Eisenmann will Qualitätsverbesserung statt Strukturreform doch die Finanzierung bleibt offen

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STUTTGART. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann hat große Pläne. Fast 850 zusätzliche Lehrerstellen will Sie in diesem Jahr schaffen. Doch schon ab vor Schuljahresbeginn zeigen sich Löcher in der Unterrichtsversorgung, die durch den Mangel an Fachkräften entstehen. Die Gemeinschaftsschule will Eisenmann reformieren, die Realschulen stärken. Wie das Ganze in Zeiten der Haushaltsperre finanziert werden soll ist ebenfalls noch unklar.

Rekord bei Lehrereinstellungen und zugleich Mangel an Pädagogen: Im neuen Schuljahr sollen 6600 (2015/16: 5791) neue Lehrer unterrichten, aber nicht für alle Stellen können Bewerber gefunden werden. «Wir sind so gut wie noch nie aufgestellt», sagte Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU. In diesem Schuljahr werden unter dem Strich 843 zusätzliche Stellen geschaffen. Zugleich räumte sie ein, dass wegen Lehrerknappheit in Fächern wie Physik und Mathematik und des schwindenden Interesses an Stellen auf dem Land nach derzeitigem Stand 672 Stellen nicht besetzt werden; das seien spürbar mehr als zuvor. Besonders angespannt ist die Lage an Grund- und Sonderschulen.

Susanne Eisenmann will keine Schule an den Pranger stellen. Foto: Landeshauptstadt Stuttgart / flickr (CC BY-NC 2.0)
Susanne Eisenmann will keine Schule an den Pranger stellen. Foto: Landeshauptstadt Stuttgart / flickr (CC BY-NC 2.0)

Mit dem Aufstocken von Unterrichtsverpflichtungen, dem Aktivieren pensionierter Lehrer und dem Abordnen von Lehrern anderer Schulen will das Ministerium die Lücke so weit wie möglich schließen. Eisenmann betonte: «Die Unterrichtsversorgung ist im Wesentlichen gesichert.» Das sieht die Bildungsgewerkschaft GEW anders. Sie rechnet damit, dass es im neuen Schuljahr nicht genügend Vertretungslehrer gibt und sich die Eltern auf mehr Unterrichtsausfall einstellen müssen.

Die Landtags-FDP findet Eisenmanns Mittel, Unterrichtsausfall zu vermeiden, indes wenig kreativ. Sie müsse frühzeitig Einstellungszusagen machen oder Zulagen für Physik- und Chemielehrer vergeben.

Aus Sicht der SPD im Landtag blieb Eisenmann bei ihrer ersten Pressekonferenz zum Schuljahresbeginn Antworten auf wichtige Fragen schuldig, etwa auf den umfassenden Weiterbildungsbedarf von Hauptschullehrern, den fehlenden Ethikunterricht an Grundschulen und den Mangeln an Schulleitern.

Für nahezu 1,4 Millionen Schüler an öffentlichen Schulen beginnt nach gut sechs Wochen Sommerferien am 12. September wieder der Ernst des Lebens. Im Vergleich zum Vorjahr sind es aufgrund des Zuzugs von Flüchtlingskindern etwas mehr Schüler. Für sie stehen 1165 Stellen bereit, insbesondere für die Sprachförderung. In diesem Schuljahr ist Baden-Württemberg Vorreiter bei der sogenannten Potenzialanalyse für Flüchtlinge zwischen 10 und 20 Jahren. Eisenmann: «Damit können wir erstmals die Fähigkeiten und den Förderbedarf von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen systematisch erfassen.»

Die einst von Grün-Rot eingeführte Gemeinschaftsschule soll unter Grün-Schwarz eine grundlegende Neuerung erfahren. Wegen des künftigen Angebots gymnasialer Oberstufen auch an Gemeinschaftsschulen wird geprüft, ob und inwieweit ab Klasse acht auch «äußere Differenzierung» möglich ist, also die Aufteilung von Kindern unterschiedlicher Leistungsfähigkeit auf verschiedene Kurse oder Klassen. In diesem Schuljahr wird es 299 «Schulen für alle» geben. Die Landtags-SPD und der Verein für Gemeinschaftsschulen kritisierten, das CDU-geführte Haus vernachlässige diese Schulart, die ebenfalls mehr Personal benötige. Auch die Berufsschullehrer sehen ihre Schulart stiefmütterlich behandelt.

Nach jahrelangen Strukturdebatten will Eisenmann die Qualität an den Schulen verbessern. Alarmiert durch die Bildungsstudie «Vera 8», die den baden-württembergischen Schülern Mängel bei Rechtschreibung und Mathematik bescheinigte, will die CDU-Politikerin ein «strategisches Bildungscontrolling» einführen. Aus den vom Landesinstitut für Schulentwicklung sowie in Selbst- und Fremdbewertung erhobenen Daten sollen für die einzelne Schule Erkenntnisse ermittelt werden, die Vergleiche unter den Schulen zulassen und zu besserer Qualität führen sollen. Die Daten würden nur intern genutzt, versicherte die Ressortchefin. «Wir wollen keine Schule an den Pranger stellen.»

Als geplante, aber noch nicht finanzierte Neuerung nannte Eisenmann die Stärkung der Realschulen. Diese erhalten nun zwei zusätzliche Stunden, so dass sie über acht sogenannte Poolstunden zur individuellen Förderung je Zug verfügen. Ziel sei es, dass die «tragende Säule der Sekundarstufe I» 2017/18 mit der Gemeinschaftsschule gleichziehe und zehn Poolstunden pro Zug bekomme.

Über die Finanzierung sei sie gerade in Gesprächen mit Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne), sagte Eisenmann. Die von allen Ministern verlangten Einsparungen seien in ihrem Ressort bei allen Verständnis für die Schuldenbremse ab 2020 nur sehr schwer zu erbringen. Weniger als ein Prozent ihres Etats von zehn Milliarden Euro pro Jahr sei frei verfügbar. (Julia Giertz, dpa)

• zum Bericht: Philologenverband fordert: Wahlfreiheit zwischen G8 und G9
• zum Bericht: Hauptschullehrerqualifizierung in Baden-Württemberg wird zunächst aus dem Bestand finanziert

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Markus
7 Jahre zuvor

Also gegen Extra-Lockangebote für MINT Lehrer hab ich definitiv nichts anzuwenden