Schul- und Kitaplage: Sind Kopfläuse auf dem Vormarsch?

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MÜNCHEN. Der Befall mit Kopfläusen ist die häufigste Parasitenerkrankung im Kindesalter. Landauf, landab wird in Kindergärten und Schulen Läusealarm gegeben. Viele Eltern haben den Eindruck, die lästigen Parasiten seien heutzutage häufiger als noch zu ihrer eigenen Schulzeit. Zugleich ist es vielen von ihnen peinlich, wenn sie beim eigenen Kind Läuse entdecken. Doch den Befall zu verschweigen wirkt kontraproduktiv.

„Liebe Eltern, leider haben wir wieder Läuse in der zweiten und dritten Klasse. Um den Läusebefall in den Griff zu bekommen, bitten wir Sie dringend alle Familienmitglieder zu überprüfen. Wir weisen darauf hin, dass ein Läusebefall nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtig ist.“

Solche oder ähnliche Meldungen nehmen viele Eltern von Grundschulkindern mittlerweile routiniert zur Kenntnis. Läuse gehören zum Schulalltag, wie Grippe. Trotz aller medizinischer Fortschritte, ist das Vorhaben, Kopfläuse endgültig auszurotten ein hoffnungsloses Unterfangen.

Kein Grund zur Panik: Die Kopflaus (hier ein Männchen). Foto: Gilles San Martin /flickr (CC BY-SA 2.0)
Kein Grund zur Panik: Die Kopflaus (hier ein Männchen). Foto: Gilles San Martin /flickr (CC BY-SA 2.0)

Dafür, dass Kopfläuse heute häufiger auftreten, als noch zu Schulzeiten der heutigen Elterngeneration, gibt es allerdings keine Belege, auch wenn die Tendenz leicht nach oben zu gehen scheint. Weltweit nähme der Befall zwar zu, auch aufgrund vermehrt auftretender Insektizid-Resistenzen, so Experten. Belastbare Studien zur Entwicklung des Kopflausbefalls in der Bevölkerung gibt es im deutschsprachigen Raum jedoch kaum. Eine fünfjährige Reihenuntersuchung der Uni Braunschweig unter Schulanfängern im Alter von 5–6 Jahren ergab das hochgerechnet pro Jahr von 10.000 Schulkindern 598 von Pediculus humanus capitis befallen waren. Da die Forscher allerdings nur die trockenen Haare der Kinder begutachteten, schätzen sie die tatsächliche Quote weit höher, nämlich auf rund 800 von 10.000 Jungen und 2.400 von 10.000 Mädchen.

Zudem ergab sich aus der Studie, dass die Kleinepidemien im Kindergarten und in der Schule einem bestimmten Rhythmus folgten: In der Zeit von Mitte September bis Ende Oktober erreichte der Neubefall alljährlich sein Maximum, während er in den anderen Monaten weitgehend konstant blieb. Hier zeige sich der Einfluss der Sommerferien.Gerade beim Spiel in den Sommerferien komme es zu vermehrten Kopf-zu-Kopf-Kontakten zwischen Kindern, so die Forscher. Zudem erhöhe Reisen die Wahrscheinlichkeit des Kontakts mit Kindern aus anderen Gegenden, die möglicherweise eine unbehandelte Pediculosis aufwiesen. Zurück in der Heimat würden die Läuse dann auf die Schulkameraden übertragen.

Das Mädchen häufiger als Jungen betroffen sind, liegt laut Experten nicht an deren längeren Haaren, sondern am unterschiedlichen Sozialverhalten der Geschlechter. „Jungen bolzen auf dem Fußballplatz, und die Mädchen stecken eher die Köpfe zusammen“ formuliert etwa die Kieler Dermatologin Regina Fölster-Holst.

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Eine Ansteckung ist fast ausschließlich durch Kopf-zu-Kopf-Kontakt möglich. Läuse können nicht fliegen und auch nicht springen, betont der Würzburger Kinderarzt Johannes Liese von der Stiftung Kindergesundheit: „Übertragen werden die sechsbeinigen Plagegeister ausschließlich von Mensch zu Mensch, von Haar zu Haar. Haben die Haare engen Kontakt, findet die Ansteckung in wenigen Augenblicken statt. Besteht der Kontakt längere Zeit, zum Beispiel wenn die Kinder in einem Bett schlafen, können die Läuse auch mehrfach hin und her wechseln“. Die Befürchtung, man könnte auch durch Kopfpolster in Bussen und Bahnen mit Läusen angesteckt werden, sei ebenso grundlos wie die Annahme, dass eine Übertragung auch durch Haustiere erfolgen kann, so Liese. Auch Mützen seien höchstens in Einzelfällen eine Ansteckungsquelle.

Mit mangelnder Hygiene habe der Befall indes nichts zu tun. Läuse seien zwar unappetitlich, jedoch kein Beweis für Unsauberkeit: „Jedes Kind und jeder Erwachsene kann sich irgendwoher eine Laus einfangen.“ Dennoch ist es vielen Eltern nach wie vor peinlich, wenn sie am eigenen Kind die 2 bis 3,5 Millimeter langen Parasiten oder ihre Eier entdecken. Viele würden es daher der Schule verschweigen, wenn ihre Kinder Läuse haben. Entsprechende klagen von Schulleitern und Hygieneämtern häufen sich. Der Verbreitung der Läuse ist so Tür und Tor geöffnet.

Neben der Meldepflicht liegt auch die Verantwortung für die Behandlung und Kontrolle der notwendigen hygienischen Maßnahmen bei den Eltern. Mit häufigem Waschen der Haare sind die lästigen Tierchen indes nicht loszuwerden. „Durch das Waschen der Haare werden die Läuse keineswegs beseitigt, sie werden lediglich sauberer“, erläutert Infektionsexperte Liese. Eine radikale Rasur des Kopfes gelte zwar nach wie vor als die sicherste Läuseentfernung, werde aber von den Kindern und ihren Eltern meist nicht gewünscht und ist in der Regel auch nicht notwendig.

Das Berliner Robert-Koch-Institut empfiehlt dagegen zur Behandlung die Kombination von nassem Auskämmen und Insektiziden. Nach der sachgerechten Anwendung eines zugelassenen Mittels sei eine Weiterverbreitung auch bei noch vorhandenen Nissen nicht mehr zu befürchten. Ein befallenes Kind dürfe bereits am Tag darauf wieder in die Kita oder zur Schule, auch wenn die Therapie noch nicht abgeschlossen sei.

Da die als Medikamente zugelassen Insektizide potentielle Nervengifte sind und außerdem Allergien und Hautirritationen hervorrufen können, muss man sie streng nach Vorschrift anwenden – nicht häufiger als wirklich nötig, betont die Stiftung Kindergesundheit. Gleich ob man den Empfehlungen des RKI folge oder einer alternativen Methode anwende: Babys und kleine Kinder sollten nur unter Anleitung eines Kinder- und Jugendarztes behandelt werden.

Ganz loswerden kann man die jahrtausendelangen Begleiter der Menschheit also wohl nicht. Dennoch sind  Läuse derzeit kein Grund zur Panik. Eine sachlicher Umgang und der Abbau von Mythen sind immer noch der beste Weg, die Plage zumindest in Grenzen zu halten. (zab)

• Faltblatt der BZgA: „Kopfläuse – was tun“
• Deutsche Pediculosis-Gesellschaft e.V.

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