Krieger, Kind, Magier und König: Diese Eigenschaften der Persönlichkeit braucht jeder Lehrer – ein Erfahrungsbericht

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OLCHING. Vor einigen Jahren steckte ich in einer Krise hinsichtlich meiner Motivation als Lehrer und ich befürchtete, ein Burn-out zu bekommen. Ich hatte das Gefühl, dass mir als Pädagoge, gerade im Umgang mit Jungen, noch etwas Entscheidendes fehlte. Erst als ich auf die US-amerikanische „School of lost Borders“ stieß, fand ich einen überzeugenden pädagogischen Ansatz, der mir die Augen öffnete und mir neue Motivation als Lehrer gab.

Peter Maier ist Gymnasiallehrer in Bayern. (Foto: privat)
Unser Autor Peter Maier ist Gymnasiallehrer in Bayern. (Foto: privat)

Ausgehend von einer ethnologischen Betrachtung des Menschen als ein universelles Gesamtsystem hat Gründer Steven Foster vier menschliche Seins-Ebenen oder Wesenseigenschaften und vier entsprechende Archetypen auf einen Kreis projiziert, der wie bei einer Windrose die vier Himmelsrichtungen enthält. Jeder Richtung kann demnach eine Seins-Ebene und ein Archetyp zugeordnet werden. Archetypen kann man vereinfacht als „Seelenprägungen““ oder Seelenfiguren“ bezeichnen.16skizze2

Der Süden im Lebensrad: das (Innere) Kind

Als archetypische Figur gehört das „Kind“ in den Süden. Die Psychologie bezeichnet diesen Seelenaspekt auch als „Inneres Kind“. Ein Kind ist spontan, lebensfroh, natürlich, unbewusst, lebendig.

Man kann nur hoffen, dass jeder Pädagoge, egal wie alt er bereits ist, nicht nur rational, kontrollierend, nüchtern oder berechnend agiert und lebt, sondern sich ein Stück Kindheit bewahrt und sein „Inneres Kind“ stets zur Verfügung hat. Denn nur so kann er als Erwachsener auf die kindliche Ebene „switchen“, wenn es passend und im Unterricht notwendig ist. Er kann seine Schüler dort abholen, wo sie sich gerade geistig und vor allem emotional befinden und immer wieder spielerische Elemente in seinen Unterricht einbauen.

Der Westen im Lebensrad: der Krieger

Als Archetyp wird im Modell des Lebensrades der „Krieger“ im Westen angesiedelt. Er ficht für uns die inneren und manchmal auch äußeren Kämpfe aus, kämpft – vor allem in uns selbst – mit Dämonen, Zauberern und bösen Drachen, die unsere eigene Schattenseite symbolisieren, um schließlich den Schatz oder den Gral zu finden oder eine Prinzessin zu befreien. Viele Märchen und Mythen handeln genau davon. Der Krieger ist in der Lage, eine nach einem psychischen Wachstumsprozess zu eng gewordene alte Haut abzustreifen und uns durch eine Metamorphose zu einer neuen Identität und Authentizität als nun Erwachsener zu geleiten.

Der Krieger ist nötig, wenn gerade in wilden Pubertätsklassen Grenzen gesetzt werden müssen. Hier benötigen die Schüler bisweilen Orientierung und klare Ansagen und kein zu „softes Säuseln“. Der Lehrer muss also jeder Zeit seine Kriegerkraft zur Verfügung haben, um sich den nötigen Respekt bei Schülern zu verschaffen.

Der Norden im Lebensrad: der König

Im Norden des Lebensrades „wohnt“ der Archetyp des „Königs“ in uns, der mit Verantwortung, Umsicht und Würde handelt. Hier ist die mentale und systemische Ebene beheimatet. Beim König geht es um die Rolle des verantwortlichen, sorgenden und disziplinierten Erwachsenen in uns selbst. Jeder wirklich Erwachsene könnte daher als ein „König“ oder als „sein eigener König“ bezeichnet werden.

