Wilkommen im digitalen Zeitalter! Zentrale Studienplatzvergabe wird schon wieder reformiert

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BERLIN. Die Vergabe attraktiver NC-Studienplätze sorgt vor jedem Semester für Ärger. Das aktuelle Online-Verfahren läuft immer noch nicht rund. Die Länder wollen das System breiter aufstellen – und die Hochschulen auch ein wenig zu ihrem Glück zwingen.

Das seit Jahren holprige Verteilsystem für begehrte Studienplätze mit Numerus-Clausus-Schranke (NC) soll besser werden. Wie das Magazin des Deutschen Studentenwerks («DSW-Journal») in seiner neuen Ausgabe berichtet, haben die zuständigen 16 Bundesländer deshalb auf Ministerpräsidentenebene einen neuen Staatsvertrag für das umstrittene «hochschulstart»-Verfahren beschlossen. Diese Vereinbarung zum Nachfolger der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) solle zum Wintersemester 2018/2019 greifen, müsse aber noch von allen Ländern förmlich ratifiziert werden.

Den Länder-Plänen zufolge werden künftig auch besonders gravierende Mangelfächer – vor allem Human-, Zahn- und Tiermedizin sowie Pharmazie – in die Online-Studienplatzbörse des «Dialogorientierten Serviceverfahrens» (DoSV) integriert. In diesen NC-Fächern gilt bisher die alte Vergabepraxis, die sich an Abitur-Durchschnittsnoten und Wartezeiten orientiert. Erhofft werde ein Schub, damit die Hochschulen ihre NC-Studienplätze demnächst ganz überwiegend mit Hilfe des dafür eigens entwickelten Bewerbungssystems «hochschulstart.de» der Stiftung für Hochschulzulassung verteilen.

Was würde Humboldt von der heutigen Bildung denken? Humboldt-Denkmal vor der Berliner Humboldt-Universität. Foto: Dierk Schaefer / flickr (CC BY 2.0)
Was würde Humboldt von der heutigen Bildung denken? Humboldt-Denkmal vor der Berliner Humboldt-Universität. Foto: Dierk Schaefer / flickr (CC BY 2.0)

Hintergrund des Reformvorstoßes: Gerade mal 103 von 177 staatlichen Hochschulen (knapp 60 Prozent), die NC-beschränkte Bachelor-Studiengänge anbieten, beteiligten sich zum jetzt beginnenden Wintersemester am internetbasierten DoSV. Zwei Jahre davor waren es erst 89, voriges Jahr dann 100. Am Ende blieben im Wintersemester 2015/16 von 252 000 Bachelor-Plätzen mit örtlichem NC mehr als 11 500 unbesetzt. Das entsprach einer Quote von 4,6 Prozent – zudem ist von einer hohen Dunkelziffer die Rede.

Die Kritik am DoSV konzentriert sich auf zwei Mängel: zum einen die zögerliche Teilnahme staatlicher Hochschulen an der Datenbank – zum anderen Mehrfachbewerbungen von Studienberechtigten, die so letztlich begehrte Plätze blockieren. Das finanziell am Aufbau des DoSV beteiligte Bundesbildungsministerium musste im April einräumen, das System werde noch bis 2018 nur unzureichend funktionieren. Die Kultusministerkonferenz der 16 Länder (KMK) bewertet die aktuelle Situation des Verfahrens als «nicht zufriedenstellend».

Auch der neue Staatsvertrag setzt dem Magazinbericht zufolge bei der Teilnahme der Hochschulen zunächst auf Freiwilligkeit. Nur in den sechs Ländern Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen seien inzwischen alle Hochschulen mit NC-Fächern an das DoSV-System angebunden. Vor diesem Wintersemester galt für vier von zehn Studiengängen ein NC, wie das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ermittelte. Die höchsten Anteile hatten Hamburg (72,3 Prozent), Bremen (60,8) und das Saarland (60,2).

Für die Linke im Bundestag kritisierte Hochschulexpertin Nicole Gohlke: «Auch im neuen Staatsvertrag verzichten die Kultusminister darauf, alle Hochschulen zur Beteiligung an dem zentralen Vergabesystem zu verpflichten und ihre NC-Kontingente vollständig einzuspeisen. Die Verantwortlichen in Bund und Ländern nehmen bürokratisches Chaos und unbesetzte Studienplätze bewusst in Kauf.» Grünen-Experte Kai Gehring nannte es «ein krasses Versäumnis», dass Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) «dieses Armutszeugnis für den Technologiestandort Deutschland nicht behoben hat: mit bundeseinheitlichen Regeln für die Hochschulzulassung und deutlich mehr Studienplätzen». dpa

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