Archäologie: Mittelalterliche „Zombie-Abwehr“ entdeckt – Knochenspuren weisen auf Rituale gegen Untote hin

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PORTSMOUTH. Die Furcht vor Untoten saß tief bei den Menschen von einst. Verstümmelungen von Leichen sollten eine Rückkehr verhindern, berichten mittelalterliche Autoren. Britische Forscher sehen in malträtierten Knochen nun einen Hinweis auf derlei Methoden.

Der Glaube daran, dass manche Verstorbene nach dem Tod keine Ruhe finden, ist in verschiedenen Kulturen verbreitet. Foto: Der Totentanz in der Dreifaltigkeitskirche von Hrastovlje/Slowenien (um 1490). Marjan Smerke / Wikimedia Commons

Brand- und Schneidespuren an Knochen werten britische Wissenschaftler als Hinweis auf eine mittelalterliche Zombie-Abwehr. Die im Norden Englands vergrabenen Menschen seien wohl nach ihrem Tod verstümmelt worden, damit sie nicht als Untote wieder auftauchten, berichten sie im «Journal of Archaeological Science». «Wenn wir richtig liegen, dann ist dies der erste gute archäologische Beweis, den wir für diese Vorgehensweise haben», sagt Studienleiter Simon Mays von der staatlichen Denkmalpflegebehörde Historic England in Portsmouth.

Der Glaube daran, dass manche Verstorbene nach dem Tod keine Ruhe finden, ist in verschiedenen Kulturen verbreitet. In nordischen Sagas treten Untote als «Wiedergänger» auf, in Osteuropa als «Vampire» und in der Karibik als «Zombies». In mittelalterlichen Schriften aus verschiedenen Teilen Europas wird von Toten berichtet, die aus dem Grab aufstehen und die Lebenden heimsuchen. So soll auch die Tradition der Totenwache auf die Furcht vor dem Wiedererwachen des Verblichenen zurückgehen.

Einige mittelalterliche Autoren erwähnen Methoden, um Leichen daran zu hindern, als Untote zu erscheinen. Dazu gehören das Enthaupten und die Verstümmelung der Leiche sowie das Verbrennen von Körperteilen. Das Team um Mays hat nun eine Reihe von Hinweisen zusammengetragen, die darauf hindeuten, dass im verlassenen Ort Wharram Percy im Norden Englands solche Methoden praktiziert wurden. Wharram Percy wurde vermutlich kurz nach 1500 aufgegeben. Seit 1950 ist die Ortschaft gründlich von Archäologen untersucht worden. Auf diese Ausgrabungen beziehen sich die aktuellen Forschungen.

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Konkret geht es um 137 Knochen aus drei Gruben jenseits des örtlichen Friedhofs. Die Knochen konnten mindestens zehn verschiedenen Menschen zugeordnet werden, darunter drei Frauen und zwei Kinder. 17 Knochen weisen Schneidespuren auf, 17 weitere verkohlte Stellen. Der Altersbestimmung einiger Knochen mit der Radiocarbon-Methode zufolge stammen die menschlichen Überreste vermutlich aus verschiedenen Jahrhunderten. Dies würde ein einmaliges Ereignis – etwa einen kriegerischen Überfall – ausschließen.

Die Untersuchung von Zahnschmelz wies darauf hin, dass die Überreste von Menschen stammen, die in der Gegend aufgewachsen sind, also keine Fremden waren. Zum Vergleich wurden die Zähne von Leichen herangezogen, die auf dem regulären Friedhof bestattet wurden. Die Forscher erwägen, dass die gefundenen Spuren auf Fälle von Kannibalismus während einer Hungersnot hinweisen könnten. Dann aber müssten die Schneidespuren an den Knochen eher an den Muskelansätzen oder an den großen Gelenken zu finden sein, schreiben sie. Dies sei nicht der Fall, vielmehr deuteten die Schnittspuren auf Enthauptungen und Verstümmelungen nach dem Tod hin.

Skepsis in Deutschland

Iris Nießen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist sich da allerdings nicht so sicher. Die englischen Forscher seien zwar gründlich und mit modernen Methoden vorgegangen. «Doch die Interpretation der Funde ist der Knackpunkt.» Radiocarbon-Datierungen hätten ihre Tücken, erklärt die Expertin, die nicht an der Untersuchung beteiligt war. Trotz der Hinweise auf ein unterschiedliches Alter der Knochen könne durchaus eine einzelne Katastrophe oder ein kriegerisches Ereignis die Ursache für den Tod der Menschen gewesen sein.

«Die Ergebnisse zu deuten ist schwierig, und deshalb sollten einzelne Hinweise nicht überbewertet werden», sagt Nießen. So wiesen die Autoren selbst darauf hin, dass es ungewöhnlich sei, dass von den Vorsorgemaßnahmen gegen Untote auch Kinder und Frauen betroffen gewesen seien.

Bei den heute Lebenden wecken Funde, die mit der Bekämpfung von Untoten in Verbindung stehen könnten, jedenfalls großes Interesse. So schrieben 2013 polnische Medien über Entdeckungen in Gliwice (Gleiwitz, Polen) von einem «Vampirfriedhof». Dort waren Skelette gefunden worden, die mit ihren abgetrennten Schädeln zwischen den Knien oder Händen bestattet worden waren. Und in der bulgarischen Hauptstadt Sofia wurde 2012 das Skelett eines angeblichen Vampirs samt ihn durchbohrenden Eisenpfahl im Nationalen Museum für Geschichte ausgestellt. dpa

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sofawolf
7 Jahre zuvor

In einigen ländlichen Regionen Europas soll es diesen Glauben und die entsprechenden Riten ja immer noch geben. Ich erinnere mich an einen Bericht aus Rumänien.