Gewalt gegen Lehrer immer schlimmer: Vater stürmt in den Unterricht und schlägt die Lehrerin nieder

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RADOLFZELL. Ein Vater ist während des Unterrichts in den Klassenraum einer Schule im baden-württembergischen Radolfzell gestürmt und hat vor den Augen der Schüler die Lehrerin seiner Tochter niedergeschlagen. Dies berichtet die Polizei. Vorausgegangen war der Tätlichkeit eine verbale Auseinandersetzung darüber, ob der Mann sein Kind sofort mit nach Hause nehmen könne – was die Pädagogin abgelehnt hatte. Der krasse Fall wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf das Phänomen, dass Gewalt gegen Lehrkräfte zunimmt.

Lehrkräften die Rede. (Symbolfoto) Foto: Hibr / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Immer öfter ist von Gewalttaten gegenüber Lehrkräften die Rede. (Symbolfoto) Foto: Hibr / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Es lief die 5. Stunde, als der Vater gegen 12.20 Uhr unangekündigt im laufenden Unterricht der Gemeinschaftsschule in Radolfzell erschien. Er wollte sofort seine Tochter mit nach Hause nehmen. Nachdem die Lehrerin den Vater angewiesen hatte, vor dem Klassenzimmer zu warten, habe der Mann die Lehrerin beleidigt, die ihn daraufhin erneut aufgefordert habe, vor dem Raum zu warten. Als die Lehrerin sich an die Schulleitung wenden wollte, habe der Mann sie am Handgelenk gepackt und sie mit der Hand ins Gesicht geschlagen, wodurch die Frau zu Boden stürzte.

Anschließend sei der Mann mit seiner Tochter nach Hause gegangen, wo die Polizei ihn kurze Zeit später antraf. Der Vater habe den Beamten gegenüber den Sachverhalt eingeräumt und angegeben, es habe sich „um eine Kurzschlussreaktion“ gehandelt. Er hat sich nun wegen Körperverletzung, Beleidigung und Hausfriedensbruch zu verantworten.

Ganze Familie angeklagt

Die Meldungen sind derzeit zahlreich und scheinbar so alltäglich, dass man sie schon fast überliest: Gewalt und Beleidigungen gegen Lehrer. Unlängst wurde etwa gerade ein Fall am Amtsgericht Gießen verhandelt. Dort war eine ganze Familie wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, die den Sportlehrer des 16-jährigen Sohnes angegriffen hatten. Nur das Eingreifen von Kollegen konnte offenbar Schlimmeres verhindern. Grund: Der stark übergewichtige Sohn fühlte sich offenbar von dem Sportlehrer gemobbt.

In Berlin ist die Zahl der Übergriffe auf Lehrer und sonstiges Schulpersonal im Schuljahr 2014/2015 gegenüber dem Vorjahr um dramatische 30 Prozent gestiegen. Die Schulen hätten 560 solcher Vorfälle gemeldet, heißt es. „Selbst jüngere Schüler machen vor den Erwachsenen nicht halt: Betrachtet man diese Übergriffe nach Schulart, werden von den Grundschulen mit 57 Prozent die meisten Übergriffe auf Schulpersonal gemeldet, gefolgt von jeweils 20 Prozent aus Förderzentren und den Integrierten Sekundarschulen. Gymnasien und Berufliche Schulen spielen bei diesen Übergriffen kaum eine Rolle“, so berichtet der „Tagesspiegel“.

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„In den letzten Jahren hat die Gewalt in der Schule deutlich zugenommen. Verbale Attacken oder tätliche Angriffe gegen Lehrerinnen und Lehrer kommen immer häufiger vor. Mir melden immer mehr Kolleginnen und Kollegen, dass sie verbal angegriffen oder bedroht wurden. Das ist nicht mehr reines Mobbing, sondern weitet sich inzwischen zu regelrechter Gewalt aus“, berichtet hingegen der ehemalige Leiter einer Gesamtschule und Betreiber des Info-Dienstes www.tresselt.de, Paul Tresselt, auf seiner Seite. Er berichtet davon, dass sich Lehrkräfte allerdings selten mit einer Anzeige gegen die Eltern (oder gegen den Schüler) wehren – selbst dann nicht, wenn es sich um einen körperlichen Angriff handele. „Wer macht das schon, wenn ihm die Kinder anvertraut sind. Ist das nicht auch ein Vertrauensbruch?“, so fragt Tresselt.

