Neue Motivation für den anstrengende Lehreralltag sammeln – so klappt es mit dem Sabbatjahr

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FRANKFURT/MAIN. In einem Freijahr können sich Lehrer eine Auszeit von Schule und Unterricht nehmen. Das Angebot kommt bei vielen Beamten gut an. Lehrerin Brigitte Vock nimmt es bereits zum zweiten Mal in Anspruch.

Schulfrei für ein ganzes Jahr – was nach einem Traum frustrierter Schüler klingt, können sich in Hessen Lehrer im sogenannten Sabbatjahr zwölf Monate lang erfüllen und vom Arbeitsalltag pausieren. Brigitte Vock machte vor sieben Jahren zum ersten Mal ein sogenanntes Sabbatical. Nun geht es für die 62-jährige Lehrerin der Frankfurter Weißfrauenschule im Sommer in die nächste Runde – ein weiteres Jahr ohne Schulverpflichtungen.

Die einjährige Auszeit vom Beruf suchte Vock jedoch nicht, um sich von einer Überarbeitung zu erholen. «Der Lehrerberuf ist interessant, aber ich wollte sehen, was das Leben noch so bietet. Das war meine Ausgangsmotivation», erzählt sie. Erst im Alter von 42 Jahren kam Vock in den Schuldienst, arbeitete zuvor in unterschiedlichen kreativen und pädagogischen Berufen.

Um ihrer «musikalischen Neigung nachzugehen» und ein weiteres Fach unterrichten zu können, legte sie während ihres ersten Sabbatjahres 2010 neben Reisen nach Kreta, Kroatien und Äthiopien die Schulmusikprüfung ab. Dazu ging die Förderschullehrerin zurück an die Hochschule, paukte mit deutlich jüngeren Kommilitonen im Hörsaal. «Das hat meinen Horizont enorm erweitert. Ich hätte das parallel zu meiner Arbeit an der Schule nicht geschafft», sagt Vock.

Derzeit befinden sich nach Angaben des Kultusministeriums in Hessen rund 200 Lehrkräfte in der Freistellungsphase eines Sabbatjahr-Modells, während etwa 680 Lehrkräfte auf eine spätere Freistellung ansparen. Die Beamten haben zwei Möglichkeiten, in diese Teilzeitform einzusteigen: Sie erhalten bei gleichbleibender Arbeitszeit bis zu sechs Jahre lang weniger Gehalt – oder arbeiten bei gleichbleibender Besoldung mehr. Auf beide Ansparmodelle folgt das Sabbatical, das auch kürzer als ein Jahr ausfallen kann.

Ein Ansparen durch Mehrarbeitszeit werde selten in Anspruch genommen, hat Reinhard Besse von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beobachtet. «Deshalb empfiehlt sich eine frühzeitige Planung, sobald die Idee zum Sabbatjahr aufkommt. Das Optimum ist eine möglichst lange Ansparphase», sagt der Personalrat aus Kassel. Auch Brigitte Vock wählte das Modell mit gekürzter Besoldung. Eine Aufstockung der Stundenzahl wäre «zu anstrengend, zu viel Arbeitsaufwand gewesen. Ich merke das finanziell schon, doch das ist es mir wert.»

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Die Vorbereitung für ein Sabbatjahr bezeichnet Vock als «geringen Aufwand». Über die Schulleitung wird das Freijahr beim Staatlichen Schulamt beantragt und genehmigt, «sofern dienstliche Belange dem Freijahr nicht entgegenstehen», erläutert Philipp Bender vom Kultusministerium. Diese stünden «in der Regel bei Anträgen von Schulleiterinnen und Schulleitern entgegen, da diese Stellen während des Freistellungsjahres nicht neu besetzt werden können.»

Reinhard Besse von der GEW sagt, dass zwar kein Rechtsanspruch auf ein Freistellungsjahr bestehe. Doch dass ein Sabbatjahr abgelehnt werde, habe er selten mitbekommen. Brigitte Vock brauchte im Gegensatz zu ihrem ersten Sabbatjahr zwei Anläufe, bis sie eine Genehmigung für ihr anstehendes Freistellungsjahr erhielt.

Verpflichtendes Sabbatjahr für alle Lehrer; Foto: IchZeit / Flickr (CC BY-NC-ND 2.0)
Das Sabbatjahr nützt auch dem Arbeitgeber, betont der Personalrat; Foto: IchZeit / Flickr (CC BY-NC-ND 2.0)

Dieses möchte sie nun nutzen, um Musik zu machen, zu schreiben, zu fotografieren und «einfach mal ein bisschen Luft zu holen». Zum Start im Sommer werde Vock deshalb «nur Löcher in die Luft schauen und die Zeit fließen lassen», bevor es sie wieder quer durch die Welt zieht. Neben einer Reise mit ihrem Mann nach Äthiopien will sie in ihrem ehrenamtlichen Verein in Ecuador aushelfen, der die Kinder einer Dorfschule mit warmem Mittagessen versorgt.

Aus der Möglichkeit, «alles mit Zeit und Ruhe erledigen zu können, auch die banalen Dinge im Alltag», habe sie nach ihrem ersten Sabbatical viel Anregung und Energie in den Arbeitsalltag mitgenommen. Ähnliches beobachtete sie auch bei anderen Kollegen. «Sie kommen mit einem anderen Blick, frischer Energie und neuen Ideen zurück. Nach dem Sabbat ist man belastbarer.» Das bestätigt auch Reinhard Besse: «Das Sabbatjahr hilft den Beamten. Etliche Lehrkräfte erzählten, wieder richtig Lust auf die Arbeit bekommen zu haben. Das Freijahr ist im Sinne des Staates, da die Lehrer gesünder zurückkehren.»

Während ihres Sabbaticals brach Vock den Kontakt zu ihrer Schule nicht ab, half gelegentlich bei Projekten – auch aus dem Ausland. «Ich arbeite gerne in meinem Beruf und hatte mich nach dem Sabbatjahr sehr auf meine Rückkehr und die Kollegen gefreut», sagt Vock. So richtig einlassen auf das bald anstehende Freijahr könne sie sich noch nicht. «Das ist für mich noch weit weg. An der Schule gibt es vorher noch viel zu tun.» Madeleine Hesse/dpa

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