Verfassungsschutz beobachtet pensionierte Lehrerin. Die klagt dagegen. GEW hält den „Fall Silvia Gingold“ für einen Skandal

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WIESBADEN. Am Donnerstag, den 12. Januar, um 10.30 Uhr findet in Wiesbaden der Prozess „Silvia Gingold gegen das Land Hessen“ statt (AZ.: 6K1153/16, W1). Die Lehrerin im Ruhestand klagt darin gegen den hessischen Verfassungsschutz auf Beendigung ihrer Überwachung. Darüber hinaus fordert sie Einsicht in ihre dort gespeicherten Daten und die anschließende Löschung derselben.

Silvia Gingold ist laut GEW eine der bekanntesten Berufsverbote-Betroffenen der Bundesrepublik Deutschland. Als Tochter des jüdischen Resistancekämpfers Peter Gingold habe ihr Fall in den 70-er Jahren international für Aufsehen und Empörung gesorgt, nachdem ihr die Einstellung in den Schuldienst verweigert und sie mit einem Berufsverbot belegt wurde, so heißt es in einer Pressemitteilung der Gewerkschaft. Gingold war Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Aufgrund des öffentlichen Drucks konnte sie ab 1976 zwar wieder als angestellte Lehrerin arbeiten. Wegen ihrer Aktivitäten für die DKP wurde sie jedoch nicht verbeamtet. Da sie bis heute unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, hat sie aktuell gegen das hessische Landesamt geklagt.

Begründet werde ihre Überwachung damit, dass sie Lesungen aus der Autobiographie ihres Vaters Peter Gingold durchgeführt und an einer Kundgebung gegen Berufsverbote am 2012 teilgenommen habe, so berichtet die GEW. Auch ihre friedenspolitischen wie auch gewerkschaftlichen Aktivitäten stünden unter Beobachtung des Geheimdienstes.

Nie etwas nachgewiesen

„Es ist ehrenwert und das Recht einer jeden Bürgerin und eines jeden Bürgers, sich für Friedenspolitik, Antifaschismus und in Gewerkschaften zu engagieren. Die Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen wird durch das Grundgesetz ebenso gedeckt wie die freie Meinungsäußerung. Deshalb können es Demokratinnen und Demokraten in keiner Weise akzeptieren, wenn so etwas überhaupt Aufnahme in eine Verfassungsschutz-Akte findet und ernsthaft als Begründung einer dauerhaften Überwachung herangezogen wird!“, äußerte Jochen Nagel, Mitglied des Bündnisses gegen Berufsverbote Hessen und GEW Landesvorsitzender in Hessen, sein Unverständnis.

Nie habe der Pädagogin irgendein rechtswidriges oder gar gegen das Grundgesetz gerichtetes Verhalten nachgewiesen werden – weder in ihrem Beruf als Lehrerin (mittlerweile ist sie im Ruhestand), noch wegen ihrer Mitarbeit in verschiedenen Organisationen und Gremien wie dem Kasseler Friedensforum. Empört reagiert auch das Bündnis gegen Berufsverbote Hessen: „Ausgerechnet die Behörde, die beim rechten Terror der NSU versagt hat, hält Friedensbewegung und antifaschistische Gruppen offensichtlich für einen Tummelplatz von Verfassungsfeindinnen und Verfassungsfeinden, die überwacht werden müssen“, ergänzt Ulrike Noll, Sprecherin des hessischen Bündnis gegen Berufsverbote. „Wir hoffen sehr, dass das Gericht dieser andauernden Beobachtung unbescholtener Menschen nun ein Ende setzt und der Klage stattgibt.“ Agentur für Bildungsjournalismus

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