Einigung im Länder-Tarifstreit: 4,35 Prozent mehr Lohn innerhalb von zwei Jahren – auch Entgeltstufe sechs wird kommen

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POTSDAM. Einen Monat haben sie verhandelt – jetzt steht das Ergebnis im Tarifstreit für die Bediensteten der Länder: Neue Streiks im Erziehungs- und Bildungsbereich sind vom Tisch. Die GEW spricht von einem „vertretbaren Ergebnis nach hartem Ringen“. Die Ausgangslage der Tarifverhandlungen sei komplex gewesen. Auch der VBE zeigt sich zufrieden.

Die Streiks der vergangenen Wochen dürften sich ausgezahlt haben. Foto: GEW NRW
Die Streiks der vergangenen Wochen dürften sich ausgezahlt haben. Foto: GEW NRW

Im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes haben sich Gewerkschaften und Arbeitgeber auf einen milliardenschweren Tarifkompromiss für die Landesangestellten geeinigt. Damit sind neue Streiks in Schulen und Kitas abgewendet. Beide Seiten zeigten sich am späten Freitagabend in Potsdam zufrieden mit dem Ergebnis.

Das Ergebnis sieht insgesamt 4,35 Prozent mehr Lohn innerhalb von zwei Jahren vor. Die Details im Überblick:

  • Rückwirkend zum 1. Januar 2017 erhalten die Beschäftigten 2,0 Prozent und ab dem 1. Januar 2018 nochmals 2,35 Prozent mehr. Das macht im ersten Jahr 870 Millionen Euro Mehrkosten für die Länder aus und im zweiten 1,9 Milliarden. Die Gesamtforderung der Gewerkschaften hatten bei insgesamt sechs Prozent gelegen. Das hätte sieben Milliarden Euro gekostet.
  • Als soziale Komponente soll es mindestens 75 Euro geben. Hiervon profitieren die unteren Entgeltgruppen.
  • Am umstrittensten war die Forderung nach einer neuen Entgeltstufe sechs vor allem für angestellte Lehrer, aber auch für andere Angestellte mit langer Berufserfahrung und Akademiker. Diese Stufe kommt nun 2018 in zwei Schritten. Im Schnitt macht das ein Plus von 150 Euro aus.
  • Die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst bekommen ebenfalls einen Ausgleich: Sozialarbeiter erhalten je nach Eingruppierung zwischen 50 und 100 Euro mehr pro Monat, Erzieherinnen und Kita-Leitungen 80 Euro. Bis 2019 soll eine neue Entgeltordnung in dem Bereich ausgehandelt werden.
  • Auszubildende bekommen 2017 und 2018 jeweils 35 Euro zusätzlich sowie 29 Tage Urlaub im Jahr. Sie sollen nach erfolgreicher Ausbildung übernommen werden.
  • Auf die 2,2 Millionen Beamten von Ländern und Kommunen sowie Pensionäre soll der Tarifabschluss nach dem Willen der Gewerkschaften übertragen werden. Auch für Hessen wurde noch nicht verhandelt, hier stehen die Gespräche noch aus.

Verhandelt hatten die Gewerkschaft Verdi, der Beamtenbund dbb, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf der einen Seite und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) auf der anderen.

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„Deutlichen Aktzent gesetzt“

Als „ordentliches Ergebnis“  bezeichnete die GEW die Einigung mit den Arbeitgebern. „Mit der Einführung der sechsten Stufe im Tarifvertrag der Länder (TV-L) für die höheren Entgeltgruppen haben wir einen deutlichen Akzent für die Lehrerinnen und Lehrer gesetzt. Diese Erhöhung setzt auf einer Gehaltssteigerung auf, die deutlich über der Inflationsrate liegt. Die unteren Gehaltsgruppen erhalten einen Mindestbetrag, damit sie  nicht abgekoppelt werden“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe im Anschluss an die Verhandlungen in Potsdam. „Außerdem erhalten alle Erzieherinnen, Erzieher und die Kitaleitungen sowie Gruppen von Sozialarbeitern eine Zulage, mit der der Anschluss an die Gehälter der vergleichbaren Beschäftigten in den Kommunen hergestellt wird. Damit haben wir auf allen Feldern, in denen wir Verbesserungen erreichen wollten, Erfolge erzielt. Das kann sich bei der komplexen Ausgangslage sehen lassen!“ Tepe machte deutlich, dass die GEW mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jetzt einen Tarifvertrag zur Entgeltordnung für die angestellten Lehrkräfte abschließen wird. Es sei vereinbart, dass dieser weiter entwickelt werde.

