Unterwanderung durch die Hintertür? Technische Unis wehren sich gegen steigenden Einfluss der Industrie

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DARMSTADT. Der Präsident der TU Darmstadt Hans-Jürgen Prömel beklagt ein zunehmend angespanntes Verhältnis zur Industrie und warnt vor sogenannten „Kuckucksei-Promotionen“, mit denen Unternehmen verstärkten Einfluss auf die Forschung an den technischen Universitäten zu nehmen versuchen. Unternehmen sollten aber die Freiheit haben, Forschungsbedarf zu benennen und an Unis dafür zu werben, antwortet die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Die Technischen Universitäten warnen die Wirtschaft vor einer immer stärkeren Verquickung von Forschungsgeldern und inhaltlichen Vorgaben bei Hightech-Themen. «Unser Eindruck ist, dass sich die Grenzen verschoben haben», sagte der Präsident der TU Darmstadt, Hans Jürgen Prömel. Zunehmend komme es vor, dass die Industrie selbst etwa Promotionsstellen «ausschreibe» und so versuche, die Ausrichtung wichtiger Projekte direkt zu beeinflussen.

Forschung: in wessen Auftrag und zu wessen Nutzen? Das Verhältnis von Universitäten zur Industrie bei gemeinsamen Projekten und Doktorarbeiten ist zusehends angespannt. Foto felixioncool / pixaby (CC0 Public Domain)
Forschung: in wessen Auftrag und zu wessen Nutzen? Das Verhältnis von Universitäten zur Industrie bei gemeinsamen Projekten und Doktorarbeiten ist zusehends angespannt. Foto felixioncool / pixaby (CC0 Public Domain)

Die Hochschulen müssten jedoch unbedingt das Initiativrecht behalten – sonst drohe rein interessengeleitete Auftragsforschung. Die Wissenschaftsgemeinde sehe solche «Kuckucksei-Promotionen» skeptisch.

«Co-Sponsoring von Themen ist überhaupt kein Problem – wir versuchen auch immer, die Balance zu halten», erklärte der Professor, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Technischen Universitäten (ARGE-TU) ist. Wenn die Wirtschaft allerdings versuche, sich immer mehr in einzelne Themen einzumischen, sei das schwierig. «Bei „Kuckucksei-Promotionen“ wird oft versucht, das Thema von außen – also von Industrieseite – ganz vorzugeben. Das kann nicht sein.»

Prömel berief sich auf die Unabhängigkeit der Forschung, auch bei Themen wie «Industrie 4.0». Firmen, die den Eindruck erweckten, über den Projektstart bestimmen zu können, führten den Nachwuchs in die Irre: «Die Ausschreibung von betrieblichen Promotionsprogrammen spiegelt den Bewerbern etwas Falsches vor. Normalerweise sucht ein Professor passende Partnerfirmen für ein Projekt aus und schaut dann, welcher Promovend für die Bearbeitung geeignet ist.»

Aus Sicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände müssen die Hochschulen ihre zentrale Rolle behalten. «Die Hoheit, ein Promotionsthema zu akzeptieren, liegt bei den Universitäten», sagte ein Sprecher. «Unternehmen sollten aber die Freiheit haben, Forschungsbedarf zu benennen und an Unis dafür zu werben.»

Für Prömel ist eine zu starke Mitsprache in der technischen Forschung auch noch aus einem anderen Grund heikel: Es gebe Versuche, die gewonnenen Erkenntnisse nur in den Unternehmen zu halten. «In der Wissenschaft herrscht Publizitätspflicht», hielt er dagegen, «solche Standards sollten wir nicht verhandeln». Vertraulichkeit sei in bestimmten Fragen in Ordnung. «Doch gegen die Aufforderung, ganze Ergebnisteile (…) im Eigeninteresse der Industrie geheim zu halten, werden wir uns rigoros wehren.» (dpa)

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