Baden-Württembergischer Privatschulstreit (fast) beigelegt

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STUTTGART. Eine Einigung im jahrelangen Finanzierungsstreit zwischen Land und Privatschulen in Baden-Württemberg hatte sich abgezeichnet. Nun brachte das Stuttgarter Kabinett einen Gesetzesentwurf auf den Weg, der den Privatschulen schon ab dem kommenden Schuljahr deutlich mehr Geld bringen soll. Das Land kommt damit gerade noch fristgerecht einem Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2015 nach. Spricht Ministerin Eisenmann von einem „Meilenstein“, moniert der Privatschulverband den hohen Verwaltungsaufwand.

Nach jahrelangem Ringen zwischen Land und Privatschulen im Südwesten soll die Förderung der Schulen in freier Trägerschaft deutlich erhöht werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) gab das Kabinett in dieser Woche zur Anhörung frei. Demnach lässt sich das Land die Grundförderung der Privatschulen und den sogenannten Schulgeldausgleich insgesamt 65 Millionen Euro im Jahr kosten. Damit bekenne sich die Landesregierung zu diesen Schulen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). «Sie haben sich bewährt.»

Der Streit ums liebe Geld ist beigelegt: Bis zu 90 Prozent der Kosten eines staatlichen Schülers können die baden-württembergischen Schulen in freier Trägerschaft künftig erhalten. Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de
Der Streit ums liebe Geld ist beigelegt: Bis zu 90 Prozent der Kosten eines staatlichen Schülers können die baden-württembergischen Schulen in freier Trägerschaft künftig erhalten. Foto: Andreas Hermsdorf / pixelio.de

Kultusministerin Eisenmann wertete die Neuregelung als «Meilenstein» in der Beziehungen von Land und Schulen in freier Trägerschaft. Mit der Novelle des Gesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft werde eine zentrale Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Schon für das Schuljahr 2017/18 erhalten die Schulen die höheren Fördermittel. Insgesamt zahlt das Land derzeit an die Privatschulen knapp 900 Millionen Euro – in Zukunft nähert sich die Summe einer Milliarde Euro an. Der Verband der Privatschulen ist im Großen und Ganzen zufrieden mit der Novelle, sieht aber noch ein paar strittige Detailfragen

Mehr als jeder elfte Schüler im Südwesten besucht eine private allgemeinbildende Schule. Davon gibt es 406. Die Zuschüsse des Landes steigen auf 80 Prozent der Kosten an, die es je Schüler an einer öffentlichen Schule auch zahlen müsste. Dieser Kostendeckungsgrad liegt derzeit mit einem Schnitt von 78,1 Prozent darunter. Die Neuregelung kostet das Land 15 Millionen Euro im Jahr zusätzlich.

Für den sogenannten Schulgeldausgleich kommen rund 50 Millionen jährlich hinzu. Er wird gezahlt, wenn Schulen insbesondere sozial schwächeren Eltern ganz oder teilweise das Schulgeld erlassen und Ausgleich dafür beantragen. Damit können Schulen eine Kostendeckung von maximal 90 Prozent erreichen. Das Land erwartet eine Eigenleistung der Schulen in Höhe von zehn Prozent der Bruttokosten eines öffentlichen Schülers, die sie etwa aus Spenden, Budgets von Trägervereinen oder Querfinanzierung aus kirchlichen Vermögen bestreiten können. Mit dem Schulgeldausgleich zieht das Land die Konsequenz aus einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs.

Die SPD im Landtag äußerte sich positiv zur höheren Grundförderung. Es sei aber bedenklich, dass im zugrundeliegenden Kostenmodell einige wichtige Aufwendungen, die jede Schule zahlen muss, weiter nicht abgebildet würden, sagte der Abgeordnete Stefan Flust-Blei. «Für Kostenpunkte wie den Ganztagsbetrieb oder Schulsozialarbeit muss mittelfristig eine Lösung gefunden werden, wenn beide Seiten nicht alle paar Jahre an den Verhandlungstisch wollen.» Aus Sicht der FDP im Landtag ist die Gesetzesnovelle keine Ideallösung. Bildungsexperte Timm Kern monierte, die Ministerin baue mit ihrer Weigerung, Ganztagsangebote freier Schulen zu fördern, eine soziale Barriere auf.

