Meidinger: Ohne Verbeamtung von Lehrern werden Sachsen, Thüringen und Berlin abgehängt

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BERLIN. Nicht nur einen massiven Lehrermangel, sondern auch einen mittelfristig eintretenden Qualitätsverlust an den Schulen in Sachsen, Thüringen und Berlin sagt der Vorsitzende des Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger, voraus, falls diese Bundesländer nicht umgehend von ihrer Praxis abgehen, Lehrkräften keinen Beamtenstatus zu erteilen.

Setzt sich für die Verbeamtung von Lehrern ein: Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands. Foto: Deutscher Philologenverband
Setzt sich für die Verbeamtung von Lehrern ein: Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands. Foto: Deutscher Philologenverband

Nach offiziellen Berechnungen sowie Schätzungen des Philologenverbandes fehlen allein in Berlin bis zu 2000 Lehrkräfte an den Schulen, davon fast 1000 Lehrkräfte an Grundschulen. In Thüringen beziffert die Landeselternvertretung den Lehrermangel auf 1500 Lehrer, die jetzt geplanten Neueinstellungen für den Herbst in Höhe von 500 reichten nicht einmal, um die ausscheidenden Lehrkräfte zu ersetzen. In Sachsen würden, so der Verbandschef, fast 2000 Lehrkräfte im Sommer gebraucht, während aber nur 900 sächsische Referendare ihren Vorbereitungsdienst abschließen und für Einstellungen zur Verfügung stehen.

In allen drei Bundesländern bestünde, so der Philologen-Chef, wegen einer dramatischen Überalterung der Lehrerkollegien in den nächsten fünf Jahren ein deutlich erhöhter Lehrereinstellungsbedarf. Meidinger prophezeite diesen drei Bundesländern, dass sie mit den Arbeitsbedingungen und den Angestelltenverträgen, die sie Junglehrern aktuell anböten, kaum Chancen hätten, Lehramtsbewerber aus anderen Bundesländern zu einem Wechsel zu bewegen.

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Meidinger betonte: „Berlin, Sachsen und Thüringen drohen zu Verlierern bei der Besetzung von Lehrerstellen in der Bundesrepublik Deutschland zu werden, falls sie nicht ihre Einstellungspraxis ändern und Lehrkräfte verbeamten. Zudem müssten in diesen Ländern auch deutlich mehr Lehrer eingestellt werden als derzeit geplant, um die Bildungsqualität zu erhalten bzw. zu verbessern!“

Er verwies darauf, dass die Verbeamtung von Lehrkräften nach verschiedenen Gutachten diesen Ländern auch langfristig nicht teurer kommen würde als die Beschäftigung im Angestelltenstatus. Es gebe aber neben der Wettbewerbssituation und finanziellen Erwägungen auch handfeste inhaltliche Gründe für die Verbeamtung von Lehrkräften: „Aufgrund der im Grundgesetz verankerten Aufsicht des Staates über das Schulwesen, der Bedeutung schulischer Abschlüsse für das Fortkommen von jungen Menschen und der Notwendigkeit, Bildung und Schule von Arbeitskämpfen freizuhalten und für Verlässlichkeit zu sorgen, ist der Beamtenstatus für Lehrkräfte auch inhaltlich notwendig und richtig. Nicht zuletzt sichert der Beamtenstatus Lehrkräften die notwendige Unabhängigkeit von Pressionen sowohl des Dienstherrn als auch von Elternseite!“, betonte der Verbandsvorsitzende. N4t

Zum Bericht: Diskriminierung? Lehrerverband geht juristisch gegen Verbeamtungsgrenze in NRW vor

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14 Kommentare
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xxx
7 Jahre zuvor

Das mit dem Qualitätsverlust kann ich nicht nachvollziehen. An Stelle der Verbeamtung könnten die drei Bundesländer auch das Brutto ihrer angestellten Lehrer so weit anheben, dass netto dasselbe herauskommt wie bei den verbeamteten Kollegen anderer Bundesländer (sprich mindestens 30%).

PeterPan314
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Lieber xxx,

auch auf die Gefahr hin, dass es wieder zu den altbekannten Grabenkämpfen kommt, muss ich Ihrem Kommentar widersprechen. Sollte ich falsch liegen, bitte ich mich zu korrigieren.

