17-Punkte-Plan gegen den Lehrermangel: Wie Heiligenstadt mehr Personal für die Schulen gewinnen will

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HANNOVER. Quereinsteiger, Referendare, arbeitswillige Pensionäre: Niedersachsen sucht dringend Pädagogen, um die Lücke bei der Lehrerversorgung zu schließen. Ein 17-Punkte-Aktionsplan, den Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) vorstellte, soll mehr Personal in den Schuldienst bringen.

Sucht händeringend Lehrkräfte:  Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt. Foto: Martin Rulsch / Wikimedia Commons  CC-by-sa 3.0/de
Sucht händeringend Lehrkräfte: Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt. Foto: Martin Rulsch / Wikimedia Commons CC-by-sa 3.0/de

«Zum neuen Schuljahr sind 2700 Stellen an den öffentlichen Schulen ausgeschrieben. Bislang haben wir davon 2040 Stellen besetzt», sagte Heiligenstadt. Der Markt sei leergefegt. Ursache des Lehrermangels seien der Flüchtlingszuzug und die Ausweitung der inklusiven Schule. Seit März 2015 seien allein 36.000 Schüler mit Sprachförderbedarf hinzugekommen: «Diese Herausforderung bleibt historisch.»

Der Aktionsplan sieht unter anderem vor, Einstellungen im Rahmen des Quereinstiegs künftig auch an Grundschulen zu ermöglichen, um dem hohen Lehrkräftebedarf an dieser Schulform kurzfristig zu begegnen. Auch wird der Quereinstieg in den Vorbereitungsdienst erleichtert: Bisher konnten sich Bewerberinnen und Bewerber ohne Lehramtsstudium um die Zulassung zum Vorbereitungsdienst bewerben, sofern ihr Studienabschluss zwei Fächern – davon mindestens einem Bedarfsfach – zugeordnet werden kann. Diese Bedarfsfachregelung entfällt zukünftig, dadurch weitet sich der Personenkreis potenzieller Lehrkräfte aus. Weiterer Teil des Aktionsplans: Ganztagsschulen können mehr Lehrerstunden als bisher für den Ganztag kapitalisieren und Ganztagsangebote mit außerschulischen Kooperationspartnern finanzieren. Lehrkräfte, die bisher für den Ganztag eingeplant waren, stehen somit für Pflichtunterricht zur Verfügung. Bis zu 450 Lehrerstellen stehen hierfür zur Verfügung.

Ein weiteres Beispiel aus dem Aktionsplan: Die fachspezifischen Bedarfsregelungen für die Einstellung in den Schuldienst werden flexibilisiert. Aufgrund der Bewerberlage können auch Stellenausschreibungen mit Fächern erfolgen, für die an der jeweiligen Schule derzeit kein ausgeprägter fachspezifischer Bedarf besteht. Heiligenstadt sagte, es zeichne sich bereits jetzt ab, dass die Unterrichtsversorgung für das beginnende Schuljahr bei 98 Prozent liegen werde. «Das ist kein Wert, der uns zufrieden stimmt.» Die Sicherung des Pflichtunterrichts habe Priorität.

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Kritik erntete die Kultusministerin von der Opposition. Mit einer prognostizierten Unterrichtsversorgung von 98 Prozent erreiche Niedersachsen einen Tiefstand wie seit 15 Jahren nicht mehr, bemängelte der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Björn Försterling. So sei Unterrichtsausfall programmiert, es gebe zudem keine Entlastung für die Lehrkräfte und zu wenig Schulsozialarbeiter.

Der schulpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Kai Seefried, prophezeite, mit dem 17-Punkte-Plan werde es Heiligenstadt nicht gelingen, Stundenausfall im großen Umfang zu verhindern. «Es handelt sich um einen Katalog von Notmaßnahmen, aus dem die ganze Verzweiflung dieser Ministerin spricht.» Der Effekt dürfte begrenzt sein.

Anders sieht das Stefan Politze, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Mit dem Aktionsplan sei Niedersachsen Vorreiter. «Damit wird es gelingen, die noch fehlenden Lehrerinnen und Lehrer für unsere Schulen zu gewinnen», sagte Politze. dpa

Hier gibt’s den kompletten 17-Punkte-Plan zur Lehrergewinnung.

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Detlef
7 Jahre zuvor

Man nimmt also jeden der nicht bei 3 auf dem Baum ist und stellt ihn vor die Klasse. Und dann wundert man sich, dass es mit der Bildung steil bergab geht in diesem Land?

