Jetzt ist es (quasi) amtlich: Lehrer ist ein Frauenberuf! Die letzte Männerbastion – das Gymnasium – ist gefallen

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DÜSSELDORF. Die Meldung ist ziemlich zahlenlastig und kommt dementsprechend etwas spröde daher – der Inhalt hat’s aber in sich: „Von den 154.010 hauptamtlichen Lehrkräften an den allgemeinbildenden Schulen in Nordrhein-Westfalen waren im Schuljahr 2015/16 mehr als ein Viertel Männer“, so teilt die amtliche Statistikstelle des Landes mit. „Nur noch“ – so müsste es korrekterweise heißen. Denn noch nie war der Anteil der Frauen in den Kollegien so hoch wie heute. Auch die letzte Männerbastion, das Gymnasium, ist mit fast 60 Prozent (in NRW, aber auch bundesweit) mittlerweile deutlich überwiegend in weiblichen Händen. Ist das eigentlich ein Problem?

Lehrer wird immer mehr zum Frauenberuf. Foto: Aunti P / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Lehrer wird immer mehr zum reinen Frauenberuf. Foto: Aunti P / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Gerade am Gymnasium lässt sich die „Geschlechtsumwandlung“ der Schule in der vergangenen Dekade am eindrucksvollsten ablesen: Dort waren Männer vor zehn Jahren noch knapp in der Überzahl, zumindest in Nordrhein-Westfalen. Mittlerweile sind die Stellen an allen Schulformen im bevölkerungsreichsten Bundesland mehrheitlich von Frauen besetzt: An den Hauptschulen des Landes etwa sank die Männerquote binnen zehn Jahren von 39,8 auf 32,9 Prozent. An den Grundschulen des Landes sind Männer mittlerweile Exoten; ihr Anteil verringerte sich zwischen den Schuljahren 2005/2006 und 2015/2016 von 10,9 auf 8,7 Prozent. Über alle Schulformen hinweg ist der Anteil der männlichen Lehrkräfte gegenüber dem Schuljahr 2005/06 von 32,9 Prozent um fünf Prozentpunkte auf 27,9 Prozent gesunken.

Der Zahlen sind in etwa bundesweit übertragbar. Das Statistische Bundesamt teilte im April mit: Fast drei Viertel der Lehrer (72 Prozent) im Schuljahr 2014/2015 waren weiblich – deutlich mehr als vor zehn Jahren (67 Prozent). An Grundschulen waren im Schuljahr 2014/2015 89 Prozent der Lehrer weiblich, an den Hauptschulen 63 Prozent und an den Gymnasien 58 Prozent.

Jungen fallen ab – sind die Frauen schuld?

Ist der Frauenüberschuss in den Kollegien womöglich verantwortlich für die im Schnitt schlechteren Schulleistungen von Jungen? Wohl nicht: In einem Festvortrag bei der akademischen Abschlussfeier für die Absolventen der Lehramtsstudiengänge im vergangenen Jahr legte die Inhaberin des Lehrstuhls für Grundschulpädagogik an der Universität Würzburg, Prof. Margarete Götz, anhand historischer Befunde dar, dass Mädchen schon früher besser in der Schule waren als Jungen. Und zwar auch schon zu Zeiten, als von einem zu hohen Frauenanteil an Schulen keine Rede sein konnte. So schnitten im Jahr 1878 die Mädchen unter den insgesamt 9.000 Prüflingen der Primarschulen der deutschsprachigen Schweiz besser ab als die Jungs. Götz: „Damals war die Schule noch fest in der Hand der Männer.“

Die Abiturientenquote war bei Mädchen 1981 erstmals höher war als bei Jungen. Bis 1989 blieb dieser Vorsprung nahezu konstant, danach vergrößerte er sich stetig. 2007 machten etwa 30 Prozent aller Mädchen eines Altersjahrgangs das Abitur, bei den Jungen waren es nur rund 21 Prozent. Ob ein Junge oder Mädchen in der Schule gut oder schlecht ist, das liege an vielen Faktoren. Jedoch garantiert nicht am Geschlecht der Lehrkraft (was tatsächlich mehrere Studien bestätigt haben, die die Leistungen von männlichen Schülern untersuchten, die vorwiegend von Männern unterrichtet wurden – ohne Effekt). Tatsache ist Götz zufolge allerdings, dass Frauen heute die Schule dominieren. In jedem Bundesland gibt es insgesamt deutlich mehr Lehrerinnen als Lehrer. Götz: „Der Lehrberuf ist heute eine Domäne der Frauen.“