Schon vor zwei Jahren warnte die GEW vor zunehmender Diskriminierung und Gewalt von Schülern gegenüber ihren Lehrern. „Wir sehen eine Zunahme von Fällen, von Beschimpfungen und Mobbing im Internet bis hin zu tätlichen Übergriffen“, sagte der Brandenburger Landesvorsitzende Günther Fuchs. „Wir beobachten, dass die Hemmschwelle sinkt, Verunglimpfungen von Lehrern nehmen besorgniserregend zu.“ Häufig akzeptierten es Schüler auch nicht, wenn Lehrer sich in Auseinandersetzungen einschalteten und die Streithähne trennten. Allerdings seien tätliche Angriffe weiter die Ausnahme.

VBE-Vorsitzender Udo Beckmann sprach unlängst auf einer Fachtagung mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zum Thema. Schule sei in den vergangenen Jahren vielfältiger und bunter geworden – und damit aber auch immer mehr ein Ort, an dem unterschiedliche Werte aufeinander prallen. Da Schule etwa per se ein modernes Frauenbild lebe, das nicht in allen Kulturen selbstverständlich ist, und im Lehrerberuf überwiegend Frauen arbeiten, gebe es hier naturgemäß Konflikte – die im äußersten Fall in psychische oder physische Gewalt münden könnten.

Dem zu begegnen sei vielerorts nicht so einfach. Fehlende oder zu geringe Ressourcen für Schulen erschweren die Ausübung des Bildungs- und Erziehungsauftrags und erhöhten den Druck auf alle Beteiligten – Lehrkräfte, Schüler, Eltern. Das belaste den Umgang miteinander, klagte Beckmann. Nur in einer gut ausgestatteten Schule könne optimale Präventionsarbeit gegen Gewalt geleistet werden. Strukturell sei es notwendig, die Zahl der Brennpunktschulen zu verringern und der Entstehung von Ghettovierteln durch eine entsprechende Wohnungspolitik der Kommunen entschieden entgegen zu steuern. News4teachers

Zum Bericht: Polizei zur Gewalt an Schulen: Die Körperverletzung wird exzessiver, brutaler

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Ketter
7 Jahre zuvor

Ist es nicht die Pflicht des Vorgesetzten (Schulleiter) Anzeige bei solchen Fällen zu erstatten?

Die Rechtfertigung gefällt mir: „Die Schulen werden halt immer bunter.“….alles klar.

sofawolf
7 Jahre zuvor

Da haben wir wieder einen wirklichen Grund, warum zu wenige Lehrer werden wollen.

Was fordern Gewerkschaften, Verbände und Politiker?

Gehaltserhöhung.

Papa51
7 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Na ja, Gehaltsfragen kommen bei Lehrern ja auch gut an. Jedenfalls ist das mein Eindruck, wenn ich die ständigen ellenlangen Diskussionen über die Gehälter und Vergleiche lese.
Alles andere ist zwar auch ein paar Klagen und Verbesserungsvorschläge wert, scheint den Lehrern aber längst nicht so wichtig wie das Gehalt.

GriasDi
7 Jahre zuvor
Antwortet  Papa51

Es ist halt so wie in allen anderen Berufen auch.

oma75
7 Jahre zuvor
Antwortet  Papa51

papa51 so kann wohl nur jemand reden, der keine Ahnung vom Lehrerberuf( besonders in grundschulen und vergleichbaren) hat. Oder er interressiert sich nicht dafür. Mehr Gehalt macht das Klima an Problemschulen auch nicht besser. Eltern sollten sich vielleicht mal in Lehrer hineindenken oder sich ehrlich fragen: haben wir uns wohl genug um unsere Kinder gekümmert, weiss ich so genau was mein Kind wirklich denkt oder tut, asserhalb meines Einflussbereichs. Ich bin keine Lehrerin, aber eine gute Beobachterin.

sofawolf
7 Jahre zuvor

… und bei den Linken liest man denn also auch im Wahlprogramm: „Elternrechte stärken!“

Die richtigen Antworten zur richtigen Zeit.

