Bildungsmesse „Learntec“: Experten erwarten bis 2025 Schritte auf dem Weg hin zur digitalen Schule – aber keinen großen Sprung

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KARLSRUHE. Auf der „wichtigsten internationalen Plattform für IT-gestütztes Lernen“ (so die Veranstalter) präsentieren mehr als 240 Aussteller aus zwölf Nationen „die neuesten Anwendungen, Programme und Lösungen für das lebenslange Lernen mit IT“. Die Rede ist von der Bildungsmesse Learntec, die heute und morgen in Karlsruhe stattfindet.  Im Vorfeld erschien eine Studie, ein „Expertenpanel“, für das mehrere Dutzend  Verantwortliche aus allen Bildungssektoren sowie aus der Bildungspolitik befragt worden waren. Interessant sind vor allem ihre Prognosen: Die Fachleute erwarten bis 2025 Schritte auf dem Weg hin zu einer digitalen Schule – aber keinen gewaltigen Sprung. Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands, beschreibt im Interview mit heute.de die Chancen, die sich aus dem Einsatz digitaler Lernmedien für den Unterricht ergeben.

Großer Besucherandrang auf der Learntex in Karlsruhe. Foto: Messe Karlsruhe
Großer Besucherandrang auf der Learntex in Karlsruhe. Foto: Messe Karlsruhe

Die Sektoren Schule und Ausbildung werden auch in acht Jahren noch bei der Digitalisierung des Lernstoffs hinterherhinken – meinen jedenfalls mehrheitlich die befragten Experten der „Trendstudie Digitale Bildung auf dem Weg ins Jahr 2025“. Von heute einem Fünftel wird der Anteil des digitalen Lernstoffs auf knapp die Hälfte steigen, sagen sie voraus. „Das lässt die Schultornister zwar um einiges leichter werden, der Primat des gedruckten Lernstoffs wird in Schule und Ausbildung nach Einschätzung der Expertinnen und Experten aber auch in zehn Jahren noch nicht überwunden sein“, so heißt es in der Studie. Auch, was das Wachstum der Branche angeht, zeigen sich die Fachleute eher zurückhaltend und keineswegs euphorisch: Im Mittel erwarten sie ein Umsatzplus von 116 Prozent von heute 600 Millionen auf dann 1,3 Milliarden Euro – gemessen an der Dynamik in anderen Bereichen des Geschäfts mit IT ein eher laues Lüftchen.

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Die größten Hindernisse sind aus Expertensicht eine angeblich mangelhafte Kompetenz der Lehrkräfte sowie fehlende didaktische Ansätze – die schlechte Ausstattung der Schulen wird demgegenüber als minderschweres Problem gesehen. Bemerkenswert sind die Chancen, die die Experten mit dem Einsatz von digitalen Medien verbinden, oder andersherum: nicht verbinden. Wird die zunehmende Digitalisierung die individuelle Förderung im Unterricht voranbringen, also helfen, insbesondere schwächere Schüler besser zu fördern? „Die Antwort ist eher ernüchternd; für die Schule (…) sehen die Befragten keine besonders großen Chancen, bildungsferne Zielgruppen mit digitalen Bildungsmedien zu erreichen“, so heißt es in dem Papier.

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Dagegen: „Als wichtigste didaktische Innovation in den kommenden zehn Jahren betrachten die Expertinnen und Experten das soziale und kollaborative Lernen mit digitalen Medien.“ Auf den nächsten Plätzen folgten die didaktischen Konzepte „Handlungsorientiertes Lernen“, „Adaptives Lernen“ und „Informelles Lernen“. Einen etwas geringeren Mittelwert für die Einstufung der Wichtigkeit erhält das Konzept „Inverted Classroom“ bzw. „Flipped Classroom“. Die geringste Relevanz haben nach Ansicht der Befragten die didaktischen Methoden „Micro Learning“ und die „Live-Evaluation von Lehre“.

„Ich finde, man kann Lehrern keinen Mangel an Kompetenz vorwerfen, wenn es sowohl an Materialausstattung als auch an Fortbildungen mangelt“, sagt Philologen-Chef Meidinger mit Bezug zu der Studie gegenüber heute.de. Ohnehin sei das Bild vom digital völlig unbeleckten Pädagogen falsch. „Mit diesem Vorurteil möchte ich aufräumen“, betont Meidinger, „es ist nicht so, dass die Lehrer in Sachen Computerkenntnisse meilenweit ihren Schülern, den so genannten ‚digital native‘“, hinterherhinken. Sicher: Schüler sind häufig fitter im Umgang mit sozialen Netzwerken im Internet und sie holen mit angesagten Apps aus ihren Smartphones mehr heraus als viele Lehrer. Aber darauf kommt’s ja bei der ‚digitalen Kompetenz der Lehrkräfte‘ nicht an. Sondern, dass diese den didaktischen Mehrwert der digitalen Medien erkennen und umsetzen können. Da sind viele Lehrer schon recht fit.“

Meidinger warnt vor zu viel Euphorie, was den Einsatz von digitalen Lernmitteln im Unterricht angeht – beschreibt aber auch die Chancen. „Ich denke: Schlechter Unterricht wird durch Digitalisierung nicht besser. Wer eine schlechte Stunde vorbereitet hat, kann noch so viele Medien auffahren, die Wissensvermittlung wird nicht funktionieren! Auf der anderen Seite kann guter Unterricht von der Digitalisierung profitieren.“  Gefragt, wie das denn zum Beispiel aussehen könne, antwortet der Philologenchef: „Man kann durch Digitalisierung vielfältig die Welt von außen in die Schule hereinholen. Etwa durch Vernetzung mit Partnerklassen in anderen Schulen via Skype-Videokonferenzen. Es ist auch leichter, interessengesteuert Arbeitsgruppen zu bilden. Früher hat man da eher nach den Wohnorten der Schüler geschaut, dass die sich nachmittags auch zur Teamarbeit treffen konnten. Heute spielen Entfernungen keine Rolle mehr. Die Lehrkraft kommt dann ins Spiel, um die Geschichte spannend zu halten und die Ergebnisse zusammenzuführen.“ Agentur für Bildungsjournalismus

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