Der G8/G9-Streit wird immer irrsinniger: Jetzt liegen sogar Grüne mit Grünen und die SPD mit der SPD über Kreuz

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MÜNCHEN. Nach dem klaren Bekenntnis von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zur geplanten Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium fordert die Münchner Landtags-Opposition nun rasche Entscheidungen. Es müsse endlich Schluss sein „mit dem Wischiwaschi“, verlangte der Grünen-Bildungsexperte Thomas Gehring am Montag von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU). Pikant: In Nordrhein-Westfalen steht die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann für ein mindestens ebenso großes „Wischiwaschi“ – will sie doch gar keine Festlegung mehr auf G8 oder G9, sondern die Lernzeit bis zum Abitur individualisieren. Ein ähnliches Durcheinander herrscht bei der SPD. Und bei den Philologen.

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Löhrmanns Modell will die Gymnasien zwischen zwei Wegen wählen lassen. Die erste Variante sieht vor, dass nach der Erprobungsstufe ab Klasse 7 getrennte Zweige in drei oder in vier Jahren in die Oberstufe führen. Kleinere, höchstens dreizügige Gymnasien müssten eine andere Variante erproben, da sie nicht genügend Schüler für zwei getrennte Züge hätten. Hier würde gelten: Wer mehr Zeit braucht, kann zusätzliche Förderangebote nutzen oder etwa stundenweise in niedrigeren Jahrgangsstufen einzelne Defizite aufarbeiten und sich sechs Jahre Zeit lassen bis zur Oberstufe. «Die Kinder müssen nicht in ein Raster passen. Die Schule muss sich am Kind orientieren – nicht umgekehrt“, meint Löhrmann, Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai.

Die Grünen in Bayern sehen das allerdings anders. Sie wollen eine flächendeckende Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium: ein inhaltlich und pädagogisch reformiertes «G9 neu». «Schulzeitverkürzungen» sollen aber möglich sein. (Die Kosten für die Umstellung bezifferte Bildungsexperte Gehring übrigens auf rund 1,5 Milliarden Euro für neue Schul- und Erweiterungsbauten sowie für 1000 zusätzliche Lehrer).

Auch die SPD im Freistaat tickt anders als ihre nordrhein-westfälische Schwester. Der bayerische SPD-Bildungsexperte Martin Güll forderte, der bayerische Ministerpräsident solle sein Team auf Kurs bringen: „Seehofer sagt so, Kultusminister Spaenle weiß nicht und die CSU-Landtagsfraktion ist immer noch gespalten und hängt am alten G8.“ Die SPD (in Bayern) sei „für die schnelle Einführung des G9 als Basis für alle mit Überholspuren für die schnellen Lerner“.

In Nordrhein-Westfalen hingegen möchten die Sozialdemokraten künftig ein zweizügiges Gymnasium, also  die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 an jeder einzelnen Schule etablieren. Das liegt ziemlich nah dran an Seehofers Vorgabe: Der bayerische Ministerpräsident hatte erklärt, die Zusage, dass es künftig acht- und neunjährige Züge bis zum Abitur geben werde, stehe. Wer will, soll sich aber mehr Zeit zum Lernen nehmen dürfen. Seehofer nannte dies einen „Beitrag zur Entschleunigung“.

Der Vorsitzende des (bayerischen) Philologenverbandes, Michael Schwägerl, begrüßte Seehofers Äußerungen. «Wir sehen uns mit der ganz großen Mehrheit der Lehrkräfte, der Eltern und der Schülerinnen und Schüler in dem Wunsch nach einem neunjährigen gymnasialen Bildungsgang einig», betonte er. Fast schon lustig: In Nordrhein-Westfalen steht der Philologenverband nach wie vor zu G8. Wer soll da eigentlich noch durchblicken? News4teachers / mit Material der dpa

Der Föderalismus in der Schulpolitik soll gut funktionieren? Eine Lachnummer, Frau Wanka

 

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2 Kommentare
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Wolfgang Kuert
7 Jahre zuvor

88 % der Eltern und Lehrer in NRW fordern das G9 zurück!

Die Ergebnisse der wissenschaftlich begleiteten G9-Umfrage der Gymnasialelternvertreter in NRW finden Sie unter

http://www.le-gymnasien-nrw.de/fileadmin/user_upload/G8G9Pra__sentation_Dollase_Kopie_2.pdf

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  Wolfgang Kuert

Die Umfrage hat ich für fragwürdig:
– Sie gibt von sich aus zu, nicht repräsentativ zu sein. Die polternde Minderheit dürfte folglich deutlich überrepräsentiert zu sein.
– Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass 90% der G8-Lehrer kategorisch gegen G8 sind. Gegen die gewählte Umsetzung bin ich auch, gegen G8 an sich nicht. Repräsentativ bin ich natürlich auch nicht.
– Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Durchschnittsschüler im langjährigen Mittel 1,5-2h Hausaufgaben pro Tag machen muss (10h pro Woche im Median). Kurz vor Klassenarbeiten oder zwischendurch kommt das zweifellos vor, aber nicht dauerhaft.
– Da außerdem der Fragebogen von G8-Gegnern initiiert wurde und das erwünschte Ergebnis bekam, weiß ich nicht, ob die gewählte Struktur tatsächlich das abfragt, was er abzufragen vorgibt.