Hamburg will verbindlichere Berufsorientierung in der Oberstufe

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HAMBURG. Das neue, benotete Berufsorientierungsangebot an Hamburgs Gymnasien und Stadtteilschulen, unter anderem mit Kammern und Unternehmensverbänden entwickelt, sieht 34 Stunden Unterricht vor. Bildungssenator Rabe erhofft sich weniger Studienabbrüche und einen höheren Stellenwert der dualen Berufsausbildung bei Oberstufenschülern

Abitur – was nun? Damit diese Frage gar nicht erst auftaucht, werden Hamburgs Oberstufenschüler an Gymnasien und Stadtteilschulen künftig verpflichtend auf mögliche Ausbildungswege nach dem Abitur vorbereitet. Dazu werden vom kommenden Schuljahr an in der Studienstufe unter anderem mindestens 34 Schulstunden reserviert, an jeder Schule ein Fachleiter abgestellt und auch ein eigener Lehrplan entwickelt, wie Schulsenator Ties Rabe (SPD) sagte. Die Leistungen der Schüler wiederum würden dann auch benotet, denn «dann findet das garantiert statt und alle machen auch richtig mit». Ein ähnliches Modell gibt es bereits seit rund vier Jahren in der Mittelstufe der Stadtteilschulen.

Viele Oberstufenschüler sind nur oberflächlich berufsorientiert. Hamburgs Bildungssenator Rabe will ihre Berufsorientierung verpflichtender gestalten. Foto: Dirk Vorderstraße / flickr (CC BY 2.0)
Viele Oberstufenschüler sind nur oberflächlich berufsorientiert. Hamburgs Bildungssenator Rabe will ihre Berufsorientierung verpflichtender gestalten. Foto: Dirk Vorderstraße / flickr (CC BY 2.0)

Hintergrund des vom Schuljahr 2018/19 verpflichtenden Angebots ist die relativ hohe Abbrecherquote an Hochschulen auf der einen und die hohe Zahl freier Lehrstellen auf der anderen Seite. Schulsenator Rabe machte keinen Hehl daraus, dass er so auch mehr junge Leute mit Hochschulzulassung in eine duale Ausbildung bringen möchte. «Die Automatik, mit der viele ins Studium streben, ist gemessen daran, wo später der Erfolg wirklich stattfindet, nicht immer vernünftig», sagte Rabe. Er wolle niemandem das Studium ausreden. Aber die jetzige Praxis zeige, «dass die Studienentscheidung doch häufig zu schnell getroffen wird und offensichtlich vielleicht auch ein Informationsmangel über die duale Berufsausbildung der Grund ist».

Rabe verwies auf eine Allensbach-Studie im Auftrag der Vodafone Stiftung aus dem Jahr 2014, wonach 74 Prozent der Gymnasiasten an die Hochschulen strebten – und das, obwohl sich 37 Prozent unzureichend über ihre berufliche Möglichkeiten informiert fühlen. Die Eltern seien dabei auch kaum mehr eine Hilfe, hätten doch inzwischen 51 Prozent von ihnen gar keine Vorstellungen davon, was ihr Kind einmal werden könnte, sagte Rabe. Grund sei wohl auch das kaum zu durchschauende Angebot von mehr als 300 Ausbildungsberufen und «sage und schreibe 17 000 verschiedenen Studiengängen».

In Hamburg betreffe das von der Schulbehörde, den Kammern, den Unternehmensverbänden und den Gewerkschaften entwickelte Angebot rund 24 000 Schüler. Jeder soll dabei eine Stärken- und Schwächenanalyse durchlaufen, eine Orientierung über den Arbeitsmarkt an sich erhalten und über die verschiedenen Beratungsstellen wie Jugendberufsagentur, Arbeitsagentur oder Jobcenter informiert werden. Zudem soll sich jeder Schüler etwa in einer benoteten Hausarbeit mit seinen eigenen Berufswünschen auseinandersetzen, sagte Rabe.

Vertreter der Handelskammer, des Unternehmensverbands Nord und auch der FDP begrüßten die neue Berufs- und Studienorientierung. Die Liberalen kritisierten jedoch gleichzeitig, dass das Angebot zu spät komme und außerdem schon in der Mittelstufe beginnen müsse. Die Linken wiederum nannten die Ausstattung ungenügend: «Es werden keine zusätzlichen Lehrkräfte dafür eingestellt, das Ganze soll praktisch nur im Bereich Fortbildung finanziert werden und Praktika sind gar nicht erst vorgesehen – das hilft niemandem weiter.» (dpa)

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