Die Politik plant die digitale Bildung – die Realität in den Schulen ist davon (noch) weit entfernt

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HANNOVER. Die Kultusministerkonferenz und das Bundesbildungsministerium treiben zwar die Digitalisierung der Schulen voran; schon ab dem übernächsten Schuljahr sollen allerorten digitale Kompetenzen vermittelt werden – vor Ort sieht es aber vielfach noch krass anders aus: Verstaubte Computerräume oder schwaches WLAN prägen das Bild. Welche Hindernisse auf dem Weg zur digitalen Bildung zu überwinden sind, das macht dieser Bericht aus Niedersachsen anschaulich.

Die Ausstattung vieler Schulen mit digitaler Technik ist nicht einsatzfähig (Symbolbild). Foto: Santeri Viinamäki / flickr (CC BY 2.0)
Die Ausstattung vieler Schulen mit digitaler Technik ist nicht einsatzfähig (Symbolbild). Foto:
Santeri Viinamäki / flickr (CC BY 2.0)

Gerade nach einem Auslandaufenthalt springt Schülern hier oft ein Nachholbedarf in Sachen modernes Lernen ins Auge: Während an so mancher Schule etwa in Australien jeder Schüler über ein modernes Laptop verfügt, sammelt der Lehrer in Hannover weiterhin Kopiergeld ein. Zwar hat Niedersachsen große Pläne zur Digitalisierung der Klassenzimmer, oft hapert es aber noch bei der Umsetzung. Die WLAN-Anbindung der Schulen gerade auf dem Land ist schwach oder Lehrer dürfen Fortbildungen nicht besuchen, weil sie sonst im Unterricht fehlen. Oder die moderne Technik bleibt ungenutzt, weil es keine Updates und Administratoren gibt.

Um die Digitalisierung in der Schule voranzubringen, hat Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) ein fünf Milliarden Euro schweres Programm unter Mitwirkung der Länder angekündigt. Niedersachsen will die Finanzspritze vor allem für die Verbesserung der IT-Infrastruktur der Schulen nutzen – sowie einer Verbesserung der Breitband- und WLAN-Anbindung, damit die Schüler überhaupt ins Netz kommen.

Darf Wanka überhaupt fünf Milliarden Euro für Digitale Bildung ausgeben? Wenn ja: Warum nicht auch für marode Schulgebäude?

«Es gibt immer noch Schulen, die haben einen verstaubten Computerraum», sagt der Referent für Medienkompetenz der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM), Lorenz Preuß. Mit sechs Multimediamobilen kümmert sich die Medienanstalt seit 2002 darum, Lehrern und Schülern moderne Medien und ihre Nutzung näher zu bringen. 3000 Lehrer und 2000 Schüler qualifizierte sie im vergangenen Jahr. Oft hängt es laut Preuß noch vom Engagement einzelner Lehrer ab, wie weit Schulen bei den Themen Digitalisierung und moderne Medien sind. «Das kostet Zeit, aber bereichert und erleichtert den Unterricht.» Ein per Smartphone erstelltes Erklärvideo etwa steigert die Medienkompetenz – und hilft, ein Matheproblem zu begreifen.

Die KMK drückt bei der digitalen Bildung aufs Tempo: Die Schulen in Deutschland sollen ab 2018/1019 Computer-Kompetenzen vermitteln

Mit einer Vielzahl von Ansätzen bemüht sich das  niedersächsische Kultusministerium darum, dass die Digitalisierung in den Schulen schnell Fuß fasst. In den Lehrplänen wird die Medienbildung für alle Fächer festgeschrieben und Schulen erhalten Unterstützung bei der Umsetzung sowie für eigene Konzepte. Angehende Lehrer sollen besser qualifiziert und altgediente fortgebildet werden. Es gibt Pilotprojekte zur Erprobung digitaler Schulbücher und eines Unterrichts per Videokonferenz für die Inselschulen.

Und mittelfristig sollen alle Schüler an weiterführenden Schulen im Unterricht mit mobilen Endgeräten arbeiten. Wie eine Ministeriumssprecherin erklärte, sei die Idee aber nicht, die Schulen zentral mit Geräten auszustatten. Vielmehr könnten die Schüler ihre privaten Tabletts mitbringen. Dies stößt auf Kritik der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). In diesem Fall nämlich entscheide die Finanzkraft der Eltern mit über die Ausstattung der Schüler.