Der Blick zurück in die Geschichte zeigt laut Pressemitteilung der Universität eine insgesamt spannende Entwicklung auf. So eröffnete der Lehrberuf nach der Mitte des 19. Jahrhunderts für unverheiratete Frauen einen Weg, sich außerhalb ihrer Familie eine Existenz aufzubauen. Dieser Weg war begehrt, denn es gab einen Männermangel und damit, wie man damals sagte, eine „Jungfernproblematik“. Allerdings: In höheren Schulen durften Frauen nicht unterrichten. Sie waren auf die niederen Volksschulen und die unteren Klassen der höheren Mädchenschule beschränkt. Um auf einem Gymnasium unterrichten zu dürfen, musste man studiert haben. Das Studium war Frauen jedoch untersagt – mit Argumenten, die mindestens so haltlos waren, wie die heute an Frauen gerichteten Schuldzuschreibungen, was die Bildungsmisere der Jungen anbelangt – so Götz.

Erst seit Ende 1903 ist Frauen in Deutschland das Studium erlaubt. Wobei das Verbot, zu studieren, nur eines von vielen Hemmnissen für Frauen war. Lehrerinnen, die sich zur Heirat entschlossen, handelten sich dadurch quasi ein Berufsverbot ein. „Denn es gab das sogenannte ‚Lehrerinnenzölibat’“, erläuterte Götz. Lehrerinnen mussten bis in die 1950er-Jahre hinein ledig sein. Hintergrund: Nicht zu viele Männer sollten aus den Kollegien gedrängt werden. Das hat allerdings nicht lange funktioniert. Von 1965 bis 2007 stieg der Frauenanteil unter den Lehrkräften von rund 46 auf 69 Prozent.

Auch die akademische Abschlussfeier an der Uni Würzburg war übrigens weiblich dominiert: Von den fünf Prüfungsbesten waren drei Frauen. Agentur für Bildungsjournalismus

Zum Bericht: Studie: Von Chancengerechtigkeit keine Spur! Frauen erhalten trotz besserer Noten seltener Stipendien

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A.
7 Jahre zuvor

Na dann, herzlich willkommen im Velvet Ghetto.

PeterPan314
7 Jahre zuvor

Oh man, wieder so ein Artikel, der größtenteils aus Phrasen, die vordergründig wissenschaftliche erscheinen, besteht.
„Letzte Männerbastion“ ist ja schon der Anfang – als wären die Gymnasien ein elitärer Männerverein gewesen, den es einzunehmen galt, weil die Männer ihn bis aufs Blut verteidigt haben.
Objektiv betrachtet hat der Männeranteil an allen Schulformen abgenommen.
Objektiv betrachtet sind die Leistungen von Jungen in den einzelnen Schulformen immer schlechter geworden.
Dieser Artikel versucht vorsorglich die Frage nach einem Zusammenhang zu verneinen, aber bleibt dabei meiner Ansicht nach auf der Strecke.
1. Der Umstand, dass im Jahr 1878 der weibliche Anteil von 9000 Prüflingen der Primarschulen der deutschsprachigen Schweiz „besser“ war, ist kein tragbares Argument. War das eine für ganz Deutschland rerpäsentative Gruppe? Was heißt denn „besser“? Solche Anekdoten dienen eher der Unterhaltung als Mittel in einer Diskussion.
2. Es ist ein Fakt, dass Jungen in Grundschulen bei gleichen Leistungen durchschnittlich schlechtere Noten erhalten. Weiterhin erhalten sie bei gleichen Noten seltener eine Empfehlung für ein Gymnasium. Dieser Umstand wird aber ignoriert. Eine GEW-Studie sagt sogar, dass es sich hier um ein Jungen-Problem handelt, da sie eine falsche Einstellung zur Schule und zum Arbeiten besitzen.
3. Während die Interessen von Mädchen anders sind als die von Jungs wird die unter 2. genannte Einstellungen von Jungen hingenommen, aber die Einstellungen von Mädchen zu MINT-Fächern zum Anlass genommen den Unterricht nachhaltig zu beeinflussen – warum geschieht das im System der Grundschulen für Jungen nicht?
4. Die Studien zur Untersuchung vom Einfluss von männlichen und weiblichen Lehrkräften auf das Verhalten von Kindern in Grundschulen ziehe ich in diesem Zusammenhang in Zweifel. Wie kann man bitte die Leistungsentwicklung von Jungen an Grundschulen ohne männliche Lehrkräfte mit der von Jungen an Grundschulen mit wenigen männlichen Lehrkräften vergleichen? Wie soll man so darauf schließen, ob ausschließlich männliche Lehrkräfte vielleicht zu einer positiveren Entwicklung von Jungen führen?
Die bereits erwähnte GEW-Studie stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Männer an Grundschulen kontraproduktiv sind, weil sie ein schlechtes Rollenvorbild darstellen können. Warum gilt das für Frauen nicht?
5. „Die Abiturientenquote war bei Mädchen 1981 erstmals höher war als bei Jungen. Bis 1989 blieb dieser Vorsprung nahezu konstant, danach vergrößerte er sich stetig.“
Mmmmhhh, das ist ja wirklich ein Zufall. In diesem Zeitraum änderte sich die „Frauenquote“ an weiterführenden Schulen nicht. Vorher nahm sie zu und anschließend nahm sie wieder zu.

