Weil immer mehr Kinder schlecht schreiben: Schleswig-Holsteins Grundschüler lernen künftig wieder gebundene Schreibschrift

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KIEL. Schlechte Motorik, miese Klaue: Schleswig-Holsteins Schüler haben zunehmend Probleme mit dem Erlernen der Schreibschrift, sagt die neue Bildungsministerin Prien. Darauf will die CDU-Politikerin reagieren – und wieder die verbundene Schreibschrift einführen. Aber löst das die Probleme wirklich?

Eine schlechte Stifthaltung sieht dann etwa so aus. Foto: Jamie / flickr (CC BY 2.0)
Eine schlechte Stifthaltung sieht dann etwa so aus. Foto: Jamie / flickr (CC BY 2.0)

Die Schreibschrift bleibt auch in Zeiten von SMS, Chatprogrammen und Videobotschaften wichtig. Die schleswig-holsteinische Landesregierung wolle deshalb die gebundene Schreibschrift an den Grundschulen schnell wieder einführen, sagte die neue Bildungsministerin Karin Prien (CDU) auf Anfrage. «Denn die Kinder haben zunehmend Schwierigkeiten, die Schreibschrift zu erlernen.» Immer mehr Kinder kämen mit unzureichenden motorischen Fähigkeiten in die Schule. Tatsächlich lernen mmer mehr Schüler in Deutschland keine Schreibschrift mehr. Stattdessen wird ihnen eine neue Grundschrift beigebracht, die der Druckschrift ähnelt.

«Die neue Landesregierung will deshalb den Fokus auf die Grundschulen richten», sagte Prien. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu: «Grundschülerinnen und -schüler werden zukünftig wieder verpflichtend eine verbundene Schreibschrift erlernen. Richtig zu schreiben, werden wir an den Grundschulen wieder von Anfang an vermitteln.» Nach Ministeriumsangaben gibt es aber keine Überlegungen, dafür auch eine Note zu vergeben.

Sie werde sich die Lehrpläne für die Grundschulen noch einmal ansehen, sagte Prien. «Denn jeder Schüler sollte die Chance erhalten, die Schreibschrift zu lernen.» Ab wann genau die Schreibschrift an den Schulen wieder verpflichtend wird, sei aber noch unklar. «Denn wir wollen das mit Sorgfalt angehen.» Mehr Lehrerstellen brauche das Land dafür nicht, nur überarbeitete Lehrpläne.

Philologen dafür, GEW skeptisch

Schleswig-Holsteins Philologenverband begrüßt die Pläne. «Eine gute Schreibschrift ist eine Voraussetzung auch für intellektuelles Lernen in allen Bereichen», sagte der Landesvorsitzende Helmut Siegmon. Lehrer stellten auch an den weiterführenden Schulen fest, dass viele Kinder zunehmend Defizite in der Feinmotorik hätten. «Einige Kinder können gar nicht flüssig schreiben, womit auch oft Einschränkungen in der Gedankenführung verbunden sind.» Nicht zuletzt auch für die Mathematik sei ein gutes Schriftbild förderlich.

Zurückhaltender äußerte sich die GEW. «Insgesamt ist zweifelhaft, ob eine Schreibschrift, insbesondere für alle Kinder, sinnvoll und umsetzbar ist», sagte deren stellvertretende Landesvorsitzende Birgit Mills. «Da die Zeit im Grundschulunterricht für alle Lerninhalte bereits jetzt knapp ist, muss unseres Erachtens dafür dann Unterrichtszeit her, das bedeutet dann auch mehr Lehrkräftestellen.» Die Gewerkschaft werde sich geplante Erlasse, Lehrplanänderungen ansehen. «Klar ist, dass das nicht mal eben so oben drauf passieren kann.»

Nach Umfrage unter Lehrern entbrennt bundesweite Debatte um das Handschreiben

Die Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland sehen tatsächlich immer häufiger, dass Schülerinnen und Schüler Probleme mit dem Handschreiben haben. Dies geht aus einer Umfrage hervor, die der Deutsche Lehrerverband (DL) vor zwei Jahren gemeinsam mit dem Schreibmotorik Institut, Heroldsberg, durchgeführt hatte. Danach meinen vier Fünftel (79 Prozent) der an der Erhebung beteiligten Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden Schulen, die Handschrift ihrer Schülerinnen und Schüler habe sich im Schnitt verschlechtert.

Sogar 83 Prozent der befragten Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer gaben an, dass sich die Kompetenzen, die Schüler als Voraussetzung für die Entwicklung der Handschrift mitbringen, in den vergangenen Jahren verschlechtert haben. Nach Einschätzung der an der Umfrage beteiligten Lehrkräfte haben die Hälfte der Jungen (51 Prozent) und ein Drittel der Mädchen (31 Prozent) Probleme mit der Handschrift.

Internationales Symposium: Probleme beim Handschreiben sind nicht auf Deutschland beschränkt

Immer mehr Schüler haben offenbar Probleme mit dem Handschreiben. Ob allerdings die gelehrte Schrift dafür ursächlich ist – oder motorische Schwächen schon verstärkt im Kindergartenalter auftreten -, erscheint zumindest fraglich. Dass die Schwierigkeiten mit dem Schreiben auch in anderen Staaten zu beobachten, sind (wie unlängst ein wissenschaftliches Symposium ergab), deutet eher auf ein grundsätzlichere Entwicklung hin.

