Wo Lehrer anders ticken als der Rest der Bevölkerung – und wo nicht: Umfrage bringt überraschende Ergebnisse an den Tag

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MÜNCHEN. Lehrer ticken in wesentlichen bildungspolitischen Fragen anders als der Rest der Bevölkerung. Beispielsweise möchten die meisten Lehrer höhere Lehrergehälter und die Verbeamtung – im Gegensatz zu den Bürgern. Lehrer lehnen mehrheitlich ein Ganztagsschulsystem ab – was die Mehrzahl der Deutschen gerne hätte. Auch sind Lehrer skeptischer, was die Inklusion von Kindern mit Lernschwächen in Regelschulen betrifft. In anderen Punkten allerdings zeigen sich Bürger und Lehrkräfte bemerkenswert einig. Dies sind Ergebnisse des jüngst veröffentlichten Bildungsbarometers des ifo Zentrums für Bildungsökonomik, München.

Die meisten Lehrer wünschen sich mehr Gehalt - die Bürger sehen Gehaltszuschläge für Lehrer dagegen kritisch. Foto: Fabio Gismondi / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Die meisten Lehrer wünschen sich mehr Gehalt – die Bürger sehen Gehaltszuschläge für Lehrer dagegen kritisch. Foto: Fabio Gismondi / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

„Auch wenn ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur etwa ein Prozent ausmacht, spielen die Lehrkräfte in der Bildungspolitik eine ganz besondere Rolle. Einerseits sind sie Hauptakteure der Schulbildung und damit ExpertInnen in Fragen der Bildung. Umfangreiche Forschung belegt ihre große Bedeutung für gute Schülerleistungen und damit für ein leistungsfähiges Schulsystem. Andererseits haben Lehrkräfte bei Fragen der Schulpolitik – wie jede andere Berufsgruppe auch, wenn es um ihre eigene Situation geht – ein besonderes Interesse, eine vorteilhafte Situation für ihren eigenen Berufsstand zu schaffen“, so schreiben die Autoren.

Ergebnisse der Studie im Einzelnen:

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  • Fast zwei Drittel der befragten Lehrkräfte sprechen sich (sehr oder eher) dafür aus, dass Lehrer generell verbeamtet werden, nur 27 Prozent sind dagegen. Im Gegensatz dazu befürwortet in der Gesamtbevölkerung nur rund ein Drittel (33 Prozent) die Verbeamtung von Lehrkräften, 50 Prozent sprechen sich dagegen aus.
  • Während 74 Prozent der Lehrer meinen, dass die Lehrergehälter stark steigen oder steigen sollen, sind es in der Bevölkerung lediglich 40 Prozent. Über die Hälfte der Bevölkerung ist der Meinung, die Lehrergehälter sollten in etwa unverändert bleiben. Jeder 20. Bürger meint sogar, dass die Lehrergehälter „sinken“ oder „stark sinken“ sollten.
  • Pikantes Detail: Eine zufällig ausgewählte Teilgruppe der Befragten erhielt vor Beantwortung dieser Frage die Information, dass vollzeitbeschäftigte Lehrer in Deutschland derzeit im Schnitt rund 2.750 Euro netto im Monat verdienen. In der so informierten Teilgruppe der Bevölkerung liegt die Zustimmung zu höheren Lehrergehältern sogar noch um neun Prozentpunkte niedriger.
  • Soll es Gehaltszuschläge für Lehrkräfte geben, deren Schüler gute Lernfortschritte machen? Die Gesamtbevölkerung ist bei dieser Frage unentschieden: 44 Prozent unterstützen diese Möglichkeit, 42 Prozent lehnen sie ab. Die Meinung der Lehrkräfte fällt deutlich negativer aus: Nur 23 Prozent sprechen sich für die Einführung solcher Gehaltszuschläge aus, 70 Prozent sind dagegen.
  • Sollen für Lehrer in Mangelfächern Gehaltszuschläge gezahlt werden? Die Gesamtbevölkerung ist hier erneut gespalten (45 Prozent dafür, 40 Prozent dagegen), während die Lehrkräfte diesen Vorschlag wiederum klar ablehnen (26 Prozent dafür, 67 Prozent dagegen).
  • Die Deutschen würden die Einführung einer Eignungsprüfung für angehende Lehrkräfte begrüßen. Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (86 Prozent) ist dafür, dass Schulabsolventen, die ein Lehramtsstudium aufnehmen möchten, vorab eine Aufnahmeprüfung ablegen müssen, die die pädagogische und fachliche Eignung für den Lehrerberuf feststellt. Bemerkenswert: Unter den Lehrkräften ist der Anteil der Befürworter solcher Aufnahmeprüfungen zwar signifikant geringer, jedoch mit 75 Prozent ebenfalls sehr hoch.
  • Angesichts des Lehrermangels kommen immer mehr Seiteneinsteiger in die Kollegien, also Akademiker ohne Lehramtsstudium. In der Gesamtbevölkerung sind 48 Prozent dafür, dass solche Fachleute Lehrer werden können, 35 Prozent sind dagegen. Unter den Lehrkräften lehnt eine deutliche Mehrheit von 59 Prozent die Möglichkeit zum Seiteneinstieg ab, nur 34 Prozent sind dafür.
  • Ein Reformvorschlag, der sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch unter Lehrern starke Zustimmung findet, ist eine Weiterbildungspflicht für Lehrkräfte. Dem Vorschlag, dass Lehrkräfte dazu verpflichtet werden, fünf Tage pro Jahr an Fortbildungen teilzunehmen, die von den Schulen finanziert werden und während der Unterrichtszeit stattfinden, stimmen rund drei Viertel der Befragten zu. Die starke Zustimmung in der Gesamtbevölkerung von 74 Prozent für Fortbildungen während der Unterrichtszeit ist unter den Lehrkräften mit 78 Prozent sogar noch deutlicher ausgeprägt. Etwas anders sieht das Meinungsbild in der Teilgruppe aus, die bezüglich der gleichen Art von Fortbildungen gefragt wurde, nur dass diese außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden. In der Gesamtbevölkerung liegt die Zustimmung in diesem Fall mit 83 Prozent sogar noch höher. Unter den Lehrkräften fällt die Zustimmung in diesem Fall hingegen mit 68 Prozent geringer aus.
  • Eine überwältigende Mehrheit von 83% der Deutschen spricht sich demgegenüber dafür aus, mit Hilfe von einheitlichen Vergleichstests für alle Schüler zu überprüfen, ob diese in jeder Schule die in den Bildungsstandards deutschlandweit festgelegten Lernziele erreichen. Auch unter den Lehrer spricht sich eine klare Mehrheit von 66 Prozent dafür aus.
  • Grundsätzlich sind 47 Prozent der Deutschen dafür, dass Lehrkräfte ihren Unterricht frei gestalten dürfen, zum Beispiel, welche Lehrbücher sie verwenden, welchen Lernstoff sie festlegen oder nach welchen Kriterien sie die Schüler beurteilen. Unter den Lehrkräften ist mit 56 Prozent ebenfalls die Mehrheit dafür, frei über die Unterrichtsgestaltung entscheiden zu dürfen.
  • Mit 77 Prozent spricht sich eine große Mehrheit der Bürger dafür aus, dass die Ausgaben für Bildung stark steigen oder steigen sollen. Unter den Lehrkräften liegt die Zustimmung für höhere Bildungsausgaben sogar bei 91 Prozent.
  • Wie soll das zusätzliche Geld verwendet werden? 59 Prozent der Deutschen sind für kleinere Schulklassen, 34 Prozent für zusätzliche Lehrmittel und 7 Prozent für höhere Lehrergehälter. Unter den Lehrkräften ist der Wunsch nach kleine­ren Klassen noch stärker ausgeprägt: Sie sind zu 81 Prozent für kleinere Klassen, zu 12 Prozent für höhere Lehrergehälter und zu 6 Prozent für zusätz­liche Lehrmittel.
  • Auf die Frage, welche Schulnote sie den Schulen in ganz Deutschland geben würden, vergeben die meisten Befrag­ten (53%) die Note 3. Während 30% die Schu­len mit der Note 1 oder 2 besser bewerten, sehen 17% die Leistung der Schulen nur bei Note 4, 5 oder 6. Die Lehrkräf­te sind in dieser Einschätzung kritischer – und vergeben seltener die Noten 1 oder 2.
  • Die Schulen vor Ort werden von beiden Gruppen bes­ser bewertet, wobei die Lehrkräfte in diesem Fall signifikant bessere Noten vergeben als die sonstige Bevölkerung: 48% der Lehrkräfte und 42% der Gesamtbevölkerung vergeben die Note 1 oder 2.
  • Der Vor­schlag, generell zu einem Ganztagsschulsystem zu wech­seln, in dem alle Kinder bis 16 Uhr in der Schule sind, wird von 48 Prozent der befragten Bürger befürwortet, 35 Prozent  sind dagegen. Im Gegensatz zur Gesamtbevöl­kerung lehnt eine Mehrheit der Lehrkräfte den generellen Wechsel zu einem Ganztagsschulsystem, in dem alle Kinder bis 16 Uhr in der Schule sind, ab.
  • Eine deutliche Mehrheit von 67 Prozent der Befragten spricht sich dafür aus, dass die Aufteilung der Schüler auf Gym­nasium und andere weiterführende Schularten erst nach der 6. Klasse erfolgt. Auch unter den Lehrern sprechen sich über 60 Prozent dafür aus, dass die Aufteilung der Schüler aufs Gymnasium und andere weiterführende Schularten erst nach der sechsten Klasse erfolgt.
  • Die Hälfte (50 Prozent) der Befragten ist dafür, dass Kinder mit Lernschwäche in Regelschulen (zusammen mit Kindern ohne Lernschwäche) unterrichtet werden und nicht in speziellen Sonder- oder Förderschulen, 34 Prozent sind dagegen. Im deutlichen Gegensatz zur Gesamtbevölkerung sprechen sich fast zwei Drit­tel der Lehrer dagegen aus, dass Kinder mit Lernschwäche zusammen mit Kindern ohne Lernschwäche in Regelschulen statt in speziellen Sonder- oder Förderschulen unterrichtet werden.
  • Schließlich sind auch Lehrer Eltern: Unter den Lehrkräften ist der Wunsch nach einem Hochschulabschluss für ihre eigenen Kinder besonders stark ausgeprägt. Schon unter den Akademi­kern insgesamt präferierten 74 Prozent einen Hochschulab­schluss. Von den Lehrern präferieren sogar 88 Prozent einen Hochschulabschluss und nur 12 Prozent einen beruflichen Ausbildungsabschluss.