Die Geschäftsführerin des Privatschulverbandes, Christina Metke, merkte an, es komme nun darauf an, im Gesetzgebungsprozess einen zu hohen Bürokratieaufwand sowohl für die Schulen als auch die Kultusverwaltung zu vermeiden. «Hier sehen wir noch Nachbesserungsbedarf.» Eisenmann sagte, Transparenz der Mittelverwendung sei notwendig. Der Verwaltungsaufwand solle aber nicht exorbitant steigen. (dpa)

Wie viel staatliche Förderung sollen Privatschulen bekommen? In Baden-Würtemberg ist nach jahrelangem Streit eine Einigung in Sicht

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anislim
6 Jahre zuvor

Der Artikel könnte beim Leser den irrtümlichen Eindruck hinterlassen, dass der Staatsgerichtshof eine Erhöhung der staatlichen Finanzhilfen verlangte.
Tatsächlich forderte das Gericht nur eine Konkretisierung der Schülerkosten und eine Abgrenzung zwischen Schulgeld (= Entgelt für Unterricht u. Lehrmittel) und den darüber hinausgehenden Eigenleistungen.
Schließlich soll es nur einen Ausgleich für nicht erhobene Schulgelder geben.
Bei der damals klagenden Waldorfschule Nürtingen wurden damals für 2003 Deckungslücken von durchschnittlich ca. 95 Euro festgestellt, die mit Schulgeld zu schließen wären. (VGH BW, 9 S 233/12, 11.4.2013, Rn. 149 https://openjur.de/u/625307.html ). Wird auf dieses Schulgeld verzichtet, würde das Land der Schule dafür künftig einen Ausgleich zahlen.
Laut Verfassungsgerichtshof (vorher StGh) unterliegen nicht nur die Schulgelder, sondern alle Eigenleistungen, die von Eltern verpflichtend zu zahlen sind, dem Sonderungsverbot gem. GG Art. 7 IV 3. (Urteil 1 VB 130-13 v. 6.7.2015 ).
In dem derzeit zu prüfenden Gesetzentwurf* sieht man das Sonderungsverbot erst ab einem durchschnittlichen Betrag von 161 Euro verletzt. Danach stellte das dort erwähnte IAW-Gutachten für 8/2016 fest, dass das durchschnittliche Einkommen aller Baden-Württembergischen Haushalte mit Schulkindern für – dem Sonderungsverbot unterliegende Eigenleistungen – 160 Euro aufbringen könnte.
Ob das unveröffentlichte IAW-Gutachten auch die vom Einkommen abhängigen Grenzen der zumutbaren Opferbereitschaft untersuchte, ist nicht bekannt.
Wem auch diese Informationen fehlen, wird jedoch weiterhin nicht klar sein, wie Schulgelder und Co zulässig ermittelt und verlangt werden dürfen. (S.a. Artikel „Bundesländer missachten das Grundgesetz“ in der Erziehungskunst, 5. Absatz, http://www.erziehungskunst.de/nachrichten/wissenschaft/privatschulen-bundeslaender-missachten-grundgesetz/?tx_ttnews%5Bpointer%5D=1 )

Dass so wenig Bürger an der bis 9.6.2017 möglichen Kommentierung* des weitreichenden Gesetzentwurfes* teilnahmen liegt wahrscheinlich daran, dass fast niemand über die Folgen für das staatliche Schulwesen informiert wurde, auf die der Landeselternbeirat laut Urteil v. 6.7.2015 hinwies:
„Der Landeselternbeirat hat mit Schreiben vom 2. April 2015 Stellung genommen. Darin würdigt er die in Art. 14 Abs. 2 LV gegebene Wahlmöglichkeit der Eltern und begrüßt die Vielfalt im Schulwesen, einschließlich der Privatschulen. Gleichwohl ist er der Auffassung, dass die Privatschulförderung des Landes Art. 14 Abs. 2 Satz 3 LV genügt. Die komplette Übernahme eines bisher an Privatschulen zu zahlenden Schulgeldes durch den Staat würde die Elternrechte bei der Schulwahl nicht verbessern. Denn diese finanzielle Leistung würde nur die unternehmerische Sicherheit der Privatschulen erhöhen. Die Entscheidung über die Auswahl der Schüler bliebe jedoch den Privatschulen vorbehalten und wäre kaum überprüfbar. Zudem hätte der Wegfall von Schulgeld an Privatschulen Auswirkungen auf die staatlichen Schulen. Es würden mehr Schüler auf Privatschulen gehen. In Zeiten allgemein zurückgehender Schülerzahlen hätte dies zur Folge, dass in vermehrtem Umfang staatliche Schulen geschlossen werden müssten. Die Elternrechte an privaten Schulen seien rechtlich nicht abgesichert. Auch hätte der Staat weniger Möglichkeiten, seine pädagogischen Konzepte durchzusetzen. Die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Beratungsgremien, wie des Landeselternbeirates, gingen zurück.“ Quelle: https://openjur.de/u/857446.html Staatsgerichtshof BW Urteil 1 VB 130/13 Rand-Nr. 95.

