Gutachten zu antiisraelischen Inhalten in Hildesheimer Hochschulseminar wird vorgestellt

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HANNOVER. Ein umstrittenes Seminar der Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) hatte schließlich sogar Hochschulpräsidentin Christiane Dienel ihren Job gekostet. Schon mehrere Jahre regte sich die Kritik an vermeintlich antisemitischen Inhalten in einem Seminar zur sozialen Lage palästinensischer Jugendlicher. Am Montag legt nun das vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium beauftragte Institut wein Gutachten zu den Vorwürfen vor. Frage und Antworten zu der Affäre:

Eine Expertise des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung soll klären, ob die Vorwürfe gegen die Hildesheimer Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) berechtigt sind. Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Grüne) wird das Gutachten am Montag vorstellen.

HAWK in Hildesheim: Wurde hier jahrelang ein Seminar mit antisemitischen Inhalten abgehalten? Foto: Reise Reise / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
HAWK in Hildesheim: Wurde hier jahrelang ein Seminar mit antisemitischen Inhalten abgehalten? Foto: Reise Reise / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Woran haben sich die Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Hochschule entzündet?

Das Seminar «Zur sozialen Lage der Jugendlichen in Palästina» wurde seit 2006 von der HAWK angeboten. Kritiker des Seminars wie die Religionspädagogin Rebecca Seidler bemängeln, das verwendete Material zeichne das Bild eines Völkermordes an den Palästinensern, stelle die politischen Aktivitäten Israels plakativ dar und basiere teils auf verschwörungstheoretischen Blogs. So sei es neben Folteropfern in israelischen Gefängnissen auch um angeblichen Diebstahl von Organen durch israelische Streitkräfte gegangen.

Seit wann gibt es die Kritik an dem Seminar?

Immer wieder soll es in den vergangenen Jahren Kritik von Studenten an den Seminarinhalten gegeben haben. Im Juni 2015 schickte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, ein Beschwerdeschreiben an das niedersächsische Wissenschaftsministerium. Im Dezember 2015 legte Schuster einem zweiten Beschwerdeschreiben ein Gutachten der Amadeu Antonio Stiftung bei. Diese kritisierte ein «zutiefst antiisraelisches, in Teilen sogar antisemitisches Weltbild». Im vergangenen Juli schlug die von der Hochschule als Lehrbeauftragte angefragte Rebecca Seidler in einem Gespräch mit der «Jüdischen Allgemeinen» Alarm. Das brachte die Sache öffentlich ins Rollen.

Wie reagierten das Wissenschaftsministerium und die Hochschule auf die Vorwürfe?

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Bereits nach dem ersten Beschwerdebrief des Zentralrats im Sommer 2015 bat das Wissenschaftsministerium die HAWK um eine Stellungnahme. Laut Heinen-Kljajić sagte die Hochschule daraufhin zu, eine Neujustierung des Lehrangebots vorzunehmen. Doch erst nach massiver, anhaltender Kritik aus der jüdischen Gemeinschaft wurde das Seminar im August zum Wintersemester 2016/17 abgesetzt. Im September trat die verantwortliche Dekanin Christa Paulini zurück. Vor zehn Tagen nahm schließlich Hochschulpräsidentin Christiane Dienel ihren Hut.

Welche internationale Resonanz gab es auf den Fall?

Im Juli bezeichnete der Sprecher des israelischen Außenministeriums in der «Jerusalem Post» die Hildesheimer Hochschule als «Hassfabrik». Das American Jewish Committee zeigte sich Ende Oktober in einem offenen Brief an Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) besorgt über antisemitische Tendenzen in Niedersachsen. Dabei nahm die Organisation Bezug auf das Seminar an der HAWK und nahm außerdem Anstoß an einer Ausstellung zur palästinensischen Vertreibung an der Uni Göttingen.

Welchen Zweck hat das Gutachten des Zentrums für Antisemitismusforschung?

