Ambitioniert oder Träumerin? Ministerin peilt 100-prozentige Unterrichtsversorgung an – und meint: fast erreicht. Verbände: Quatsch!

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MAINZ. Trotz der vielen Flüchtlingskinder in den Schulen bleibt die Unterrichtsversorgung an den Schulen in Rheinland-Pfalz stabil – auf dem Papier jedenfalls. Ministerin Hubig spricht von einem Etappensieg auf dem Weg zur 100-prozentigen Versorgung. Gewerkschaften und CDU kritisieren hingegen die Schulstatistik und sprechen von Schönfärberei und Verschleierung.

Trotz Schuldenbremse und höherer Schülerzahlen als lange erwartet hält Rheinland-Pfalz am Ziel einer 100-prozentigen Unterrichtsversorgung fest. Im laufenden Schuljahr werde an den allgemeinbildenden Schulen eine Versorgung von 98,5 Prozent erreicht, sagte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) am Donnerstag in Mainz. Im vergangenen Jahr waren es 98,6 Prozent. «Wir sind froh und auch ein bisschen stolz, dass wir das gut hinbekommen haben», sagte Hubig mit Hinweis auf die Zuwanderung vieler Flüchtlingsfamilien im vergangenen Jahr. Dies sei ein wichtiger Etappensieg zum Ziel der 100-prozentigen Versorgung.

Das Bildungsministerium berechnet die Unterrichtsversorgung unter Einbeziehung sowohl des Pflichtunterrichts als auch von Wahlangeboten. Für den Fall, dass bei Krankheit oder Schwangerschaft ein Unterrichtsausfall droht, hat das Land seinen Pool an Vertretungslehrern vergrößert. Dieser wird zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres Anfang Februar 2017 um 200 auf 1000 Stellen aufgestockt.

Das Land hat in diesem Schuljahr 270 Lehrerstellen neu eingerichtet. Im vergangenen Schuljahr gab es an den allgemeinbildenden Schulen insgesamt 40.309 Lehrer; die aktuelle Zahl liegt noch nicht vor.

Seit 2004/05 sind die Schülerzahlen stetig gesunken. In diesem Schuljahr aber blieb die Zahl der Schüler nach vorläufiger Berechnung mit 417 289 erstmals seit zwölf Jahren stabil. Die Grundschulen unterrichten 2900 Kinder mehr als vor einem Jahr, bei den Integrierten Gesamtschulen sind es 2400 mehr. Rückläufig ist die Entwicklung weiter bei Gymnasien (minus 3100) und Realschulen plus (minus 2400). Die mittlere Klassengröße ist in den Grundschulen leicht gestiegen auf 18,5 Kinder, in den Realschulen plus (22,4) und Gymnasien (25,7) leicht gesunken.

Sprachförderung erhalten rund 8500 Schüler, unter ihnen auch Geflüchtete. Hierfür werden in diesem Schuljahr 565 Deutsch-Intensivkurse mit 10 bis 20 Wochenstunden angeboten. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund nahm nach Angaben des Statistischen Landesamts von 17,4 auf 19,4 Prozent zu.

Rheinland-Pfalz’ neue Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) ist bislang noch nicht als Bildungsexpertin hervorgetreten. Foto: Olaf Kosinsky / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Rheinland-Pfalz’ neue Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) ist bislang noch nicht als Bildungsexpertin hervorgetreten. Foto: Olaf Kosinsky / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Die Integration der neu nach Rheinland-Pfalz gekommenen Kinder und Jugendlichen nannte Bildungsministerin Hubig ebenso als Ziel wie die Zukunftsfähigkeit der Schulen und gleiche Bildungschancen für alle. Ihr liege es besonders am Herzen, «dass die Qualität des Unterrichts gut bleibt, dass sich die Schulen pädagogisch weiterentwickeln».

Die Lehrergewerkschaft GEW warf dem Bildungsministerium «Schönfärberei» vor. Hemmschuh sei die Sparpolitik des Landes, sagte der GEW-Landesvorsitzende Klaus-Peter Hammer. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE), der vor allem Grundschullehrer vertritt, bezeichnete die Unterrichtsversorgung als unbefriedigend und lückenhaft. Das vom Ministerium vorgelegte Zahlenwerk verschleiere die Schulwirklichkeit. Die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Anke Beilstein, kritisierte die angekündigte Streichung von 310 Lehrerstellen als «Nackenschlag für die Lehrer und Schulleiter».

Die bis Ende der Legislaturperiode geplante Stellenkürzung soll ein Beitrag zur Konsolidierung des Landeshaushalts sein, der nach gesetzlicher Vorgabe bis 2020 ausgeglichen sein muss. Dabei will das Ministerium Möglichkeiten erkunden, um Strukturen im Schulsystem effizienter zu gestalten. So könnten etwa Leistungskurse von benachbarten Schulen mit wenigen Teilnehmern zusammengelegt werden. Denkbar ist auch die Schließung von kleinen Grundschulen, wobei das Ministerium aber am Grundsatz «Kurze Beine, kurze Wege» festhalten will. dpa

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