Die Idee einfach allen angestellten Kolleginnen und Kollegen mehr Geld zu bezahlen, scheint einfach, aber die Konsequenzen, die daraus erwachsen, sind aus zwei Gründen ungerecht:
1. Vom Netto der Beamten muss noch die private Krankenversicherung bezahlt werden, wobei das noch nicht alles sein muss, da beispielsweise Partner und Kinder nicht automatisch mitversichert sind, sondern gesonderte Beiträge zu zahlen haben.
2. Beamte dürfen nicht streiken, was dazu führt, dass sie beim Arbeitskampf in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind. Angestellte sind das nicht, was dazu führen könnte, dass langfristig die Angestellten größere Erhöhungen erhalten.

Bernhard Vogel hat mal zu Angestellten und Beamten gesagt: „Die einen (Angestellten) kosten erst mehr und später weniger, die anderen (Beamte) erst weniger und später mehr.“
Sollte man jetzt also die während ihrer Arbeitszeit teuren Angestellten noch teurer machen und dafür Sorgen, dass sie währenid ihrer Rentenzeit genauso teuer sind wie Beamte?

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Ihren ersten Punkt kann man dahingehend entkräften, dass das Angestellten-Netto _vor_ Abzug der Hälfte der Krankenversicherung an das Netto der Beamten angeglichen wird.

In der Vergangenheit wurden alle Tarifänderungen der Angestellten mehr oder weniger 1:1 auf die Beamten übertragen.

Ihr dritter Punkt ist Hohn für alle Angestellten, weil die nur das 20% geringere Netto interessiert, den Arbeitgebern hingegen nur das bei Beamten und Angestellten ungefähr übereinstimmende Brutto.

PeterPan314
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Zu Ihren Ausführungen:
1. Dann sollte man also Netto mehr für die Beamten vorhanden sein, damit es nach Abzug der Krankenversicherung gleich ist. Was ist dann mit dem Streikrecht? Sollte das dann auch für Beamte gelten?
2. Was heißt denn „mehr oder weniger“? Die Lücke zwischen Beamten und Angestellten nimmt aus zwei Gründen ab.
a) Die Beamten erhalten die Abschlüsse zeitlich versetzt und entweder entweder genau so viel oder weniger als die Angestellten.
b) Von den Prozenten muss man stets 0,2% für die Pensionskasse abziehen – das wird medial nur selten und dann am Rande erwähnt.
3. Was ist an meinem dritten Punkt Hohn? Natürlich möchten Angestellte mehr Netto vom Brutto, während der Arbeitgeber Geld sparen möchte, was er auch tut: Während der aktiven Zeit sind Beamte deutlich billiger als Angestellte, weil zum Beispiel Arbeitgeberanteile wegfallen.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Ich fass‘ es nicht.

Bei jeder prozentualen Erhöhung, die 1:1 auf die verbeamteten Lehrkräfte übertragen wird, vergrößert sich die Netto-Schere. Tarifbeschäfzigte – Angestellte kennt der ÖD nicht – müssen nämlich ihre Sozialabgaben auf der Grundlage von Brutto abführen. Bei keinem Beamten steigt aber der Beitragssatz für die private Krankenzusatzversicherung.

Hinzu kommt dass die tarifbeschäftigten Lehrer – anders als im sonstigen ÖD – die gleiche Wochenstundenverpflichtung haben.
Beamte arbeiten im Regelfall 41 Stunden je Woche, Tarifbeschäftigte 38,5 Std./Woche. – das sind 6,1% weniger als die beamten. Ausgend von 25,5 WS für verbeamtete Lehrkräfte, müssten die Tarifbeschäftigten also nur rd. 24 WS unterrichten. Im sonstigen ÖD wird jede Überstunde vergütet bzw. durch Freizeitausgleich abgegolten, im Bereich Schule müssen Tarifbeschäftigte genauso wie die Beamten 3 unentgeltliche Überstunden je Monat ableisten, da erst ab der 4. Stunde die Mehrarbeit vergütet wird. Die MAV für Tarifbeschäftigte, die ja sozialabgabenpflichtig ist, ist folglich ein Witz.

Küstenfuchs
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

dickebank, das ist nur zum Teil richtig. Mittlerweile haben Angestellte und Landesbeamte in den Bundesländern die gleiche Arbeitszeit.

Auch bei der Mehrarbeit muss man differenzieren: Für Beamte gilt, dass alle Stunden Mehrarbeit vergütet werden, sobald mehr als drei Stunden im Monat anfallen. (Für 2 Stunden Mehrarbeit gibt es nichts, für 5 Stunden Mehrarbeit aber für 5 Stunden Geld bzw Ausgleich)

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Die gleiche arbeitsvertraglich geregelte Arbeitszeit haben die Angestellten und Beamten in NRW nicht. Ebenso können die sonstigen Regierungsbeschäftigten für jede geleistete Überstunde Freizeitausgleich beantragen.

