Forscher ziehen erstes Fazit aus Praxisstudie: Wie ein Roboter Kita-Kindern Sprachen beibringen kann

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BIELEFELD. Was ein Roboter können muss, um Kindern im Vorschulalter beim Erlernen einer Zweitsprache zu helfen, erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Exzellenzclusters Kognitive Interaktionstechnologie (CITEC) der Universität Bielefeld. Seit 2016 untersuchen sie, ob und wie soziale Roboter als Sprachtrainer geeignet sind. Die Forschung ist Teil des internationalen Projekts L2TOR, gefördert im Forschungsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Kommission. Ein Zwischenfazit laut den Forschenden: Der Roboter motiviert die Kinder zum Lernen und bewirkt, dass sie mehr Vokabeln behalten.

„In unserem Projekt arbeiten wir mit Forschenden aus Informatik, Erziehungs- und Sprachwissenschaft an einer Roboter-Kind-Pädagogik für das Erlernen einer Zweitsprache“, sagt Professor Dr. Stefan Kopp. Er leitet die Forschungsgruppe „Kognitive Systeme und soziale Interaktion“ am Exzellenzcluster CITEC und er ist verantwortlich für das deutsche Teilprojekt von L2TOR (gesprochen: El Tutor). Die Abkürzung steht für „Second Language Tutoring using Social Robots“ (Förderung des Zweitspracherwerbs mit Robotern). Zentrale Fragen in dem Projekt: „Wie kann und soll ein Roboter in Lehr-Lern-Situationen reagieren? Bei welchen Lernaufgaben eignet er sich als Unterstützer? Und was muss er dafür beherrschen?“, sagt Kopp. Ein Projektpartner ist die Firma SoftBank Robotics (ehemals Aldebaran Robotics) aus Paris, die den menschenähnlichen Roboter vom Typ Nao herstellt, der für die Sprachvermittlung mit einem Tablet-PC kombiniert wird.

Das Konsortium aus fünf Universitäten und zwei Unternehmen untersucht, wie Kinder zwischen vier und sechs Jahren auf die Roboter als Sprachtrainer reagieren. Kopp sieht gleich mehrere Faktoren, warum in diesem Alter die Unterstützung durch Roboter als Sprachbegleiter sinnvoll ist: „Die frühe sprachliche Förderung von Kindern in den Kindertagesstätten hat an Bedeutung gewonnen. Dazu zählt, dass viele Kitas Englisch vermitteln wollen. Hinzu kommt: Viele Kinder wachsen mehrsprachig auf – und dazu gehören insbesondere Kinder aus Familien von Einwanderern und Geflüchteten.“

Das deutsche Team kooperiert mit mehreren Kitas in Bielefeld und Umgebung. In den laufenden Tests geht es zum Beispiel darum, in Verbindung mit englischen Begriffen Haupt- und Verhältniswörter zu üben. Der Bielefelder Roboter namens Robin gibt eine Anweisung für die Anzeige auf einem Tablet-PC: „Setze den ,dog‘ hinter den Baum.“ Das Kind wählt aus mehreren Tieren aus. Wenn es korrekt den Hund hinter den Baum bewegt, bekommt es Lob vom Roboter und die nächste Übung folgt. „Wir hatten zuerst angenommen, dass die Interaktion zwischen Kindern und Robotern schwierig läuft“, sagt Dr. Kirsten Bergmann, die die Studie begleitet. „Das Gegenteil ist der Fall. Die Kinder sind bei der Sache und kommen gut mit den Aufgabenstellungen zurecht.“

Die Bielefelder Forschenden arbeiten in dem Projekt vor allem am Interaktionsmanagement. „Der Roboter soll verstehen, was in dem Kind vor sich geht und sein Verhalten danach ausrichten“, sagt Kopp. Um Aufmerksamkeit und Motivation zu messen, registriert das System zum Beispiel, wohin das Kind guckt, wie schnell es reagiert und wie viele Fehler es macht. „Unsere bisherigen Studien zeigen, dass die Kinder die Fragen und Aufträge des Roboters in den meisten Fällen sehr konzentriert aufnehmen.“

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Wie ein Roboter Kinder beim Erlernen einer Zweitsprache unterstützen kann, untersuchen die Forscher in Bielefeld. Foto: CITEC/Universität Bielefeld