Ich hätte eine verrückte Idee: Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufes, ergo weniger Stunden und mehr Kohle.
Da dies aber nicht passiert, kann die Not nicht groß genug sein.

GriasDi
7 Jahre zuvor
Antwortet  Detlef

Stimmt. Je attraktiver der Arbeitsplatz, desto mehr Bewerber. Warum wollen eigentlich so wenige Menschen die vielen Ferien von Lehrern, über die sie sich so aufregen?

Palim
7 Jahre zuvor

Dass seit Jahren der Lehrermangel absehbar war, weil die Lehrkräfte, die vor 40 Jahren zur Lehrermangel-Zeit eingestellt wurden, jetzt überwiegend in Pension gehen, wird nicht erwähnt. Auch ein gesteigerter Bedarf durch die Inklusion kommt natürlich überraschend, hat doch die Eingliederung der FöS-LuL offenbar nicht den erwünschten Effekt, die Versorgung zu verbessern.
Natürlich sind Migranten hinzu gekommen, aber im Erlass ausgewiesene DaZ-Stunden, die trotz erhöhter Konzept-Auflagen beantragt werden, wurden gar nicht gewährt.

Vielleicht sind ja einige Lehrkräfte aus den Bundesländern, in denen jetzt gerade auf Zeitverträge gespielt wird, bereit, sich in den Norden zu bewegen. In diesen Bundesländern wird das Problem dann womöglich zeitversetzt auftreten.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Haushaltsmittel sind das eine, fehlende Lehramtsabsolventen das andere. Deutschland hat den ungeheuren Vorteil der freien Studien- und Berufswahl, der sollte auf jeden Fall erhalten bleiben. Also keine zentrale Steuerung, wie etwa bei den Medizinern. Diese Steuerinstrumente orientieren sich nämlich nach den Kapazitäten und nicht nach dem Bedarf.

Und in Mangelfächern hilft das Ausschreiben zusätzlicher Stellen ohnehin nicht, der Markt an Bewerbern ist nämlich leergefegt. Hinzu kommt dass sich zwar jeder über die hohe Quote von Abiturienten bzw. aufgenommenen SuS an GY beklagt, nur sieht es doch bei der Verteilung zwischen den lehrämtern für die Sekundarstufe I und die Sekundarstufen I+II nicht anders aus. Es gibt zu wenig geeignete Kandidaten für den SekI-Bereich. Dies kann man aber nicht den Studienanfängern verübeln, dass sie sich für eine zukünftige, höhere Besoldung und bessere Beförderungschancen entscheiden. A12 bis zur Grube ist eher abschreckend und maximal A13Z als Rektor einer Hauptschule ist auch keine Verlockung geschweige denn eine Perspektive, wie die hohe Zahl offener Leitungsstellen zeigt.

ysnp
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Diese Aussage kann man auch auf den Grundschulbereich ausdehnen. Nicht nur die Bezahlung der Leitungsstellen, sondern auch die Arbeitsbelastung an dieser Funktion machen diese Funktionsstellen unattraktiv. Viele Schulleiterstellen an Grundschulen bleben bundesweit unbesetzt bzw. erfahren eine hohe Fluktuation (so bei uns, die Kandidaten werden herumgereicht, bis sie schließlich an großen Schulen oder in Schulämtern landen) weil die Unterrichtsverpflichtung neben anderer Aufgaben ernorm hoch ist. Schulleiterung mit hoher Unterrichtsverpflichtung ist ein Knochenjob. Dazu fallen die zunehmenden Fehlbesetzungen der Schulleitungen (wenig positive Führungsqualitäten) wegen geringer Konkurrenz auf.

Palim
7 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Zusätzlich muss man dann sagen, dass dieser 17-Punkte-Plan zum einen ein Tropfen auf den heißen Stein sein wird und zum anderen wirklich hanebüchen wirkt.
Die wichtigen Aufgaben mit Studierenden und Pensionären zu besetzen, KollegInnen dazu zu bewegen, auf eine extrem volle Arbeitswoche zusätzlich noch Mehrarbeit zu setzen und den Ganztag auszuhöhlen und auf Personal im Niedriglohnsektor zu setzen.
Dass Integration/ DaZ samt Alphabetisierung und Inklusion so ganz nebenher und ohne nennenswerte Stundenzuweisungen erfolgen müssen, wird unter den Teppich gekehrt bzw. als Fortschritt verkauft.

DAMIT ist Niedersachsen sicherlich Vorreiter … fragt sich nur, was das noch mit Bildung zu tun hat.