Klimawandel? Gigantischer Eisberg „A68“ – sieben Mal so groß wie Berlin – treibt in der Antarktis

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BREMERHAFEN. In der Antarktis hat sich ein riesiger Eisberg vom Schelfeis gelöst. Er ist fast siebenmal so groß wie Berlin und wird Jahre brauchen, bis er geschmolzen ist. Forscher fürchten, dass nun das Larsen-C-Schelfeis zerfallen könnte.

Well Schelfeis „kalbt“, entstehen solche flachen Eisberge – ein normaler Vorgang in der Antarktis. Allerdings sind die dabei entstehenden Exemplare deutlich kleiner als A68 – der hier zu sehende ist etwa halb so groß wie ein Fußballfeld. Foto: Andreas Weith / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Jahrelang hatten Forscher den Riss im Schelfeis der Westantarktis beobachtet, der von Monat zu Monat länger wurde. Nun hatte das Warten ein Ende. Irgendwann zwischen Montag und Mittwoch brach die Eismasse vom übrigen Schelfeis ab – es entstand einer der fünf größten Eisberge, die Forscher in den vergangenen Jahrzehnten registriert haben. 175 Kilometer lang, bis zu 50 Kilometer breit – an den Bruchkanten geht es stellenweise bis zu 500 Meter in die Tiefe bis zum Meer. Mit einer Fläche von 5800 Quadratkilometern ist er fast sieben Mal so groß wie Berlin – und doch nur knapp halb so groß wie der bisherige Rekordhalter: B15 – so dessen Name – hatte sich im März 2000 vom Ross-Schelfeis der Antarktis gelöst.

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Dem neuen Abbruch hatten Forscher seit Monaten entgegengefiebert, zuletzt hing der Eisberg nur noch an einer schmalen Verbindung. Nach Angaben des britischen Antarktisprojekts «Midas», das das Larse-C-Schelfeis untersucht, soll der Tafeleisberg den Namen A68 erhalten.

Wohin der Koloss in den nächsten Monaten und Jahren driftet, hängt von mehreren Faktoren ab. «Er schwimmt mit der Meeresströmung, aber auch der Wind spielt eine Rolle», sagt die Glaziologin Daniela Jansen vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, die am «Midas»-Projekt beteiligt ist. Sie vermutet, dass der Eisberg – so wie andere zuvor – entlang der antarktischen Halbinsel zunächst gen Norden und dann nach Osten zieht. «Es kann aber dauern, bis er aus dem Meereis raus ist», sagt Jansen. Erfahrungsgemäß driftet er zunächst zehn Kilometer pro Tag.

Sollte die Eismasse nicht vorher in mehrere Teile zerfallen, wird es Jansens Angaben zufolge wohl zwei, drei Jahre dauern, bis sie geschmolzen ist. «Der Eisberg befindet sich schon weit im Norden und kommt deshalb bald in wärmeres Gewässer.» Sie geht davon aus, dass er sich vor der Inselgruppe Südgeorgien, etwa 1400 Kilometer östlich der argentinischen Küste, vollständig auflösen wird.

Eine Gefahr für Menschen geht von dem Giganten nicht aus. «Er schwimmt in einem sehr abgelegenen Teil der Erde», erläutert die Wissenschaftlerin. «Und einen Eisberg dieser Größe kann man per Satellit super verfolgen.» Schiffe wüssten somit, wo er sich gerade aufhalte.

Jetzt, wo der Eisberg abgebrochen ist, ist er für die Wissenschaftler eigentlich nicht mehr ganz so spannend. «Uns interessiert, wie es an der Kalbungsfront des Larsen-C-Schelfeises weitergeht», betont Jansen. Schelfeise sind auf dem Meer schwimmende Eisplatten, die von Gletschern gespeist werden und mit ihnen noch verbunden sind. Das Larsen-C-Schelfeis ist das viertgrößte Schelfeis der Antarktis. Es hat eine Fläche von fast 50 000 Quadratkilometern und ist damit etwa so groß wie Niedersachsen – nun hat es quasi über Nacht über ein Zehntel ihrer Fläche verloren.

Permanentes Krümeln

Wissenschaftler befürchten, dass sich mit dem Abbruch des Eisbergs die neu entstandene Eiskante durch permanentes Krümeln weiter zurückzieht und das Schelfeis schließlich in absehbarer Zeit komplett zerfällt. Diesen Prozess haben Forscher schon mehrfach beobachtet: In den letzten 20 Jahren sind sieben Schelfeise an der Antarktischen Halbinsel zerfallen oder stark zurückgegangen – darunter Larsen A und Larsen B. In der Folge können die Eisströme der Gletscher ungebremst ins Wasser fließen, was letztlich zur Erhöhung des Meeresspiegels beiträgt.

Ob sich das Larsen-C-Schelfeis tatsächlich zurückziehen wird, wissen die Forscher allerdings nicht. «Das ist ein komplexes System, und wir arbeiten daran, es zu entschlüsseln», sagt Daniela Jansen. Unklar ist auch, ob der Klimawandel die Entstehung von A68 gefördert hat. «Der Zusammenhang zwischen Eisbergkalben und Klimawandel ist weitestgehend unverstanden», bestätigt Reinhard Drews von der Universität Tübingen.

«Inwieweit das Abbrechen des Eisberges von Larsen C mit dem Klimawandel zu tun hat, ist derzeit noch unklar, aber ein zunehmender Eisverlust der Antarktis unter menschengemachter Erwärmung gilt als sicher», gibt Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zu bedenken. «Auch wenn die genauen Mechanismen komplex sein können, so gilt doch das einfache physikalische Gesetz: Eis schmilzt, wenn es warm wird.» Von Janet Binder, dpa

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