GEW: Sprachförderung ist eine Langzeitaufgabe für Lehrkräfte – „Landesregierung gefährdet Integration“

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STUTTGART. Viele Flüchtlinge bleiben länger als gedacht in den Vorbereitungsklassen. Und sie benötigen auch in den Regelklassen weiter Sprachförderung. Stellenkürzungen sind deshalb nach Ansicht der GEW fatal. Beim Ministerium läuft sie offene Türen ein.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) klagt über die Bedingungen für Lehrer in Flüchtlingsklassen. Nicht nur seien die Schulen mit einer sehr heterogenen Schülerschaft konfrontiert, sondern hätten auch nicht genügend Stellen, sagte die GEW-Landeschefin Doro Moritz am Freitag in Stuttgart. Damit gefährde die Landesregierung die Integration. Das Kultusministerium bestritt Streichungspläne. Ressortchefin Susanne Eisenmann (CDU) betonte: «Alle Lehrer, die in den Vorbereitungsklassen unterrichten, bleiben den Schulen weiterhin erhalten.» Sie sei zuversichtlich, dass ihr Antrag auf Verlängerung von 200 ursprünglich zum Kürzen vorgesehenen Stellen beim Finanzministerium auf Zustimmung stoße.

Überdies fordert die Gewerkschaft gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat, dass Flüchtlinge ihre schulische oder duale Ausbildung in Deutschland beenden können. Zum Umgang mit drohenden Abschiebungen von Schülern legt die GEW eine Handlungsanleitung für Lehrer vor. Im Mittelpunkt stehen Ratschläge, wie man eine Abschiebung eines Schülers nicht unterstützen beziehungsweise verhindern kann. Die Verunsicherung der Lehrer und Schulleitungen ist laut GEW groß.

Seán McGinley vom Landesflüchtlingsrat sagte: «Wenn jemand aus der Klasse abgeschoben wird, wird ein ganzes Umfeld mittraumatisiert.» Lehrer seien keine «Abschiebehelfer»; Schule müsse ein geschützter Ort bleiben. Ende Mai dieses Jahres kam es in Nürnberg zu einem größeren Polizeieinsatz und tumultartigen Szenen, als die Polizei einen jungen Afghanen während des Unterrichts abholen wollte.

Für Flüchtlingskinder, die eine Abschiebung fürchten müssen, ist die Situation belastend. Foto: DFID - UK Department for International Development / Wikimedia Commons (CC-BY-2.0)
Flüchtlingskinder zu integrieren, ist für Lehrkräfte arbeitsintensiv. Foto: DFID – UK Department for International Development / Wikimedia Commons (CC-BY-2.0)

Moritz warnte vor dem Abbau von Stellen für Flüchtlingsklassen: «Die Integration wird nicht gut gelingen, wenn die Landesregierung jetzt 200 Stellen in diesem Bereich streicht und im nächsten Jahr 600 weitere wegfallen, obwohl die Schülerzahlen nur geringfügig gesunken sind.» Die wenigsten Flüchtlinge könnten nach einem Jahr schon in die Regelklassen übernommen werden. Selbst wenn sie dahin gewechselt seien, bedürften sie noch besonderer Förderung.

Die SPD-Integrationsexpertin Sabine Wölfle pflichtete bei: «Zuwanderungszahlen werden immer wieder schwanken, aber Sprachförderung ist eine Daueraufgabe, für die unsere Schulen ausgestattet sein müssen.» Integration höre nicht beim Übergang in eine Regelklasse auf, sondern müsse auch während der Ausbildung weitergehen. Die FDP im Landtag unterstützt die GEW-Forderung.

Die «Mangelverwaltung» wirkt sich nach Beobachtung von Moritz besonders auf die Schularten aus, die bereits mit großen Herausforderungen – wie Integration behinderter Schüler – kämpften: Grund-, Haupt- und Werkrealschulen und Gemeinschaftsschulen. Derzeit besuchen rund 40 400 junge Flüchtlinge Vorbereitungsklassen in allgemeinbildenden und beruflichen Schulen.

In Krippen und Kindergärten gebe es keinerlei zusätzliche Unterstützung für geflüchtete Kinder, bemängelt die GEW. Das Landesprogramm zur Sprachförderung «SPATZ» sei ursprünglich nicht für die Flüchtlinge ausgelegt worden und müsse nun ausgeweitet werden. Auch der Personalschlüssel müsse mit Blick auf die jungen Flüchtlinge verbessert werden.

Auch im beruflichen Bereich drückt der Schuh: Die seit kurzem auf 21 Jahre gesenkte Berufsschulpflicht soll nach dem Willen der GEW wieder auf 25 Jahre erhöht werden, um Bildungsabbrüche zu vermeiden. Gerald Machner, Leiter der Gewerblichen Schule Im Hoppelau in Stuttgart, rügte die Verwaltung. Sie verhänge zum Teil aus Gründen – etwa wegen fehlender Ausweispapiere – Ausbildungsverbote, die in anderen Kreisen keine Rolle spielten. «Das ist keine Rechtssicherheit mehr», sagte Machner. Das sei umso bedauerlicher, weil Flüchtlinge sich für Berufe erwärmen ließen, die in Deutschland seit Jahren als «nicht mehr direkt sexy» empfunden würden wie Bäcker, Konditor oder Metzger. dpa

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