Tatsächlich hat die GEW die vor zwei Jahren ausgehandelte Entgeltordnung Lehrkräfte nun nachgezeichnet. VBE-Vorsitzender Udo Beckmann freute sich über die Möglichkeit, von nun an für die Lehrkräfte an einem Strang zu ziehen: „Endlich ist Schluss mit der ‚Alles-oder-nichts‘-Taktik. Wir freuen uns, dass die GEW akzeptiert hat, dass es für ihre Lehrkräfte deutliche Vorteile hat, einen Tarifvertrag zu haben. Realistische Gehaltssteigerungen sind besser als Forderungen, die nicht bedient werden“, erklärte er.

Und, so kommentierte Beckmann weiter: „Mit dem Ergebnis können wir zufrieden sein. Es gibt eine lineare Erhöhung mit einer sozialen Komponente und die neue Erfahrungsstufe 6. Lehrkräfte in Deutschland erhalten damit ein klares Zeichen: ‚Ihr seid es wert!““ Der stellvertretende Bundesvorsitzende des VBE für den Geschäftsbereich Tarifpolitik, Jens Weichelt, unterstrich: „Die Erfahrungsstufe 6 zeigt insbesondere die Anerkennung der Arbeitsleistung langjährig Beschäftigter. Sie trägt damit dazu bei, diese mit all ihrem Wissen und ihrem Erfahrungsschatz an den Öffentlichen Dienst zu binden.“

Die nordrhein-westfälische GEW-Vorsitzende Dorothea Schäfer erkärte: „Wir haben lange um dieses Ergebnis ringen müssen, nicht nur mit den Arbeitgebern, auch unter uns. Unterm Strich haben wir deutlich aufgeholt. Mit der linearen Erhöhung um mehr als vier Prozent und der Einführung der sechsten Erfahrungsstufe wird es spürbare Einkommensverbesserungen insbesondere für die tarifbeschäftigten Lehrkräfte und für den Sozial- und Erziehungsdienst geben. Das ist ein großer Erfolg.“ Agentur für Bildungsjournalimus / mit Material der dpa

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12 Kommentare
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xxx
7 Jahre zuvor

Aus den geforderten 6,0% sofort wurde ein besserer Inflationsausgleich verteilt auf zwei Jahre. Wie man so etwas als Erfolg verkaufen kann, ist mir schleierhaft.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Die Beamten können sich doch dafür einsetzen, dass dieser Tarifabschluss nicht auf die Änderung der Landesbeamtengesetze übertragen wird. Die zukünftige Entgeltstufe 6 bringt ihnen doch ohnehin nichts.

Küstenfuchs
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Natürlich können sich die Beamten dafür einsetzen, dass der Abschluss nicht übernommen wird. Aber erstens bestimmen die Länder per Gesetz, ob und was übernommen wird, und zweitens hat es das noch nie gegeben, dass die Beamten mehr als die Angestellten bekommen haben.

Also bitte nicht noch mehr solch dummer Vorschläge!

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Dann sollten die Beamten aber auch aufhören sich in die tariflichen Belange von Tarifbeschäftigten einzumischen. Sie gehen sie schlicht und ergreifend nichts an.

Gegen Gesetze gibt es die Möglichkeit der Klage, aber über den Instanzenaufbau des Gerichtswesens muss ich als Tarifbeschäftigter ja wohl nicht aufklären.

