„Überhaupt nicht leistbar“: Bundesweit abgestimmtes Abitur führt laut Philologen zu unzumutbaren Arbeitszeiten bei vielen Lehrkräften

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HANNOVER. Als einen „Skandal“ und einen „eklatanten Verstoß der Kultusministerin gegen arbeitszeitrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Vorschriften“ hat der Philologenverband Niedersachsen die Terminsetzung für die schriftlichen Abiturprüfungen 2017 bezeichnet. Dadurch ergäben sich für viele Lehrkräfte unzumutbare Arbeitszeiten.

Beim Mini-Deutschland-Abitur bedienen sich die Länder aus einem gemeinsamen Aufgabenpool. Foto: S. Hofschlaeger / pixelio.de
Beim Mini-Deutschland-Abitur bedienen sich die Länder aus einem gemeinsamen Aufgabenpool. Foto: S. Hofschlaeger / pixelio.de

Die Abiturprüfungen in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik stammen in diesem Jahr erstmals aus einem gemeinsamen Aufgabenpool und sie sind bundesweit terminlich abgestimmt – was zu zeitlichen Problemen führe, monieren die niedersächsischen Philologen. „Für die Korrektur allein der schriftlichen Abiturarbeiten benötige eine Lehrkraft in diesen zentralen Fächern des Abiturs, je nach Fach und Größe der Lerngruppe, durchschnittlich 80 Stunden, für die nur eine geringe Zahl von Arbeitstagen zur Verfügung steht“, so heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands. Diese Terminenge sei geradezu unerträglich, da die betroffenen Lehrkräfte gleichzeitig auch noch ihren normalen unterrichtlichen und weiteren dienstlichen Verpflichtungen nachkommen müssten. „Eine Vollzeitlehrkraft hat so eine Wochenarbeitszeit von 80 Stunden und mehr zu leisten. Das ist nicht nur ein glatter Verstoß gegen alle arbeitszeitrechtlichen Vorschriften, sondern das ist überhaupt nicht leistbar“, unterstrich der Verbandsvorsitzende Horst Audritz.

Das Mini-Deutschland-Abi ist von einem zentralen Bundesabitur weit entfernt: Gemeinsamer Aufgabenpool bestimmt nur fünf Prozent der Note

Der Philologenverband habe daher schon vor Monaten Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) auf diese sich in diesem Jahr für die betreffenden Fächer ergebende besondere Problematik hingewiesen und dringend Abhilfe gefordert. Doch die Ministerin gefalle sich weiterhin in Untätigkeit. Auch ein kürzlich erfolgter erneuter Vorstoß des Verbandes sei bisher ohne jegliche Antwort geblieben. „Die Ministerin verletzt damit nicht nur ihre Fürsorgepflicht und verstößt gegen arbeitszeitrechtliche Vorgaben, sie stellt damit die betroffenen Lehrkräfte auch vor eine schier unlösbare Aufgabe“, kritisierte Audritz.

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Besonders schlimm und unerträglich sei die Situation auch für Teilzeitlehrkräfte, deren Arbeitszeit normalerweise 20 Stunden betrage und die nunmehr mit 60 Stunden in der Woche belastet seien. Das sei aber umso schwerwiegender, als diese überhöhten beruflichen Belastungen größtenteils Frauen mit Kindern sowie Alleinerziehende träfen, die eine Teilzeitbeschäftigung zur Betreuung ihrer Kinder wählen mussten.

„Wer so wissentlich gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften verstößt und derart sorglos mit seinem Personal umgeht, muss sich nicht wundern, wenn immer weniger junge Menschen Lehrer werden möchten“, unterstrich Audritz und forderte: „Die Ministerin muss jetzt endlich spürbare Maßnahmen für eine rechtskonforme Arbeitszeit der betroffenen Lehrkräfte ergreifen – und zwar unverzüglich.“

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7 Kommentare
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drd
6 Jahre zuvor

Mein Gott, das war schon immer so: Einmal im Jahr Prüfung = Verdichtung.

GriasDi
6 Jahre zuvor
Antwortet  drd

Unabhängig davon verstößt es gegen Gesetze.

Küstenfuchs
6 Jahre zuvor
Antwortet  drd

Nein, das war nicht immer so. Früher war die Korrekturzeit nicht 3-4 Wochen, sondern 2-3 Monate. Es geht doch nicht um die Arbeit ansich – die gehört dazu – sondern um die Zeiträume.

xxx
6 Jahre zuvor

drd hat mit seinem/ihren Kommentar recht. Das mit den durchschnittlich 80 Stunden Korrekturbelastung pro Fach und Lerngruppe aus dem Artikel halte ich jedoch für übertrieben. Da die Mathematiker erfahrungsgemäß deutlich kürzer als die Germanisten bzw. Anglisten brauchen und in jedem anderen Fach deutlich weniger Schüler überhaupt schreiben, müssen die Germanisten mindestens 160 Stunden für die Erstkorrektur oder mindestens 5 Zeitstunden pro Klausur brauchen (bei einem 30er Kurs, der in der Oberstufe eher selten sein dürfte).

Also @ Deutschlehrer: Was ist ein realistischer Wert für die Erstkorrektur einer LK-Klausur im Abitur, Schreibdauer etwa 250 Minuten

GriasDi
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Mit 3 Stunden pro Arbeit kann man schon rechnen. Aber diese Korrekturzeit muss ja neben der normalen Arbeit aufgebracht werden!! Ich habe noch nichts davon gehört, dass diese Lehrer für ihre Korrekturen freigestellt werden!

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Danke für die Info. Die durchschnittlich 80 Stunden reine Korrektur pro Kurs aus dem Artikel sind also wie gedacht weit überzogen, für einen großen Lk in gewissen Fächern aber möglich.

GriasDi
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

In Sprachen korrigieren Sie für einen Kurs zwischen 60 und 90 Stunden. Wo ist die Angabe von 80 Stunden dann weit übertrieben? Und wie gesagt, alles nebenbei. Neben der normalen Arbeit.