Fazit der Autoren: „Interessanterweise gibt es in vielen Bereichen sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch unter den Lehrkräften abso­lute Mehrheiten für grundlegende strukturelle Bildungsrefor­men. (…) Unterschiede in den Meinungen zwischen Lehrkräften und der Gesamtbevölkerung fin­den sich vor allem in Themenbereichen, die die Lehrkräfte selbst und insbesondere ihre Vergütung und Arbeitssituation direkt betref­fen.“ Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zum ifo Bildungsbarometer 2016.

 

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3 Kommentare
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sofawolf
7 Jahre zuvor

Interessant.

sofawolf
7 Jahre zuvor

Ich bin aber mal gespannt, wofür das nun herhalten muss. Mehrheitsmeinungen in anderen Fragen interessieren die Politiker ja auch nicht viel – bzw. je nachdem, ob sie auch so denken oder nicht. Angefangen von den sogenannten Kopfnoten über eine Flüchtlingsobergrenze bis hin zur Wiedereinführung der Todesstrafe.

(Und ich bin natürlich teilweise auch froh, dass nicht jede Mehrheitsmeinung politisches Handeln in Deutschland wird.)

Pälzer
7 Jahre zuvor

Die Umfrage spiegelt wider, dass die politische Agitation der Parteien zur Bildungspolitik zu großen Teilen erfolgreich ist.