Kurzer Prozess: Auf Schulhöfen legte Erpresser vergiftete Marzipan-Herzen aus – vier Jahre und neun Monate Haft

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KIEL. Bombendrohungen, vergiftete Marzipanherzen auf Schulhöfen – eine Stadt wird von einem Erpresser in Angst versetzt. Jetzt wurde der Mann in Kiel verurteilt. Der Erklärung des Angeklagten glaubten die Richter nicht.

Das Gericht hat schnell geurteilt. Foto: Florentine / pixelio.de
Das Gericht hat schnell geurteilt. Foto: Florentine / pixelio.de

Nach nur einem Verhandlungstag ist der Prozess gegen den Mann, der Eltern und Schülern in Kiel mit vergifteten Marzipanherzen Schrecken einjagte, schon zu Ende. Der Marzipan-Erpresser wurde am Montag zu einer Haftstrafe von vier Jahren und neun Monaten wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilt.

Das Landgericht in Kiel sah es als erwiesen an, dass der 38-Jährige im vergangenen Jahr auf Schulhöfen mit Insektiziden vergiftete Marzipanherzen ausgelegt hat. Damit habe er seiner Forderung, von dem Unternehmen Coop drei Millionen Euro in der digitalen Währung Bitcoins zu erpressen, Nachdruck verleihen wollen. Davon sei das Gericht überzeugt, sagte der Vorsitzende Richter Ralph Jacobsen.

Die Kammer folgte damit der Auffassung der Staatsanwaltschaft, die sich ebenfalls für eine Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung aussprach. Der Verteidiger hatte für eine Verurteilung lediglich wegen schwerer Nötigung plädiert. Zunächst stand eine Verständigung bei einem umfassenden Geständnis im Raum. Dazu sei es jedoch nicht gekommen, sagte Jacobsen. Die kurze Verhandlungsdauer ist vor allem Folge der besonders guten Beweislage, wie Oberstaatsanwalt Michael Bimmler sagte.

Mit Insektizid versetzt

Rückblende: Am 8. September 2016 geht bei Coop eine Erpresser-Mail ein. Rund 20 Drohschreiben folgen in den nächsten Tagen, einige Medien erhalten die Mails in Kopie. Um den Druck zu erhöhen, wie der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung sagt. Einige Tage nach Eingang der ersten Mail liegen vergiftete Marzipanherzen auf dem Hof einer Kieler Grundschule.

Die Süßigkeiten sind mit einem Insektizid versetzt, das gesundheitliche Beschwerden, wenn auch keine ernsthaften Schäden, auslösen kann. Am 16. September folgen Bombendrohungen gegen drei Schulen. Die Polizei lässt die Schulen räumen und durchsuchen. In zwei der Schulen werden verdächtige Gegenstände gefunden, die sich später als harmlos herausstellen.

Ein Verdächtiger ist schnell ausgemacht. Über den Verkaufsweg der Marzipanherzen können die Ermittler die Spur zu dem 38-Jährigen zurückverfolgen. Er wird observiert. Nie weniger als 150 Beamte sind im Einsatz, wie eine LKA-Beamtin am Montag als Zeugin schildert. In der Nacht zum 19. September stellt der jetzt Verurteilte an einer Bushaltestelle in der Nähe einer Schule eine gefüllte Brotdose ab. Analysen ergeben: Auch die dort enthaltenen Lebensmittel sind vergiftet. Wenige Stunden später kommt der Zugriff. Der Spuk ist vorbei.

Der Angeklagte gestand zu Prozessbeginn, die Mails geschrieben und die vergifteten Marzipanherzen ausgelegt zu haben. Er habe niemanden schaden wollen, ließ er über seinen Anwalt erklären. Es tue ihm leid, dass er Eltern und Kinder verunsichert habe. Den Erpressungsvorwurf wies der Mann zurück.

Es folgte eine schwer verständliche Erklärung, warum er die Aktion dennoch gestartet hatte. Die Rede ist von einer Software, mit dem man User des Darknets, die eine bestimmte Zugangssoftware nutzten, identifizieren könne. Von Verschlüsselungen und dem Versuch, das Programm zu verkaufen. Die Software habe er unter Realbedingungen testen wollen.

Die Geschichte von der «Werbeveranstaltung für ein Computerprogramm», das er verkaufen wolle, glaubte das Gericht nicht. Es sei dem Mann, der Schulden von bis 40.000 Euro hat, darum gegangen, Geld von Coop zu erhalten. Besonders verwerflich für die Richter ist, dass der Erpresser mit der Gefährdung von Kindern gedroht hat. «Die halbe Stadt war beunruhigt.» Von Birgitta von Gyldenfeldt, dpa

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