Ebenfalls kann das Projekt belegen, dass Hand- und Armgesten des Roboters sich positiv auf das Lernen auswirken können. In Kooperation mit Projektpartnern an der Universität Tilburg (Niederlande) wurde das Roboter-Lern-System kürzlich mit 80 Kindern getestet. Der Roboter beschreibt den Kindern in ihrer Muttersprache Tiere, und sie sollen auf dem Tablet angeben, welches Tier gemeint ist. In einer Gruppe beschreibt der Roboter die Tiere nur mit Worten. In der anderen Gruppe setzt der Roboter Gestik ein: Für „Chicken“ (Huhn) wackelt er seitlich mit den Armen, für „Monkey“ (Affe) kratzt er sich am Kopf. Die Gesten scheinen einen vorteilhaften Effekt zu haben: „Die Kinder aus der Gruppe, der Gesten gezeigt wurde, haben eine Woche später mehr englische Wörter behalten als die Kinder aus der Kontrollgruppe“, sagt Bergmann.

Normalerweise spricht der Roboter mit einer hohen Stimme, die an Comicfiguren wie die Schlümpfe erinnert. In einem Experiment testeten die Forschenden, ob sich die Stimmlage auf das Lernen auswirkt. Der Roboter spricht mal mit hoher und mal mit tiefer Stimme. „Für den Lernerfolg spielt die Stimmlage des Roboters aber keine Rolle“, berichtet Bergmann. Darüber hinaus scheint die gleichförmige Intonation, die an die Aussprache von Navigationssystemen erinnert, keinen nachteiligen Effekt zu haben. „Die Kinder sprechen die Vokabeln nicht roboterhaft aus, sondern mit der muttersprachlichen Färbung.“

Ab Januar 2018 testet das Bielefelder Team zeitgleich mit den Projetpartnern in den Niederlanden und der Türkei in einer großen Studie mit etwa 400 Kindern über mehrere Wochen, wie gut das L2TOR-System funktioniert. „Wir nehmen an, dass es hilfreich sein kann, dass Roboter in Kitas einen strukturierten Sprachunterricht geben, der sich ständig an die Lernfortschritte der einzelnen Kinder anpasst“, sagt Kopp. „Der Roboter soll mit dieser Fähigkeit den Kindergartenalltag bereichern. Er soll auf keinen Fall zu einer neuen Bezugsperson werden. Bei dem Sprachtraining ist anfangs immer eine Erzieherin oder ein Erzieher dabei.“

Für das Projekt kooperieren die Universität Bielefeld, Plymouth University (Großbritannien), die Universität Tilburg (Niederlande), die Universität Utrecht (Niederlande) und die Koç University (Türkei) mit den Industriefirmen SoftBank Robotics (Frankreich) und Qatar Belgium Modern Technologies (QBMT, Belgien). Insgesamt fördert die Europäische Union das Projekt mit drei Millionen Euro (Förderkennzeichen 688014). Davon gehen 355.000 Euro nach Bielefeld. Das Projekt läuft noch bis Dezember 2018. nin

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Angelika Mauel
6 Jahre zuvor

Wie süß! Der Roboter soll keine neue Bezugsperson werden! Warum eigentlich nicht?

JB
6 Jahre zuvor

Roboter sind Produkte, an denen man gut verdienen kann!
„Bezugspersonen“ klingen nach Leuten, die dafür auch noch bezahlt werden wollen.

Angelika Mauel
6 Jahre zuvor

Ja, es ist ein unbestreitbarer Vorteil der Roboter, dass sie nicht wegen höherer Löhne streiken werden. Und so verständnisvoll wie Erzieherinnen sind, lässt man bestimmt zu, dass die Robbis auf den Personalschlüssel angerechnet werden. Es ist natürlich auch nur faiir, dass die Leiharbeitsfirmen, die die Roboter demnächst entsenden, angemessen entlohnt werden. Auf eine Null mehr kommt es nicht an.

http://www.zeit.de/2017/28/roboter-sprachcomputer-sprachfoerderung-kita/komplettansicht Das Kinderyoga könnte langfristig teurer werden, sofern nur genug Journalisten verbreiten, dass Kinder besser von Robotern unterrichtet werden.
Übrigens waren Wissenschaftler überrascht, über das wohlwollende Interesse der Kita-Erzieher. Seit diese Berufsgruppe danach trachtet, das Kaffeetantenimage loszuwerden, fehlen den Erzieherinnen vielleicht wichtige Stimulantien.

Ich brühe mir gleich mal frischen Kaffee auf.