Wie wichtig ist ein geisteswissenschaftliches Fach wie Kunstgeschichte? Uni hält Institut für verzichtbar und will es schließen – Proteste

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OSNABRÜCK. Im Streit um Pläne, das Kunsthistorische Institut an der Universität Osnabrück zu schließen, will das Präsidium der Hochschule jetzt doch noch Alternativen prüfen. Der Senat habe das Präsidium darum gebeten, sagte am Mittwoch Universitätspräsident Wolfgang Lücke. Aus dem Senat sei ein Vorschlag gekommen, wie auch nach dem Auslaufen der jetzigen Professorenstellen im Jahr 2023 die Kunstgeschichte weitergeführt werden könne. Der Vorschlag sei aber komplex und solle zunächst hochschulintern im Lauf des Sommersemesters beraten werden.

Mittelalterliche Kunst - braucht die noch jemand? Sankt Georg als Drachentöter. Foto: Wolfgang Sauber / flickr (CC BY-SA 4.0)
Mittelalterliche Kunst – braucht die noch jemand? Sankt Georg als Drachentöter. Foto: Wolfgang Sauber / flickr (CC BY-SA 4.0)

Vor der Senatssitzung hatten Studierende gegen die Schließungspläne protestiert. Außerdem wurden der Unileitung mehr als 4500 Unterschriften zum Erhalt des Instituts übergeben. An dem Institut studieren derzeit 222 Bachelor-Studierende und 20 Studenten im Masterstudiengang.

Unterdessen kündigte der Deutsche Kulturrat an, das Kunsthistorische auf seine symbolische Rote Liste zu setzen. Das sagte der Geschäftsführer des Kulturrates, Olaf Zimmermann, auf Anfrage. «Ich finde es bedauerlich, dass heute gegen den Trend ein solches Institut geschlossen werden soll», sagte Zimmermann. Das Institut machte sich unter anderem einen Namen mit der Erforschung mittelalterlicher Kunst in Niedersachsen.

Der Geschäftsführer des Kulturrates sagte, Geisteswissenschaften hätten es nach den Hochschulreformen der vergangenen Jahre schwerer als Natur- oder Rechtswissenschaften. «Eine Schließung ist schon eine radikale Maßnahme, und dass eine Hochschule sagt, wir können auf diesen kunstgeschichtlichen Zweig verzichten, ist schon sehr ungewöhnlich.» Der Deutsche Kulturrat ist der Spitzenverband der Kulturverbände.

200 Millionen Euro für die Geisteswissenschaften

Demgegenüber stellte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fest, dass im internationalen Vergleich die Situation der Geisteswissenschaften in Deutschland sowohl von der Personalausstattung her als auch von den Finanzen her gut sei. Die DFG habe allein im Jahr 2015 insgesamt 200 Millionen Euro für geisteswissenschaftliche Forschungsprojekte bewilligt. Die DFG-Fördermittel seien in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, 2010 waren es noch 184 Millionen, 2014 dann 190 Millionen Euro. In Deutschland gebe es auch in den Geisteswissenschaften große Forschungsverbünde bis hin zu den Exzellenzclustern in der Exzellenzinitiative, was in den meisten anderen Wissenschaftssystemen so nicht der Fall sei.

Die Pläne der Osnabrücker Universitätsleitung, das Institut in den nächsten Jahren zu schließen, stößt innerhalb der Hochschule, aber auch bei Kunsthistorikern auf starke Kritik. Hintergrund ist, dass 2023/24 die drei Professoren des Instituts in Ruhestand gehen. Aus Sicht des Universitätspräsidiums ist das Fach für die weitere Hochschulentwicklung verzichtbar. Lücke sagte, der Senat habe die Planungen des Präsidiums zur Schaffung von «stellentechnischen Gestaltungsspielräumen zur Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der Fächer» zustimmend zur Kenntnis genommen.

Auch Kunsthistoriker aus dem In- und Ausland übten in den vergangenen Wochen Kritik an den Schließungsplänen. So unterstützt das International Center of Medieval Art (ICMA) aus New York auf seiner Homepage eine Petition zum Erhalt des Instituts. Der Verband Deutscher Kunsthistoriker veröffentlichte einen offenen Brief an den Osnabrücker Universitätspräsidenten Wolfgang Lücke. Auch der Verband für Kunst- und Kulturwissenschaften «Ulmer Verein» setzt sich in einem offenen Brief an die Universitätsleitung und das Wissenschaftsministerium in Hannover für einen Erhalt des Instituts ein.

Rückendeckung bekommt die Hochschulleitung aus dem Wissenschaftsministerium in Hannover unter der Leitung von Ministerin Gabriele Heinen-Kljajić (Grüne). «Für eine zukunftsfähige Ausrichtung müssen sich Hochschulen beständig fortentwickeln und ihr Profil schärfen. Vor diesem Hintergrund können die an der Universität Osnabrück diskutierten strukturellen Veränderungen einen Beitrag zur Profilschärfung leisten», teilte ihr Sprecher mit. dpa

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