Pensionierungswelle steht ins Haus: Eltern und Gewerkschaften in Thüringen fordern 2500 Lehrer zusätzlich

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ERFURT. Alte Lehrerkollegien, abwandernde Referendare und hohe Stundenausfälle: Die Landesregierung müsse schnellstens gegensteuern, verlangt ein breites Bündnis von Betroffenen.

Die Vertreter von Schülern, Eltern und Lehrern in Thüringen schlagen Alarm: Sie fordern die sofortige Einstellung von 2500 zusätzlichen Lehrern. «Wir wissen die bisherigen Anstrengungen der Landesregierung zwar zu schätzen, angesichts der aktuellen Zustände herrscht aber akuter Handlungsbedarf», sagte Roul Rommeiß von der Landeselternvertretung Thüringen am Mittwoch in Erfurt. Ein Kraftakt sei nötig, um die Schulen wieder handlungsfähig zu machen. Neben dem hohen Stundenausfall sei die Pensionierungswelle in den kommenden Jahren ein großes Problem.

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In einem Fünf-Punkte-Programm wurde eine Abkehr vom Stellenabbau gefordert. Jede frei werdende Lehrerstelle müsse umgehend neu besetzt werden. Die Schulsozialarbeit müsse personell gestärkt und die 50-Prozent-Stellen an Ganztagsschulen durch Vollzeitstellen ersetzt werden. Für den 1. Juni plant das Bündnis einen Aktionstag. Die Forderungen sollen unter anderem dem Landtag übergeben werden.

Laut Bildungsstaatssekretärin Gabi Ohler sind Befürchtungen über einen Kollaps im Bildungssystem «vollkommen haltlos». Ein solcher habe auch in der vergangenen Woche bei der von der Landesregierung eingerichteten Kommission, bei der die Gewerkschaften und die Landeselternvertretung teilgenommen hätten, keine Rolle gespielt. Das Land stelle deutlich mehr Lehrkräfte und Horterzieher ein, habe die Deckelung freiwerdender Lehrerstellen aufgehoben und befristete Lehrerstellen für Deutsch als Zweitsprache aufgehoben, argumentierte sie.

«Ausfälle sind derzeit in Thüringen eher die Regel als die Ausnahme», sagte Frank Fritze vom Lehrerverband, der seit 2011 mehr Personal an Schulen fordert. Dass die Landesregierung das Problem erkannt habe und gegensteuere, sei zwar begrüßenswert, allerdings erfolge diese Reaktion zu spät und in zu geringem Umfang.

Ungeachtet weiter steigender Schülerzahlen werde kein adäquater Ersatz für die 7500 Lehrer eingestellt, die altersbedingt demnächst aus dem Beruf ausschieden, sagte Bärbel Brockhaus von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Hier sei ein Umdenken nötig.

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«An einigen Schulen in Thüringen herrschen dramatische Zustände. Viele Eltern haben keinen Langmut mehr, um abzuwarten», meinte Rommeiß. Grund- und Regelschulen seien stark vom Lehrermangel betroffen. Trotz Engagements der Landesregierung werde Bildung zu oft nachrangig behandelt – etwa bei der Diskussion um die mögliche Verwendung von Steuerüberschüssen: «Dass Naturlehrpfade vor der Finanzierung von Schulen angesprochen wurden, zeigt die Prämissen der Landesregierung», betonte er.

Die Landesregierung hatte im Februar angekündigt, 2018 insgesamt 900 und im Folgejahr 650 Lehrer einzustellen. Nach Ansicht des Bündnisses reicht das bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Ob es genug geeignete Bewerber für die Stellenoffensive gibt, ist unklar. dpa

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