Die Vergütung von Mehrarbeit und Beamten an Schulen ist identisch; ab der dritten innerhalb eines Monats geleisteten Stunde Mehrarbeit darf abgerechnet werden.

Blöd nur, dass Tarifbeschäftigte – im Gegensatz zu den Beamten – auf die Mehrarbeitsvergütung noch Sozialabgaben entrichten müssen. Das macht die Mehrarbeit nicht attraktiver.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

die sozialabgaben sind ja gerade der springende punkt, weil angestellte und beamte brutto fast dasselbe verdienen. und deswegen habe ich geschrieben, dass. die bruttogehälter der angestellten so weitangehoben werde müssen, dass nach abzug der sozialabgaben und steuern netto das beamtennetto heraus kommt.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Ich befürchte, es kommt eher zu einer Absenkung der beamtenbesoldung durch Eingruppierung in niedrigere Besoldungsstufen.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Das ändert das Problem mit den unterschiedlichen nettos noch immer nicht, weil die gleichzeitig eingestellten Tarifkollegen in eine vergleichbare niedrigere Besoldungsstufe eingruppiert werden …

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Paralleltabelle – entweder Höhergruppierung der Tarifbeschäftigten oder Absenkung der Eingangsbesoldung. Wird irgendwann kommen, nur werden die Altfälle außen vor gelassen.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Mal schauen, wie viele oder wenige noch Lehrer werden wollen bei der Absenkung der Eingangsbesoldung auf (nach heutigem Standard) etwa 2500€ netto im Monat vor PKV. Je nach Fach ist in der freien Wirtschaft auch mindestens das doppelte möglich bei anfangs ähnlichen bis geringeren Arbeitszeiten und höherem Ansehen in der Gesellschaft.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  PeterPan314

Die Situation haben wir doch jetzt schon. Sehen Sie sich doch die relation von Lehrbefähigungen GHR und GY/BK in NRW an, es gibt doch – gerade in Mangelfächern – so gut wie keine Kandidaten für die Sekundarstufe I.

SekI bedeutet maximal A12/E12, Ganztag und schwieriges Schüler- und Elternklientel – also hohe Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit kommunalen und staatlichen Dienststellen. Die Bereitschaft, dieses zu leisten, sinkt derzeit überproportional. Hinzukommt dass für die Mehrheit der Bevölkerung das Lehramt GHR verbunden ist mit dem Status „Hauptschullehrer“, da viele nicht wissen, dass HS- und RS-Lehrkräfte zumindest in NRW die gleiche Ausbildung und die gleichen Prüfungen haben und somit an beiden Schulformen eingesetzt werden können.

MMeier
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

„Das mit dem Qualitätsverlust kann ich nicht nachvollziehen. An Stelle der Verbeamtung könnten die drei Bundesländer auch das Brutto ihrer angestellten Lehrer so weit anheben, dass netto dasselbe herauskommt wie bei den verbeamteten Kollegen anderer Bundesländer (sprich mindestens 30%).“

Weshalb sollten sie das machen?

Junglehrer wissen, dass Verbeamtung immer die optimale Wahl der Dinge ist, also werden sie immer in die Bundesländer gehen, wo verbeamtet wird. Es geht also nur darum die Unterschrift unter dem Vertrag zu bekommen und lockt dafür mit der Verbeamtung.

Lohnzuschläge auf Angestelltenverhältnisse nutzen aber nur den bereits angestellten Lehrern. Das Land interessieren aber diese Leute nicht, denn egal ob Angestellter oder Beamter, wer beim Land unterschrieben hat ist Leibeigener. Warum sollte also das Land für die Angestellten erhöhen? Die kommen doch eh nicht weg.

Ich frage mich sowieso, wie eine, meiner Meinung nach, grundgesetzwidrige Regelung wie die Freigabeerklärung der Länder überhaupt so wenig thematisiert wird. Bei einem Beamten könnte ich die Regelung vielleicht noch verstehen, aber wenn das Land seine Lehrer nicht verbeamten will, dann sollten die auch genauso die Möglichkeit haben den Arbeitgeber zu wechseln, so wie es das Grundgesetz vorsieht.

Ich fasse also nochmal zusammen:
Verbeamtung -> soll neue Lehrer anlocken
keine Erhöhung der Angestelltengehälter -> Dank Leibeigenschaft nicht nötig