Uli
7 Jahre zuvor

Es ist ein Skandal. Seitens der Politik werden Schulen und die darin Tätigen solange stiefmütterlich behandelt, solange keine neue Pisa- o.ä. Studie droht.Dann allerdings wird man nervös und es greift blinder Aktionismus um sich … Bis dahin soll die Basis mit sanierungsbedürftigen, unzureichend ausgestatteten Gebäuden,zunehmend schwierigen, weil nicht hinreichend sozialisieten Kindern, mit der Inklusion und der Integration von Flüchtlingen sowie ausgeprägtem Lehrermangel usw. usd. klarkommen – kostenneutral, versteht sich.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  Uli

kostenneutral wäre schön. Durch die Schließung der Förderschulen, die Schulzeitverkürzung, Einsparung von Sekretärinnen usw. wird ja Geld eingespart …

Mette
6 Jahre zuvor
Antwortet  Uli

Ja schon traurig das es solche Probleme an Schulen gibt, es ist ein Ort zum Lernen wo die Leute von morgen was lernen sollen, um ein Abschluss zu bekommen. Die Politik redet alles schön, wo soll das hinführen? Mann muss härter Durchgreifen und man kann nicht an stellen tolerant sein wo man nicht tolerant sein kann.

Mette
6 Jahre zuvor
Antwortet  Mette

Bezogen auf Problemschüler und Lehrer die ihrem Lehrauftrag nicht gerecht werden, weil sie kein guten Unterricht machen, und weil Sie sich nicht Ordnungsgemäß gegenüber Schüler verhalten.

Mette
6 Jahre zuvor
Antwortet  Mette

Es sollte ein Auswahlverfahren geben für Leute die diesen Beruf ausüben wollen bzw. die auf Lehramt studieren wollen. Ein Lehrer der den Unterrichtsstoff nicht gut vermitteln kann und nicht begeistern kann sollte kein Lehrer werden. Problemschüler muss man härter gegenüber treten, und ihnen klar machen das Gewalt usw. nicht toleriert wird. Vor allem müssen spürbare Konsequenzen erfolgen, aber es wird diskutiert und nichts passiert. Die Probleme was Schüler, schule, Lehrerausbildung angeht wird nicht angepackt. Nur was das für Folgen Gesellschaftlich sowie Ökonomisch für unsere Land bedeutet da machen sich die Politiker keine Gedanken.

Max
7 Jahre zuvor

@Papa51:

Ich spreche jetzt nur von BW:

Der Job wird zunehmen unattraktiver. Die Ausbildung (Studium + Ref) dauert mittlerweile 7 Jahre. Ich kenne Leute die haben in 7 Jahren Ausbildungszeit einen Doktortitel erreicht. Ein weiteres Problem in BW ist, dass die Dauer der Ausbildung für Grundschullehrer und Sek 1 Lehrer gleichlang ist, die GS Lehrkräfte aber deutlich weniger verdienen. In BW gibt es aktuell ein sehr akuter Mangel an GS Lehrer und Lehrerinnen. Die Ursachen dafür sind klar, gleiches Studium und weniger Bezahlung. Das System ist kurz davor das es kippt da keine GS Kräfte nachkommen. Ich habe letztens eine Stellenanzeige gesehen einer Schule (staatlich): Suche Lehrerin, keine Lehramtsausbildung notwendig ein Pädagogisches Studium/ Hintergrund reicht. Die Zahl der Ausbildungen an den Seminaren sind zusammengebrochen auf teilweise die Hälfte. Demnach MUSS sich was ändern.