Das Wissenschaftsministerium hat bei den international renommierten Forschern in Berlin eine Stellungnahme zu der Frage angefordert, ob der Antisemitismus-Vorwurf berechtigt ist. Dafür wurden nicht nur das Lehrmaterial, sondern auch die Konzeption und die Umsetzung des Seminars berücksichtigt. «Das Gutachten soll auch Aufschluss darüber geben, was künftig ein geeigneter Rahmen für ein Lehrangebot zur Nahost-Thematik sein kann», sagte Ministeriumssprecher Jan Haude. (Doris Heimann, dpa)

• zum Bericht: Hildesheimer Dekanin nach Antisemitismus-Vorwürfen zurückgetreten

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7 Kommentare
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Pälzer
7 Jahre zuvor

Endlich!

Ludger
7 Jahre zuvor

Amadeo Antonio Stiftung als Quelle eines Gutachtens?
Bei Fehlerquoten von 80 bis 100 % wäre eine Münzwurfentscheidung ja noch treffsicherer. Ein Schelm wer böses denkt dabei…

http://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/mitte/20960978_Hohe-Fehlerquote-in-Statistik-ueber-Angriffe-auf-Fluechtlinge-in-Bielefeld.html

Pälzer
7 Jahre zuvor
Antwortet  Ludger

In diesem Fall aber deckte sich das Ergebnis der Amadeo-Antonio-Stiftung mit dem, was Studenten seit vielen Jahren kritisierten und mit den Protesten jüdischer Vertreter. Angesichts dieser Bestätigungen von vielen Seiten kann man die antisemitischen Inhalte schwerlich „vermeintlich “ nennen, oder?

Gerd
7 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

Man darf nicht auf jeden Furz von irgendwelchen Interessenvertretern hören. Dann dürfte man sich gar nicht mehr bewegen und die Politik wäre gelähmt. Außerdem sind Interessenvertreter und irgendwelche Gesellschaften ständig über irgendetwas empört….mal weil eine Mauer oder Straße im Weg ist und dann mal wieder weil irgendwo ein Vogel tot vom Baum fällt.

Pälzer
7 Jahre zuvor
Antwortet  Gerd

wie gesagt, im vorliegenden Fall gab es über viele Jahre immer und immer wieder Proteste von Studenten, die die Lehrinhalte der (nicht akademisch qualifizierten!) Dozentin als eindeutig indoktrinierend und unsachlich benannten. Sie konnten dem Pflichtseminar aber nicht ausweichen, und die Leitungsgremien ignorierten die Warnungen. Erst nach dem Weg über die Presse kam die Untersuchung ins Rollen. Ihre Bewertung als „Furz“ und die Abqualifizierung mittels „irgendwelche“ kann ich da nicht nachvollziehen.

realo
7 Jahre zuvor
Antwortet  Pälzer

@Gerd
Ich bin wahrlich kein Freund der fragwürdigen, mit Steuergeld gepäppelten Amadeo-Antonio-Stiftung und ihrer vorsitzenden Ex-Stasi-Mitarbeiterin Aneta Kahane. In diesem Fall bin ich aber auch der Meinung, dass die Antisemitismus-Vorwürfe unbedingt geprüft werden müssen. Das „Seminar zur sozialen Lage palästinensischer Jugendlicher“ kommt mir doch sehr verdächtig vor, wobei ich auf das Gutachten der Amadeu Antonio Stiftung wenig gebe.
Es spielt bei meinem Argwohn keine Rolle, weil Frau Kahane und ihre Mitarbeiter sehr denunzierfreudig sind und gern alles unter Rassismus- und Extremismusverdacht stellen, was nicht ihrer Meinung entspricht.
Bei diesem Hochschulseminar scheinen sie aber nicht daneben zu liegen, denn Studenten haben schon jahrelang dasselbe kritisiert und auch der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, schickte bereits ein Beschwerdeschreiben an das niedersächsische Wissenschaftsministerium.
Vergessen Sie in diesem Fall die Amadeo-Antonio-Stiftung. Was sie sagt, ist auch für mich irrelevant.