„Extremistischen Strömungen entgegenstellen“: Liberale Konkurrenz für die Deutsche Burschenschaft

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JENA. An der Deutschen Burschenschaft gibt es heftige Kritik. Nun muss sie sich dem Wettbewerb stellen. Es gibt einen Konkurrenzverband.

Historischer Ort: Die "Grüne Tanne" mit der Fahne der Burschenschaft. Foto: Wikimedia Commons
Historischer Ort: Die „Grüne Tanne“ mit der Fahne der Burschenschaft. Foto: Wikimedia Commons

Die Grabenkämpfe unter den Burschenschaften will Michael Schmidt endgültig hinter sich lassen. Vom Streit unter studentischen Verbindungen hat er genug. Vom Gasthof «Grünen Tanne» in Jena soll ein neuer Aufbruch ausgehen, sagt der Mann, der nun für einen neuen liberalen Dachverband spricht. An historischer Stelle wurde am Sonntag die Allgemeine Deutsche Burschenschaft gegründet – in Konkurrenz zur Deutschen Burschenschaft. In Jena nahm die Bewegung der Bünde einst ihren Anfang. Sie wird dieses Jahr 201 Jahre alt.

«Wir wollen weg vom rechten Image», sagt Schmidt mit fester Stimme. Der neue Verband wolle sich «im freiheitlichen Dialog extremistischen Strömungen entgegenstellen». Schmidt bemüht sich um Abgrenzung zur Deutschen Burschenschaft, die bislang als Dachverband viele Verbindungen vereinte. Ihr wird vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen rechtsextreme Strömungen vorgegangen zu sein.

In der Tat stehen einige Burschenschaften im Visier der Verfassungsschützer. In Thüringen ist es die Jenaer Burschenschaft «Normannia». Es gebe «Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen», heißt es vom Innenministerium.

Janine Patz vom Kompetenzzentrum Rechtsextremismus der Uni Jena sieht jedoch nicht für alle Verbindungen rechtsextreme Tendenzen. Das sei allein wegen der Begrifflichkeit schwierig einzuordnen, begründet sie. «Burschenschaften müssen sich mit ihrem Demokratieverständnis auseinandersetzen, weil sie in ihren Grundzügen nationalistisch, chauvinistisch oder frauenfeindlich, kurz gesagt ausgrenzend sind.» So seien beispielsweise Frauen und Menschen, die keinen deutschen Pass haben, in der Regel von einer Mitgliedschaft ausgeschlossen.

Die Allgemeine Deutsche Burschenschaft, die jetzt gegründet wurde, gilt zwar als liberal. Ihr Sprecher Schmidt schränkt jedoch ein: «Liberal in Abgrenzung zur Deutschen Burschenschaft.» Es sei ein Verband reiner Männerbünde. Gegen Ausländer in den eigenen Reihen habe man nichts. Darüber hätten die jeweiligen Mitgliedsverbindungen selbst zu entscheiden.

Schmidt setzt auf Transparenz im neuen Verband. «Es wird keine Gremien in Hinterzimmern geben.» Auf Jahreshauptversammlungen sollen ihm zufolge sämtliche Entscheidungen getroffen werden. Auch drohten künftig Verfahren und im schlimmsten Fall der Ausschluss, wenn Mitglieder gegen Regeln verstoßen sollten. «Die Disziplinargewalt liegt aber in den einzelnen Burschenschaften», räumt Schmidt ein. Der Dachverband könne niemanden hinauswerfen. «Wir können nicht jeden Einzelnen in den Kopf schauen.»

27 Burschenschaften mit 3600 Mitgliedern schlossen sich zusammen. «Weitere werden folgen», gibt sich Schmidt überzeugt. Im Vorfeld der Gründung gab es sechs Tagungen, damit «auf der Basis eines gewachsenen Vertrauens und gemeinsamen Werteverständnisses die freiheitlichen Traditionen und Ideale der Burschenschaften wiederbelebt werden». Die Deutsche Burschenschaft zählt nach eigenen Angaben aktuell 69 Vereinigungen mit knapp 7000 Mitgliedern.

«Konkurrenz belebt das Geschäft», kommentiert der Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter, Dirk Taphorn, die Neugründung. Das Interesse an der Deutschen Burschenschaft sei wieder gestiegen. Der Würzburger Historiker Matthias Stickler befand einst, dass es heute mehr Burschenschaften außerhalb als innerhalb des 1881 gegründeten Dachverbandes «Deutsche Burschenschaft» gebe. Die deutsche Burschenschaft war ein wichtiger Motor für die Demokratie- und Nationalbewegung im 19. Jahrhundert. Von Christian Thiele, dpa

Zum Bericht: Dritter Burschenschaftsdachverband gegründet

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