Beamtin
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Ok, dann werde ich als Beamtin in Zukunft nicht mehr für die Verbesserungen für die Tarifbeschäftigten demonstrieren, wenn das offenbar nicht gewünscht ist. Eine entsprechende Mitteilung könnte ich an meine zahlreichen verbeamteten Kolleg*innen, die an ihrem freien Tag oder während ihrer Pensionszeit nach Düsseldorf gereist sind, weiterleiten. Damit würde sich der Druck natürlich verringern. Von Solidarität natürlich ganz zu schweigen. Ob das erstrebenswert ist…..

sofawolf
7 Jahre zuvor

@ xxx,

das müssen die Berufsverbände als Erfolg bezeichnen. Was sollten sie sonst tun. Es ist wie bei Wahlen, bei denen jede Partei das Ergebnis als Erfolg verkauft, egal wie schlecht sie abgeschnitten hat.

Natürlich möchte ich einen Inflationsausgleich (und gerne auch ein bisschen mehr), als Jahr für Jahr real weniger zu verdienen. Ansonsten weiß ich aber auch nicht recht, worüber ich mich bei diesem Ergebnis freuen soll.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Genau der Vergleich mit dem Schönquatschen krachender Wahlniederlagen ist sehr treffend. Bei meinem Kommentar hatte ich ihn im Hinterkopf.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Ganz einfach, Forderung im Vorfeld nicht veröffentlichen. wenn die arbeitgeber fargen, was denn gewünscht wird, mit der Gegenfrage antworten, was denn geboten werden soll. Wenn dann doch ein gehaltsplus zustande kommt, kann man wenigstens mit Fug und Recht behaupten, mehr erreicht als gefordert zu haben.

Blöd für die Tarifbeschäftigten der Länder, dass die Müllwerker – sofern überhaupt noch Kommunalbedienstete – nach TVöD bezahlt werden.

Derriks
7 Jahre zuvor

2% jetzt und 2.35% nächstes Jahr sind nicht 4.35% mehr, wie es die Überschrift suggeriert. Das ist mathematisch unsinnig. Am meisten tut mir weh, das nun Friedenspflicht herrscht für einen Tarifvertrag, den die GEW vor 2 Jahren noch (zu Recht) vehement abgelehnt hat.

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  Derriks

Nein, die GEW hat vor zwei Jahren den Tarifvertrag bezüglich der Lohnerhöhung angenommen, lediglich wegen der Höhe des angebotenen Angleichungsbetrages (30,00 EUR) hat die Tarifkommission den Tarifvertrag nicht unterzeichnet. Die GEW ist vor zwei Jahren mit ihrer Vorstellung für eine Lehrereingruppierungsordnung gescheitert, da sie keine Unterstützung seitens des DBB erhalten hat.
Diesmal hat sich die im DBB organisierte VBE geschickt aufgestellt und für die Schaffung der sechsten Erfahrungsstufe in den für Erzieher und Lehrer relevanten Entgeltstufen eingesetzt. Damit hat der VBE die GEW wunderbar ins aAbseits gestellt, zumal ihm, dem VBE die Unterstützung von VER.DI sicher sein konnte.
Der Blödsinn Prozentpunkte zu addieren anstelle den effektiven Prozentsatz der gestaffelten Erhöhungen auszurechnen haben sich vermutlich die Pressestellen der Beteiligten ausgedacht. Klappt auch nur, weil die wenigsten den Unterschied kennen zwischen einem 2%-igen Anstieg und einem Anstieg um 2 Prozentpunkte. Das sind die gleichen Leute, die auf einer Fete mit 50 Personen auf die Aussage, dass vermutlich 60% älter als 30 sind, antworten , dass so viele überhaupt nicht auf der Fete seien.

btw die Schaffung der Erfahrungsstufe 6 in vielen Entgeltgruppen ist die eigentliche Gehaltserhöhung für viele. Bin gespannt nach welchen Kriterien diese Erfahrungsstufe bis 2018 vergeben werden wird.

xxx
7 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

Erfahrungsstufe 6 gibt es im Zweifel erst ab 50 Dienstjahren oder maximal 6 Monate bis zur offiziellen Rente …

dickebank
7 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Es müssen ja die gleichen Bedingungen gelten wie bei den Anderen Entgeltgruppen, die die Erfahrungsstufe 6 schon haben.