Ermittlungen gegen Wende eingestellt – ehemalige Bildungsministerin kritisiert Hexenjagd

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KIEL/BERLIN. Ein Ermittlungsverfahren wegen Korruptionsverdachts hatte vor zwei Jahren Schleswig-Holsteins umstrittene Bildungsministerin Waltrau „Wara“ Wende zu Fall gebracht. Die Staatsanwaltschaft hatte angezweifelt, dass bei Wendes Rückkehroption an die Uni Flensburg alles mit rechten Dingen zugegangen war. Nach fast zwei Jahren hat sich der Tatverdacht als nicht hinreichend für ein weiteres Verfahren erwiesen, wie die Behörde jetzt mit dürren Worten mitteilte. Wende übte nun ihrerseits scharfe Kritik an den Justizvertretern.

Im spektakulären Ermittlungsverfahren gegen Schleswig-Holsteins frühere Bildungsministerin Waltraud Wende hat die Kieler Staatsanwaltschaft nach mehr als zwei Jahren die Segel gestrichen. Der Tatverdacht sei nicht hinreichend, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Das Verfahren, in dem es um den Vorwurf der Bestechung und des Betrugs im Zusammenhang mit Wendes Rückkehroption an die Uni Flensburg ging, wurde eingestellt. Zwei Absätze rang sich die Staatsanwaltschaft für eine kurze Pressemitteilung ab und teilte mit: «Weitere Erklärungen werden nicht abgegeben.»

Die als schleswig-holsteinische Bildungsministerin durchaus kämpferische Waltraud Wende habe sich im Ermittlungsverfahren gefühlt „wie in einer Hexenjagd“„ (Foto: Steffen Voss/Bildungsministerium Schleswig Holstein)
Die als schleswig-holsteinische Bildungsministerin durchaus kämpferische Waltraud Wende habe sich im Ermittlungsverfahren gefühlt „wie in einer Hexenjagd“„ (Foto: Steffen Voss/Bildungsministerium Schleswig Holstein)

Dagegen hatte die Eröffnung des Verfahrens die Dimensionen eines Politthrillers: Die Staatsanwaltschaft ließ Wendes Wohnungen in Flensburg und Berlin durchsuchen, in der Hauptstadt wurde dabei laut Wende sogar die Tür aufgebrochen. Bei weiteren Razzien in ihren Diensträumen im Bildungsministerium und in der Staatskanzlei wurden Akten und elektronische Daten beschlagnahmt. «Da fühlen Sie sich wie ein Schwerverbrecher», sagte Wende am Donnerstag rückblickend. Zurzeit lebt sie in Berlin und bezieht Pension.

Die Staatsanwaltschaft wollte im Rahmen der Ermittlungen klären, ob die frühere Rektorin dem Kanzler der Uni Flensburg, Frank Kupfer, zugesagt hatte, ihn für die Wiederwahl vorzuschlagen, wenn er sich im Gegenzug im Senat der Uni für Wendes Rückkehroption stark machen würde. Pikant: Die Staatsanwaltschaft fand 2014 ein Schreiben aus dem Jahr 2011 über eine angebliche Vereinbarung mit dem Uni-Kanzler über eine Professur Wendes. Kupfer erklärte, er habe das Schreiben nicht verfasst, Wende habe es ihm vorgelegt.

Nach Bekanntwerden der Option im April 2014 und politischem Druck hatte Wende erklärt, sie werde davon nicht Gebrauch machen. Die Uni Flensburg hob auf Wunsch Wendes den Beschluss mit der Option auf.

Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hatte die von ihm geschätzte Wissenschaftlerin umworben, nach einem Wahlsieg 2012 in seinem Kabinett Ministerin zu werden. Wende war Professorin im niederländischen Groningen gewesen, bevor sie nach Flensburg als Uni-Präsidentin wechselte – ein gewähltes Amt für sechs Jahre. Wende wollte nur Ministerin werden, wenn sie vom Senat eine Rückkehroption als Professorin nach Flensburg erhält. Dort hatte sie aber keine Professur – das war Wendes Problem.

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Die parteilose Ex-Ministerin kritisierte die Dauer und die Umstände der Ermittlungen. In den mehr als zwei Jahren habe weder sie noch ihr Anwalt die Chance bekommen, ein Gespräch mit der Staatsanwaltschaft zu führen und so im Dialog zur Aufklärung beitragen zu können, sagte Wende. Sie habe stets kooperiert. Das Justizministerium habe als Aufsichtsbehörde der Staatsanwaltschaft versagt, denn ein solch langes Ermittlungsverfahren sei nicht nachzuvollziehen. «Dadurch ist meine berufliche Situation zerstört worden.» NDR 1 Welle Nord sagte Wende: «Ich habe mich gefühlt wie in einer Hexenjagd.»

Als «geradezu bösartig» bezeichnete Wendes Anwalt Michael Gubitz das Agieren der Staatsanwaltschaft. «Weit über ein Jahr wurde darauf verwandt, gänzlich neue Vorwürfe gegen Frau Wende zu ersinnen und diesen nachzugehen. So wurden 10 (!) weitere Verfahren in Gang gesetzt. Offenbar suchte man nach Erkennen der Haltlosigkeit der Ausgangsvorwürfe händeringend nach einer Rechfertigung für die Ermittlungen», kritisierte Gubitz.

Die Durchsuchungen seien unverhältnismäßig gewesen, da die meisten Sachverhalte bekannt gewesen seien. Die Ermittlungen hätten die «Grenzen eines rechtsstaatlichen Umgangs mit den Rechten einer Beschuldigten berührt». Vom Ende des Verfahrens habe Wende durch eine Presseerklärung erfahren. «Frau Wende ist unschuldig. Trotzdem wurde ihre berufliche und politische Existenz vernichtet.»

Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) wies die Kritik an ihrem Ministerium zurück. Wende habe die Rolle der Justizverwaltung missverstanden: «Ich erteile der Staatsanwaltschaft keine Weisungen.» Diese agiere völlig unabhängig. Zur langen Verfahrensdauer könne sie nichts sagen. «Diese Frage muss man der Staatsanwaltschaft stellen, wenn man sie beantwortet haben möchte.»

Der Fall zeigt nach Ansicht von SPD-Landtagsfraktionchef Ralf Stegner «wieder einmal, dass man mit Vorwürfen manchmal vorsichtig sein muss». Er habe am Ausgang keinen Zweifel gehabt. «Aber der Kanonendonner, der durchs Regierungsviertel ging, war ein bisschen stark.» Dagegen beharrte CDU-Fraktionschef Daniel Günther darauf, dass Wendes Rücktritt im September 2014 richtig gewesen sei, da sie Druck auf ihre Mitarbeiter ausgeübt habe. (Matthias Hoenig, dpa)

zum Bericht: Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Waltraut Wende tritt zurück

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