Das Internet macht die Ungebildeten dumm und die Gebildeten schlau: Ungleiche Bildungschancen verfestigen sich – sagt der NRW-Kinderbericht

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DÜSSELDORF. Fast alle Teenager haben in Deutschland ein Smartphone und Zugang zum Internet – wie sie es nutzen, hängt aber stark vom Bildungsstand der Eltern ab. Das geht aus dem neuen Kinder- und Jugendbericht der nordrhein-westfälischen Landesregierung hervor. NRW-Familienministerin Christina Kampmann (SPD) will dafür sorgen, dass ungleiche Bildungschancen sich in der digitalen Welt nicht weiter verfestigen. Dies gehöre zu den Schwerpunkten der nächsten Legislaturperiode, sagte Kampmann in Düsseldorf.

Wozu Kinder den Computer nutzen, hängt vom Bildungsstand der Eltern ab. Foto: Thiago Marquez (CC BY-NC-SA 2.0)
Wozu Kinder den Computer nutzen, hängt vom Bildungsstand der Eltern ab. Foto: Thiago Marquez (CC BY-NC-SA 2.0)

Studien zeigten, dass Kinder mit gebildeten Eltern das Internet deutlich stärker nutzen, um sich zu informieren. Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern seien dagegen für Spiele und das Plaudern in den sozialen Netzwerken online. In NRW wird seit 1969 grundsätzlich in jeder Legislaturperiode ein Kinder- und Jugendbericht erstellt. Er soll die Lebenswirklichkeit der Jugend in allen Bereichen abbilden und Handlungsnotwendigkeiten aufzeigen.

Einige Aspekte aus dem rund 200 Seiten starken zehnten Bericht.

ARMUT: Der aktuelle Landessozialbericht belegt, dass die Schere zwischen arm und reich weiter auseinandergegangen ist. Etwa jeder sechste Einwohner hatte 2014 in NRW ein Einkommen unterhalb der Armutsschwelle. Mit rund 43 Prozent lag das Armutsrisiko bei Alleinerziehenden am höchsten. Studien belegen, dass prekäre Lebensverhältnisse sich bei Kindern vielfältig auswirken: auf Bildungschancen, Gesundheit, Sozialverhalten, Lebensstil und kulturelle Teilhabe.

ARMUTSVIERTEL: Ende 2014 lebte beinahe jedes fünfte Kind in NRW in einem Haushalt, der Sozial- oder Arbeitslosengeld bezog – insgesamt 556 000 Minderjährige. Dabei gibt es große regionale Unterschiede: Während in Gelsenkirchen jeder dritte Minderjährige betroffen ist, sind es in Coesfeld nur 6,5 Prozent.

AUSLÄNDER: 2014 lebten über vier Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln in NRW – rund 24 Prozent der Gesamtbevölkerung. Bei den Minderjährigen lag der Anteil mit rund 37 Prozent deutlich höher. Daraus leiten sich besondere Herausforderungen für Bildung und Integration ab.

BILDUNG: Ein wachsender Anteil der Kinder und Jugendlichen strebt das Abitur an – etwa 35 Prozent aller Schüler erreichen es auch. Nie haben mehr jungen Menschen in NRW studiert. Zum Wintersemester 2015/16 waren an den Hochschulen in NRW über 740 000 Studierende eingeschrieben.

FAMILIE: Die meisten Jugendlichen fühlen sich in ihren Familien wohl und sehen ihre Eltern als gute Partner. Nach wie vor sind die Mütter deutlich beliebter als die Väter. Etwa zehn Prozent aller 10- bis 18-Jährigen berichten allerdings von häufigen Streitigkeiten in der Familie – unter ihnen jeder Sechste sogar von körperlichen Auseinandersetzungen.

GESUNDHEIT: Langzeitstudien des Robert-Koch-Instituts zeigen, dass es den allermeisten Kindern und Jugendlichen in Deutschland wie auch in NRW gesundheitlich gut geht. Etwa 16 Prozent haben nach Angaben der Eltern zwar ein chronisches Gesundheitsproblem, aber nur drei Prozent sind dadurch spürbar eingeschränkt.

FREIZEIT: Die Lieblingsfreizeitbeschäftigungen der 12- bis 25-Jährigen – auch junge Erwachsene wurden in einigen Bereichen mitbetrachtet – sind Freunde treffen und Musik hören, gefolgt vom Internet-Surfen und Fernsehen. Auf Platz 5 folgt das Daddeln in den sozialen Medien. Das ist ein großer neuer Trend, der sich vor zehn Jahren noch nicht abgezeichnet hat.

SPIELEN: „Ein fast vergessener Teil der Lebenswelt», heißt es in dem Bericht. Bildung steht ganz vorne, Spielen ist in den Hintergrund gerückt. «Dabei ist das Spielen für das Kind von elementarer Bedeutung, es ist so etwas wie sein Beruf.» Die Städte müssten wieder mehr Spielräume und Treffpunkte schaffen. «Es geht dabei um Vor- und Hinterhöfe, Plätze im Stadtteil, Spielmöglichkeiten auf autofreien oder verkehrsberuhigten Straßen, um Parks oder Grüngürtel.»

ZEIT: Ein weitere zentrale Veränderung in der Kindheit liegt darin, dass Kinder heute viel mehr Zeit außerhalb der Familie in Kitas und Ganztagsschule verbringen als früher. Viele Kinder und Jugendliche stellen sich die Frage, ob ihnen die Zeit für eigene Wünsche davon läuft. Auch manche Eltern fühlen sich von den neuen Anforderungen bisweilen überfordert. dpa

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Ignaz Wrobel
7 Jahre zuvor

37 % der Schüler in NRW haben einen Migrationshintergrund.
24 % der Einwohner haben einen Migrationshintergrund.
Diese Bevölkerung wird der AfD Paroli bieten.
Es lebe die Freiheit.