Angebote zur Fortbildung seien schön und gut, interessierte Lehrer könnten mitunter aber nicht teilnehmen, weil die Schulen dies nicht genehmigten, sagte die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth. Die Lehrer fehlten sonst im Unterricht. Alle Bemühungen zur Digitalisierung scheiterten manchmal an einer schlechten Netzanbindung, wenn viele Schüler zugleich online gehen wollten, breche das Netz zusammen. Medienreferent Preuß sieht Handlungsbedarf: «Medien sind in allen Bereichen des Lebens selbstverständlicher Bestandteil. Das muss Schule wieder stärker erkennen.»

Philologenverband: Wirksamkeit nicht belegt

Bei der Einführung neuer Technologien hinke die Schule traditionell hinterher, erklärte der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Horst Audritz. «Das galt für Sprachlabors, für Rundfunk, Fernsehen und Video im Unterricht, das gilt auch für neue Kommunikationsmittel und Präsentationsmedien wie Whiteboards oder Smartboards.»

Die technische Entwicklung verlaufe schneller als der bürokratische Prozess, der mit der Einführung neuer Medien in der Schule verbunden sei – angefangen bei der Beschaffung bis hin zu neuen Lehrplänen und der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften. «Wenn Schüler die neueste Smartphone-Generation nutzen, hat noch nicht einmal jede Schule eine WLAN-Anbindung.»

Zwar müsse die Schule auf der Höhe der Zeit sein, auch technisch, zugleich müsse sie die Schüler aber zur bewussten Nutzung und zum kritischen Denken erziehen, meint Audritz. Nachgewiesenermaßen würden die Leistungen der Schüler nicht besser durch den Einsatz digitaler Medien. Im Gegenteil zeigten eine Reihe von Studien, dass der Einsatz digitaler Medien gerade schwache Schüler noch weiter schwäche. Abgesehen davon, dass die unbemerkte Handynutzung vom Unterricht ablenke und die Konzentration fehle.

Auch das ist offenbar noch ein zentrales Hindernis auf dem Weg zur digitalen Bildung: die fehlende Bereitschaft mancherorts, sich darauf einzulassen. Von Michael Evers, dpa

Endlich! Die Schulen stehen vor der digitalen Revolution – Wankas Milliardenpaket macht’s möglich

 

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2 Kommentare
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Peter Walden
7 Jahre zuvor

Ich bin schon gespannt auf den digitalen Rohrkrepiere., Mit einem Taschenrechner und etwas Marktkenntnis wird nicht nur unser Mittelstand feststellen, dass für 5 Mrd. € in 40.000 dt. Schulen nur die billigste IT gekauft werden kann und die wird weder in Deutschland gefertigt noch werden die durch Großausschreibung beauftragten Konzerne dafür Steuern hierzulande zahlen. Geiz scheint geil.
Viel interessanter ist, wie mindestens 16 „unkoordinierbare“ Bildungssysteme ihre tayloristische Zettelbeschrifter-Bildung in effiziente Lernprozesse umbauen wollen? Bis die ersten von flüssig englisch sprechenden Schülern programmierte Roboter die Wirtschaftsvertreter in den Schulhäusern begrüssen werden, dürften noch einige Schüler-Generationen vergehen… Quo vadis Germania? http://4L8.de/zd-b/

Sönke Kirsch
7 Jahre zuvor

Die Digitalisierung der Schulen ist so ziemlich die beste Möglichkeit, um bildungsmäßig noch weiter nach hinten zu fallen! Warum? Wieviel Zeit hat ein Lehrer in 45 Min. effektiv zu unterrichten? Wieviel Zeit vergeht im Computerraum, bis alle Computer angeschaltet sind und die richtige Software gestartet ist? Wieviel Zeit verschwindet beim Smartboardeinsatz?
Das, was für den Umgang mit Computern und Internet wichtig ist, lernt man in konzentrierter Lernzeit, ohne Rumdaddelei und Adminzeit-Vergeudung. Die tatsächliche Quellenbewertung ist mir nur möglich, weil ich viel Interesse am Lernstoff hatte und im Unterricht tatsächlich ZEIT für einen Diskussionsaustausch mit der Lehrkraft war!! All das wird jetzt geopfert mit dem naiven Technikgefasel. Und in 10 bis 15 Jahren können wir von den Arbeitgeberverbänden wieder anhören, dass die Azubibewerber eine völlig unzureichende Allgemeinbildung haben, nicht Kopfrechnen können, keinen Lieferschein handschriftlich schreiben, etc. Vielleicht sollte man einfach mal „arbeitende Menschen“ fragen, was Azubi mitbringen müssen….. Es könnte alles so einfach sein, wenn einfach mal Menschen zugehört wird, statt dummes Technikgefasel dahergeplappert wird. Von einer Bildungsministerin!! In unserem Land Lehrer zu sein ist schon ein wirklich schwieriger Job…..