Dass das Land deren Bedenken nicht ernster nimmt, hängt sicher mit den Einsparungen zusammen, die jeder zusätzliche Privatschüler ermöglicht.
Und die Aussicht auf höhere Finanzhilfen, die so viel mehr als das „verfassungsrechtliche Existenzminimum“ gewährleisten, macht es immer attraktiver, Privatschulen zu gründen, und staatliche Schulen zu ersetzen.
Vor allem weil auch davon auszugehen ist, dass „.. anerkannte Privatschulen zeigen, dass die Bundesländer das Verbot einer Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen nicht ernst nehmen“ . (Rn. 47 im Urteil FG Köln, 14.2.2008, 10 K 7404/01.)
Tatsächlich wird das Sonderungsverbot nur dafür genutzt, die Privatisierung des Bildungswesens zu fördern. Das zeigen auch die Forderungen und Überlegungen, die der in 2016 veröffentlichten WZB-Studie folgten. ( https://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/genehmigung-von-privatschulen-bundeslaender-missachten-grundgesetz , http://www.sueddeutsche.de/bildung/schule-bei-der-kontrolle-von-privatschulen-missachten-die-bundeslaender-das-grundgesetz-1.3254758 ).
31.5.2017 Berlin: https://www.morgenpost.de/berlin/article210749651/Privatschulen-sollen-ab-2019-besser-finanziert-werden.html .
Dabei werden schon die bisherigen Finanzhilfen auch unnötig u. zweckfremd verwendet. (Siehe Antw. 11 b lt. Drs. https://joschka-langenbrinck.de/wp-content/uploads/sites/4/2017/04/S18-10783.pdf und Drs. 18-11128 v. 17.5.2017 https://kleineanfragen.de/berlin/18/11128-privatschulen-in-berlin-jetzt-mal-tacheles-lmb-schulgeld-gebuehren-sonderungsverbot )

Auch in Niedersachsen gibt es Forderungen, „… dass die Schülerkosten künftig zu 100 Prozent gedeckt werden. “ : 23.5.2017 http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Region/Wennigsen/Nachrichten/Regionspraesident-Hauke-Jagau-besucht-Freie-Waldorfschule-Sorsum

Dabei zeigen alle Bundesländer in denen hohe Finanzhilfen gezahlt werden, dass auch deren Finanzhilfen weder dazu führten, dass die Schulgelder oder die Sonderung der Schüler geringer wurden oder die Lehrergehälter überall ausreichend angehoben wurden. (Drs. 19-1632 Hessen Antw. …9, 13, 25, 26 … http://starweb.hessen.de/cache/DRS/19/2/01632.pdf .)

Daher ist kaum zu erwarten, dass das Grundgesetz mit dem Gesetzentwurf in BW beachtet wird, oder sich die Bedingungen für die Schüler, die zurzeit noch zu 90 % staatliche Schulen nutzen, verbessern.

Baden-Württemberg:
Vorblatt D: „…Die im Gesetzentwurf vorgesehene Zuschusserhöhung sichert zudem die finanzielle Ausstattung der Ersatzschulen verlässlich über das verfassungsrechtliche Existenzminimum hinaus ab.“ Quelle:
https://web.archive.org/web/20170612123228/https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/beteiligungsportal/KM/Dokumente/170523_Gesetzentwurf-zur-Aenderung-des-Privatschulgesetzes.pdf

bis 9.6.2017 erfolgte Kommentierung des BW-Gesetzentwurfes https://web.archive.org/web/20170616071438/https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/kommentieren/lp-16/aenderung-des-privatschulgesetzes/

sofawolf
6 Jahre zuvor

Genau, so ist es letztlich:

ZITAT: „Die komplette Übernahme eines bisher an Privatschulen zu zahlenden Schulgeldes durch den Staat würde die Elternrechte bei der Schulwahl nicht verbessern. Denn diese finanzielle Leistung würde nur die unternehmerische Sicherheit der Privatschulen erhöhen. Die Entscheidung über die Auswahl der Schüler bliebe jedoch den Privatschulen vorbehalten und wäre kaum überprüfbar. Zudem hätte der Wegfall von Schulgeld an Privatschulen Auswirkungen auf die staatlichen Schulen. Es würden mehr Schüler auf Privatschulen gehen. In Zeiten allgemein zurückgehender Schülerzahlen hätte dies zur Folge, dass in vermehrtem Umfang staatliche Schulen geschlossen werden müssten. Die Elternrechte an privaten Schulen seien rechtlich nicht abgesichert. Auch hätte der Staat weniger Möglichkeiten, seine pädagogischen Konzepte durchzusetzen. Die Mitgestaltungsmöglichkeiten der Beratungsgremien, wie des Landeselternbeirates, gingen zurück.“ Quelle: https://openjur.de/u/857446.html Staatsgerichtshof BW Urteil 1 VB 130/13 Rand-Nr. 95. „

anislim
6 Jahre zuvor

Das Ministerium Baden-Württemberg hat auf die Kommentare zu seinem Gesetzentwurf „Zur Änderung des Privatschulgesetzes“ hier geantwortet:

https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/mitmachen/lp-16/aenderung-des-privatschulgesetzes/antwort-des-ministeriums/

Am 20.7.2017 fand dazu eine erste Beratung statt:
GesEntw LReg 11.07.2017 Drs 16/2333 (42 S.)
1. Beratung PlPr 16/40 20.07.2017 S. 2260-2268
http://www.statistik-bw.de/OPAL/Ergebnis.asp?WP=16&DRSNR=02333

Eine Veröffentlichung des IAW-Gutachten, mit dem die 160 Euro-Schulgeldgrenze begründet wird, wurde bisher abgelehnt. Das Gutachten kann aber – nach Terminvereinbarung – in den Räumen des Kultusministeriums eingesehen werden.

Das im Juli auf der Bundespressekonferenz vorgestellten Gutachten „Das missverstandene Sonderungsverbot …“* von Prof. Brosius-Gersdorf hält die im Gesetzentwurf für Baden-Württemberg geplante 160 Euro-Schulgeldgrenze für rechtswidrig!

Zitat:“ Eine solche Obergrenze, wie sie derzeit in Baden-Württemberg diskutiert werde, garantiere nicht, dass auch Kinder aus armen Familien Privatschulen besuchen könnten. Sie sei deshalb rechtswidrig, heißt es in der am Montag in Berlin vorgestellten Expertise.“
rbb24 am 31.7.2017 https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2017/07/gutachten-schulgeld-privatschulen-keine-obergrenze.html

Auf diese Kritik und die Tatsache, dass an den jeweiligen Schultypen überhaupt gar keine Deckungslücken in Höhe von 160 Euro bestehen, die entsprechende Schulgelder rechtfertigen würden, ist das Ministerium bisher nicht eingegangen.

Zur Erinnerung: Das Bundesverwaltungsgericht und der VGH gehen in ihren Urteilen (6 C 18/10 u. (9 S 233/12) für den Privatschultyp „Waldorfschule“ für 2003 von Deckungslücken bis höchstens 95 Euro aus, die mit SCHULGELD zu schließen sind.

Im Gliederungspunkt 5.2. der Ergänzungen zum Gesetzenwurf bestehen verbleiben für private Grundschulen und private Realschulen Deckungslücken von mtl. 84 Euro, bzw. 93 Euro!

(s.a. Seite 18, – Ergänzungen zum Gesetzentwurf https://web.archive.org/web/20170910084520/https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/beteiligungsportal/KM/Dokumente/170523_Gesetzentwurf-zur-Aenderung-des-Privatschulgesetzes.pdf )

anislim
6 Jahre zuvor
Antwortet  anislim

* Hier der Link zum Gutachten:
Das missverstandene Sonderungsverbot
für private Ersatzschulen (Art. 7 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 GG)
Inhalt des Sonderungsverbots und Konsequenzen für
den Gesetzgeber sowie die Schulbehörden
Rechtsgutachten
im Auftrag der
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
von
Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf, LL.M.
Leibniz Universität Hannover
Hannover, Juli 2017

https://www.freiheit.org/sites/default/files/uploads/2017/08/01/gutachtensonderungsverbotfuerpriversatzschulen.pdf