Der Schreibmotorikforscher Dr. Christian Marquardt, wissenschaftlicher Beirat des Schreibmotorik Instituts, erläuterte mit Blick auf die Ergebnisse der Umfrage seinerzeit: „Wir sehen vermehrt Probleme bei den motorischen Grundkompetenzen der Kinder. Aber auch Probleme, wenn es später darum geht, schneller und flüssiger zu schreiben. Schreibenlernen ist in erster Linie Bewegungslernen, und hier brauchen viele Kinder mehr Unterstützung.“ Und er erläuterte: „die Studien und wissenschaftlichen Erkenntnisse des Schreibmotorik Instituts weisen darauf hin, dass Kinder durch gutes Motoriktraining schneller und besser schreiben. Daher plädieren wir aus wissenschaftlicher Sicht dafür, gemeinsam mit der Pädagogik neue Methoden für den Schreibunterricht in Schulen zu entwickeln – zum Vorteil für Kinder und Lehrkräften.“ News4teachers / mit Material der dpa

„Die Tastatur ist ein großer Segen“? Von wegen – Lasst den Kindern bloß das Handschreiben!

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Axel von Lintig
6 Jahre zuvor

Es geht um den Erhalt eines wichtigen Kulturgutes, das die meisten Mitarbeiter in meiner Umgebung regelmäßig nutzen.
Allerdings sollte die Schreibschrift weiterhin erst im Anschluss an die Erlernung der Druckschrift ab der zweiten Klasse vermittelt werden.Und es verbleiben weiterhin Schüler, die die Schreibschrift nicht erlernen, da sie schon mit dem Erlernen der Druckschrift erhebliche Probleme haben. Deshalb sehe ich die verbundenen Schrifttypen als Angebot an die Schüler an. Aber bitte nicht mehr in der „Vereinfachten“ Ausgangsschrift, die würde ich durch Schulausgangsschrift oder die Lateinische Schrift ersetzen.

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

Mit den von Ihnen genannten Einschränkungen bzw. Hinweisen darauf, Schreibschrift als Angebot zu werten, kann ich gut umgehen. Ähnlich mache ich es auch in meinen Klassen.
Bei denen mit großen motorischen Schwächen brauche ich keinen Schreiblehrgang, sondern Zeit – im Sinne von Jahren – ihre Handmotorik zu schulen und sie zu einer leserlichen Handschrift zu bringen.
Bei den Kindern mit Förderbedarf oder Leseschwäche braucht man ebenfalls viel Zeit, erst einmal das Lesen zu erlernen und zu üben, bevor man sie in verschiedene Schriftarten schickt.

M.E. bedeutet das verbindliche Einfordern einer Ausgangsschrift (LA/VA/SAS) für sehr viele SuS eine kaum oder gar nicht zu bewältigende Herausforderung, die extrem viel Zeit benötigt und den Schreibfluss derart unterbricht, dass andere Ziele im Bereich Schreiben hintenan gestellt werden müssen.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Bei den Kindern mit dem Förderbedarf Lernen, mit Wahrnehmungsstörungen etc. ist man froh diesen überhaupt das eigenständige Schreiben und Lesen beibringen zu können.
Da investiert man die wenige Zeit besser in den Erwerb der Druckschrift.
Dogmen führen nicht weiter und eine zusätzliche Quälerei dieser Kinder fördert nicht gerade Motivation dieser Schüler.

ysnp
6 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Das kommt wahrscheinlich immer auf die Klassenzusammensetzungen an. Wenn ich die Klassen übernehme, dann habe ich schon das Gefühl, dass viele nicht umsonst eine verbundene Schrift gelernt haben. Viel besser als die VA funktioniert die SAS (Schulausgangsschrift), auf die wir jetzt seit dem neuen Lehrplan umgestellt haben. Was bei vielen Kindern nicht herauszubringen ist, ist die schlechte Stifthaltung, laut Aussagen meiner KollegInnen von 1/2 versuchten sie es bei den meisten ebenso erfolglos; die Stifthaltung brachten die Kinder schon vom Kindergarten mit. Es gibt nur wenige extreme „Schlechtschreiber“, bei denen ich sagen könnte, bleibe lieber bei der Druckschrift.
Nicht von der Hand zu weisen sind die mangelnden feinmotorischen Fähigkeiten einiger Kinder – viele schreiben schon ziemlich verkrampft. (Da sind sogar gute Sportler darunter.) Hier könnte man ruhig einmal weiterforschen und den Lehrkräften systematische, aufbauende Fördermöglichkeiten an die Hand geben, dass eben das Schreiben nicht zur Qual wird.
Wenn man den Schreibunterricht wieder verstärkt, dann bekommt man, wie oben erwähnt, ein Zeitproblem. Focussierte Schreib- und motorische Übungen benötigen Zeit. Ab der 3. Klasse habe ich die so gut wie nicht. Da müsste man sich überlegen, welche Inhalte man im Gegenzug streicht.
Zusammenfassend gesagt bestand für mich und der Situation, wie ich sie in meinen Klassen erlebt habe, bisher kein Bedarf die verbundene Schrift zugunsten einer Grundschrift oder Druckschrift aufzugeben.
Allerdings betrachte ich mit einer gewissen Sorge die zunehmende Verkrampfung und das oft damit verbundene Vermeidungsverhalten: Die Schüler versuchen, das Verkrampfte zu verhindern, indem sie über die Maßen schneller schreiben. Dadurch wird die Schrift unleserlicher, weil sie eben motorisch noch nicht auf dem Stand sind, der diese Schreibgewschwindigkeit erfordert.

