Euro. Foto: onnola / flickr  (CC BY-SA 2.0)
Der Sanierungsstau in Berlin beträgt fünf Milliarden Euro. Foto: onnola / flickr (CC BY-SA 2.0)

Nur ein Beispiel – von vielen: Aufgrund eines durchgerosteten Heizungsrohr konnten im vergangenen Winter Räume im Altbauteil eines Gymnasiums im Stadtteil Lankwitz nicht beheizt werden. „Es ist zu kalt dort, um Schüler sechs Stunden lang zu unterrichten“, berichtete die Schulleiterin dem „Tagesspiegel“. Die Folge: Die Schüler der Klassen acht bis zehn bekamen tagelang von ihren Lehrern Aufgaben per E-Mail und blieben zu Hause, die siebten Klassen hatten abwechselnd tageweise frei. Das Gebäude der Schule ist laut Bericht seit langem sanierungsbedürftig: Vor drei Jahren löste sich ein kiloschweres Stück Stuck vom Dach und stürzte auf den Schulhof, heißt es.

Die dringend notwendige Sanierung Hunderter maroder Schulen in Berlin wird jetzt zum Wahlkampfthema. Die Berliner CDU kündigte am Mittwoch an, das jetzt zu einem Schwerpunkt ihrer Kampagne zur Wahl am 18. September  zu machen. Das Ergebnis des kürzlich beendeten Schulgebäude-Scans zur Erfassung des Sanierungsbedarfs sei «ein Offenbarungseid der seit 20 Jahren von der SPD geführten Schulverwaltungen», sagte CDU-Generalsekretär Kai Wegner.

Dabei gingen die gegenseitigen Schuldzuweisungen für den seit Jahren aufgelaufenen Sanierungsstau zwischen Senat und Bezirken weiter. Berlinweit müssten rund fünf Milliarden Euro in Sanierung, Erweiterung und Neubau von Schulen gesteckt werden, rechneten fünf CDU-Bildungsstadträte vor. Sie beklagten, das Land habe in den vergangenen 15 Jahren die Bezirke kaputtgespart und sei für den enormen Sanierungsstau verantwortlich.

Im Gegenzug verwies die Bildungsverwaltung darauf, dass einige Bezirke die ihnen für die Schulsanierung zugewiesenen Gelder – auch aus Sonderprogrammen – nicht zweckgebunden ausgegeben, sondern in sonstigen Bauunterhalt oder die Haushaltssanierung gesteckt hätten. Fakt ist allerdings: Es gibt zu wenig Geld. Die rund 200 Berliner Schulen müssen sich knapp 60 Millionen Euro eines jährlich aufgelegten Sanierungsprogramms teilen. Zusätzlich gibt es zwölf Millionen Euro, die ausschließlich für Schultoiletten gedacht sind.

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Bildungsstadträtin Cerstin Richter-Kotowski bezifferte dagegen den Sanierungsbedarf allein in Steglitz-Zehlendorf auf 457 Millionen Euro, ihre Kollegin Jutta Kaddatz für Tempelhof-Schöneberg auf knapp 500 Millionen Euro.

Die  CDU-Bildungsstadträte lehnten die kürzlich von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gegründete Taskforce Schulbau aus Vertretern der drei Senatsressorts Bildung, Finanzen und Stadtentwicklung sowie zwei SPD-Bezirks-Stadträten als «hektischen Aktionismus» ab. «Wir brauchen keinen weiteren Zentralismus, sondern mehr Vertrauen in die Verantwortung der Bezirke», betonte Kaddatz. Schnellschüsse wie den von Scheeres gerade vorgelegten «Handlungsrahmen Berliner Schulbau 2026» hülfen nicht weiter. Zum Beispiel seien die darin angeregten zusätzlichen 150 Stellen in den bezirklichen Bau- und Schulämtern gar nicht finanziert.

Besser wäre aus ihrer Sicht eine Stärkung der Bezirke: So müssten die Mittel anders als in den Sonderprogrammen ins nächste Jahr übertragen werden können, um so den Bürokratieaufwand zu senken. Zudem schlugen sie ein bezirkliches, ressortübergreifendes Schulbauamt vor, das vor allem die überlangen Planungszeiten für einen Schulbau von fünf bis sechs Jahren verringern müsse. Die Bezirke bräuchten mehr Geld und mehr Personal, das überdies besser bezahlt werden müsse. dpa

Zum Bericht: Berlin senkt seine Durchfallerquote: Zentrale Abschlussprüfung auf dem Niveau “maximal siebte Klasse”

Gastkommentar

Die „Berliner Morgenpost“ kommentiert:

„Fünf Milliarden Euro – in dieser Größenordnung liegt der Sanierungsbedarf an den Berliner Schulen. Das ist eine gewaltige Summe und übersteigt alle bislang angestellten Berechnungen. In zehn Jahren, so lautet das Versprechen des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, sollen alle Schulen saniert sein. Das ist ein ehrgeiziges Versprechen – und wird kaum einzuhalten sein. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Mühlen zwischen Senat und Bezirken nicht nur langsam, sondern auch quietschend mahlen. Das gilt nicht nur für die Schulsanierung, sondern bei fast allen Aufgaben, bei denen der Senat plant und die Bezirke umsetzen sollen. Die letzte Verwaltungsreform liegt mehr als zehn Jahre zurück. Der kommende Senat wird sich vor dieser Riesenaufgabe nicht wegducken können.“

 

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