Zur Königsaufgabe des Lehrers gehört es, Fachunterricht zu erteilen, stets den Überblick über seine Klasse zu bewahren, schwächere Schüler zu fördern, Außenseiter mit einzubeziehen, Mitgefühl zu zeigen und bei der Persönlichkeitsentwicklung, Charakterbildung und Werteerziehung der Jugendlichen aktiv mitzuwirken.

Der Osten im Lebensrad: der Magier

Dem Osten schließlich ist die magisch-spirituelle Ebene im Menschen zugeordnet. Daher kann man hier den Archetyp des „Magiers“, den weisen Teil in unserer Seele, finden, der sich über das planende und ordnende Denken des Königs erhebt und darüber hinauswächst. Der Magier bringt das Unerwartete, Überraschende, Intuitive, Kreative und Spirituelle in unseren Alltag, der sonst allein durch den Verstand dominiert wird. 

Man kann den Lehrerberuf auf Dauer nur dann positiv gestalten, wenn man als Pädagoge in der Lage ist, seine Schüler – einem Magier gleich – immer wieder zu verzaubern: indem man ihnen seine Fächer begeisternd nahebringen, sie für Projekte motivieren oder für soziale Aufgaben gewinnen kann. Peter Maier (Gymnasiallehrer, Jugend-Initiations-Mentor und Autor)

Weitere Informationen: www.initiation-erwachsenwerden.de

Bücher des Autoren

(1) „Initiation – Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Band I: Übergangsrituale“ ISBN 978-3-86991-404-6 (epubli-Verlag Berlin)

(2) „Initiation – Erwachsenwerden in einer unreifen Gesellschaft. Band II: Heldenreisen.“ ISBN 978-3-86991-409-1 (epubli-Verlag Berlin)

(3) „Schule – Quo Vadis? Plädoyer für eine Pädagogik des Herzens“. ISBN: 978-3-95645-659-6 (epubli-Verlag Berlin) 

Weitere Texte des Autoren auf news4teachers.de

Gastbeitrag: Aufwachsen in einer unreifen Gesellschaft – warum Jugendliche Mutproben brauchen

Gastbeitrag: Acht Gründe, warum Jungen das schwache Geschlecht in der Schule sind – und was wir dagegen tun können

Gastbeitrag: Schule unter Reformdruck – Plädoyer für eine Pädagogik des Herzens

Hintergrundinformationen 

„Archetypen“ ist ein Begriff aus der Jungianischen Psychologie. Vereinfacht sind sie als „Seelenprägungen“ oder „Seelenfiguren“ zu bezeichnen. Reichhaltig sind Archetypen als psychische Qualitäten im großen Schatz europäischer Märchen und Mythen zu finden. Der Etnologe und Psychologe Steven Foster hat daraus vier fundamentale Archetypen herausgearbeitet und sie in einem Kreis angeordnet, der zugleich als sogenanntes „Lebensrad“ die Ganzheit der menschlichen Persönlichkeit abbilden will: das „Kind“, den „Krieger“, den „König“ und den „Magier“. Natürlich müssen diese Archetypen für die weibliche Psyche als „Kriegerin“, „Königin“ und „Magierin“ bezeichnet werden. Diese Archetypenlehre kann als sehr passendes Modell für die Bewusstmachung, Beschreibung und Deutung der Lehrerpersönlichkeit dienen.

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ysnp
7 Jahre zuvor

Der Gastbeitrag von Peter Maier „Schule unter Reformdruck – Plädoyer für eine Pädagogik des Herzens“ – (gegen eine Digitalisierung der Schule) gefällt mir persönlich vom Autor am besten und auf jeden Fall lesens- und nachdenkenswert. Mit den Archetypen kann ich jetzt nicht so viel anfangen, die finde ich überzeichnet.