Es stellt sich besonders im Hinblick auf 4. und 5. die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen dem Frauenanteil an Schulen und den schlechteren Leistungen von Jungen besteht, da die erwähnten Argumente nicht so „haltlos“ sind, wie der Artikel es selbst so haltlos schildert.
Unabhängig vom Frauenanteil sollte aber wirklich einmal über eine Möglichkeit diskutiert werden, die Leistungen von Jungen (besonders im Grundschulbereich) zu verbessern, denn die Tatsache der schlechteren Leistungen von Jungen im Schulsystem lassen sich nicht durch Relativierung ignorieren, während man die Mädchenförderung immer weiter vorantreibt, obgleich die Mädchen die Jungen bereits lange überholt haben.

Hein Meyer
3 Jahre zuvor

Ist doch nicht schwer zu verstehen, sofern man nicht in der Glasglocke ewigen Lehrertums (Schule-Uni-Schule) lebt: Schule ist als Gesamtsystem stark weiblich und stark strukturell links geprägt, wirtschaftskonforme Einflussnahme kommt langsam und stetig dazu – wie ja von der deutlichen Mehrheit der Gesellschaft so gewünscht und (politisch) gewählt. Lehrer sein macht für heterosexuelle, ihr Leben rational (statt an Wunschträumen/Ideologie) ausrichtende Männer nur ab A12/13 Sinn, wenn überhaupt. Fällt also einiges an Schule schon raus – denn im PRIVATEN, da wo es persönlich wird – da nimmt eben auch die attraktive Verkäuferin, Handwerkerin oder Lehrerin den Kerl, der es bringt (mindestens anständiges Geld). Leistungsdenken, (faire) Konkurrenz, viel (kognitiv anspruchsvollen) Stoff schaffen wollen statt Fühlifühli, FFF-Emotion mit Blaumachen und „Steffi, was macht das Gedicht mit Dir?!?!“ ist schon grenzwertig bis verdächtig, GERADE wenn die Schüler einen dann auch noch mögen. Also entsteht logischerweise eine strukturelle Anziehungskraft in der Masse für Frauen und (keine Abwertung intendiert) eher weiblich-emotionale, einfühlsame Männer. Letztere sind aber überflüssig, kann man auch gleich Frauen einstellen, die können Bemuttern, emotiv arbeiten usw. meistens schon qua Sozialisation und persönlicher Neigung besser. Die reine Anwesenheit körperlicher Männer macht Schule ausserdem weder besser noch schlechter. Wozu also die gelegentlich aufflammenden Pseudodebatten darum? Wenn da vorne am Pult ein körperlicher Mann steht, der aber redet und sozial handelt wie eine Frau – ist „der“ als Bezugsperson oder persönliches Vorbild für z. B. Jungen halt auch nicht sonderlich relevant.

Sven Stemmer
1 Jahr zuvor

Der Frauenanteil unter den Lehrerinnen ist gerade im letzten viertel Jahrhundert stark angestiegen. Gleichzeitig gehen die Leitsungen und auch die Ausbildungsfähigkeit der Schüler in den Keller. Ganz besonders stark betroffen sind Jungen, die mit ihren Bedürfnissen immer weniger eine Rolle spielen.

Könnte es da vielleicht einen kausalen Zusammenhang geben?