Nach Jahrhundert-Messung von Einsteins Gravitationswellen: Deutsche Physiker denken groß (sogar an den Nobelpreis)

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HANNOVER. Am ersten direkten Nachweis von Gravitationswellen waren Wissenschaftler aus Hannover und Potsdam maßgeblich beteiligt. «Jetzt herrscht Aufbruchstimmung», sagt Max-Planck-Direktor Karsten Danzmann. Am 4. Oktober winkt möglicherweise sogar der Nobelpreis.

Mal wieder Recht gehabt: Albert Einstein. Foto: Wikimedia Commos
Mal wieder Recht gehabt: Albert Einstein. Foto: Wikimedia Commos

Als am 11. Februar die erste Messung von Gravitationswellen verkündet wurde, überschlugen sich Forscher und Medien weltweit vor Begeisterung: Von einer «wissenschaftlichen Mondlandung» war die Rede und von einer «neuen Ära der Astronomie». Großen Anteil an der spektakulären Entdeckung des Ligo-Observatoriums in den USA hatten Physiker des Albert-Einstein-Instituts (AEI; auch: Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik) in Hannover und Potsdam.

Von ihnen ist Karsten Danzmann am längsten dabei. Schon seit 1989 spürt der 61-Jährige den von Albert Einstein vor 100 Jahren vorhergesagten Gravitationswellen nach. Als das Signal am 14. September 2015 auf dem Computer sichtbar wurde, konnte er es zunächst nicht glauben. Bei der Bekanntgabe der Weltsensation im Februar wirkte der Max-Planck-Direktor emotional sehr bewegt.

«Dieses Jahr war ein unglaubliches Jahr für uns», sagt der Wissenschaftler in seinem Büro in Hannover. An den Wänden hängen Weltraum-Fotografien, auf dem Schreibtisch stapeln sich Doktorarbeiten. Vor der bahnbrechenden Entdeckung wurden die Gravitationswellen-Jäger oftmals belächelt. Jetzt gebe es in der Wissenschaftsgemeinde keine Skeptiker mehr, sagt Danzmann und verspricht: «Wir werden das Werden und Vergehen des Weltalls anders verstehen können. Auch den Urknall werden wir irgendwann hören.»

Etwa fünf Einladungen für Vorträge bekommt der Gravitationsforscher inzwischen am Tag. Viele gibt er an Mitarbeiter weiter. «Man muss zwischen den Vorträgen auch noch Zeit haben, die Ergebnisse zu erarbeiten», sagt er. Die Anlagen in Livingston und Hanford, die das Echo aus dem All aufnahmen, sind inzwischen wieder abgeschaltet. Sie sollen verbessert und noch empfindlicher werden.

Ein Ziel für die Zukunft ist, mit vier Gravitationswellen-Detektoren in den USA, Italien und Japan gleichzeitig Daten zu erheben. Das würde erlauben, den Ursprung der Gravitationswelle genauer zu lokalisieren und zu analysieren.

Schon seit Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler zudem an einem Weltraum-Detektor für Gravitationswellen. «Jetzt herrscht Aufbruchstimmung», sagt der 61-Jährige. Verträge mit den Weltraumbehörden Nasa und Esa wurden zwar noch nicht unterschrieben, aber die Forscher sind zuversichtlich, dass die vielversprechenden Ergebnisse der aktuellen Lisa-Pathfinder-Mission ein Gravitationswellen-Observatorium im All ermöglichen. Mit dem Bau möchten sie so bald wie möglich beginnen, 2028 soll die Mission starten.

Etwa 50 Jahre hat die Entwicklung von Messgeräten zum direkten Nachweis von Gravitationswellen gedauert. Mal waren deutsche Wissenschaftler führend, mal die Amerikaner. Danzmann hadert noch immer damit, dass sich der Bund 1992 aus diesem Forschungsfeld zurückgezogen hat. «Glücklicherweise sprang die Universität Hannover mit Unterstützung des Landes Niedersachsen und der Volkswagenstiftung ein.» 1995 wurde im niedersächsischen Ruthe der deutsch-britische Gravitationswellen-Detektor GEO 600 errichtet, der deutlich kleiner ist als die US-amerikanischen Anlagen. Jedoch wurde die Messstation südlich von Hannover zur Ideenschmiede und zum Experimentierfeld für neue Technologien, von denen die Amerikaner stets profitierten.

Dass der erste direkte Nachweis von Einsteins Theorie einen Nobelpreis verdient hat, gilt als sicher. Unter den 1004 Autoren der im «Physical Review Letters» veröffentlichten Studie sind auch etwa 100 Forscher der Max-Planck-Gesellschaft und der Leibniz Universität Hannover. Zu den 15 maßgeblichen Wissenschaftlern zählen die drei AEI-Direktoren Karsten Danzmann und Bruce Allen aus Hannover, Alessandra Buonanno aus Potsdam sowie der AEI-Gründungsdirektor Bernard F. Schutz.

Am 4. Oktober werden die Nobelpreisträger für Physik verkündet. Dass bei einem AEI-Forscher das Telefon klingen wird, kann sich Danzmann aber nicht vorstellen. Der Preis werde wohl an die Amerikaner gehen, vermutet der Gravitationswellen-Pionier: «Ich persönlich bin nicht sicher, dass es in diesem Jahr schon passieren wird, weil wir den Stichtag für Nominierungen verpasst haben. Aber möglicherweise kann man von dieser Regel abweichen.» Von Christina Sticht, dpa

Zum Bericht: Physik-Sensation: Gravitationswellen erstmals gemessen – Einstein lag mal wieder richtig

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1 Kommentar
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xxx
7 Jahre zuvor

Den Physik-Nobelpreis gleich im Jahr der Veröffentlichung der preiswürdigen Entdeckung zu verleihen, halte ich für zu früh, bei anderen Entdeckungen verstrichen Jahrzehnte. Den Nobelpreis an sich hat das Experiment natürlich trotzdem verdient.