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

…und du übernimmst die Kinder in Klasse 3, führst also vermutlich die Schrift selbst gar nicht ein. Ich bin froh um die Zeit, die ich in Klasse 2 nicht auf einen Schreiblehrgang verwenden muss, der eben bei etlichen das Schreiben eher hemmt als fördert. Die Deutschstunden reichen dennoch kaum für das, was man alles im Curriculum hat, und die Übung, die notwendig wäre. Und mit ist ein ganzseitiger Text in leserlicher Druckschrift lieber, als 2 nicht zu entziffernde Sätze in Schreibschrift.

Die Beobachtung mit der Stifthaltung teile ich. Früher musste man bei 2 Kindern dahinter stehen und ermahnen, heute müsste man bei 2 Kinder NICHT dahinter stehen und immer wieder korrigieren. Das ist nicht gleichzeitig möglich.

Dass es auf die Klassenzusammensetzung ankommt, mag stimmen, aber SH, um das es ja geht, ist erheblich weiter mit der Inklusion und hat noch mehr Kinder inklusiv in den Grundschulklassen beschult.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Bis auf die genannten Ausnahmen mit Lernschwäche und einer graphomotorischen Schwäche,können alle Mitschüler meiner Tochter eine Schreibschrift.

OlleSchachtel
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

Es gibt Studien, die besagen, dass das vorgeschaltete Druckschriftschreiben eher hinderlich für das Erlernen der Schreibschrift ist. Wenn ich mir ansehe wie viele meiner Schüler Probleme haben könnte das schon stimmen. Mein Sohn ist der Erste in der Familue der nur die verbundene Grundschrift lernt und ich sehe, dass er beim Schreiben häufig stoppt und absetzt, das heißt flüssdiges Schreiben gelingt nicht wirklich. Ursprünglich war ich sehr begeistert, da ich annahm, dass die motorisch schwächeren Kinder Vorteile hätten, inzwischen glaube ich, dass das ständige herunterschrauben der Ansprüche, die wir an Kinder stellen nicht förderlich ist. D.h. nicht, das Ausnahmen gezwungen werden. Doch vielleicht gilt es hier in Zunkunft genauer hinzusehen und Reformen nicht mit dem Brecheisen einzuführen..,

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  OlleSchachtel

Als „Brecheisen“ empfinde ich, wenn eine Regierung eine einzige Methode einführt oder verbietet oder wenn Inhalte aus höheren Schuljahren in die Grundschulen gelegt werden, um in weiterführenden Schulen G8 umzusetzen, ohne Rücksicht auf Zeit oder Entwicklungsstand.
Bei der Grundschrift war es eher die Initiative einzelner, ein Abwägen, Ausprobieren, eine Entscheidung der Kollegien nach und nach, zumindest in meinem Umfeld.

Ob man wirklich von einem „Herunterschrauben der Ansprüche“ reden kann, hat doch immer auch etwas mit Schülern und deren Fähigkeiten zu tun. Ein Kind von vor 100 Jahren hätte bei anderen Sachen, die heute üblich sind, keine Chance. Ebenso gibt es heute Kinder, denen z.B. in der Motorik so viele Vorerfahrungen fehlen, dass das Erlernen einer Schreibschrift im Alter von 6 oder 7 nicht gelingen mag.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Ein Kind von vor 100 Jahren wäre im Falle eines Zeitsprungs heute tatsächlich überfordert. Umgekehrt aber genauso. Die Frage ist nur, in welchen Dingen und wie stark diese das Kind einschränken. Bei in der heutigen Bildungspolitik stark vernachlässigten Eigenschaften wie Höflichkeit, Respekt, Fleiß, Ehrgeiz, Aufmerksamkeitsspanne, Grob- und Feinmotorik dürften die Kinder von damals den entsprechenden Kindern heute deutlich überlegen sein. Ich gebe allerdings zu, dass die allgemeinen Lebensbedingungen damals und heute kaum miteinander vergleichbar sind.

Die „100 Jahre“ könnte man bequem auch durch „20 Jahre“ ersetzen und alles, was mit Internet zu tun hat, aus dem Leben entfernen. Bei „30 Jahre“ sollten Sie Ihren Sony Walk-Man mit Auto-Reverse als das Non-Plus-Ultra ansehen und alle Computer aus dem Haushalt entsorgen.

dickebank
6 Jahre zuvor

… und öannen deshalb noch viele Süterlin lesen geschweide denn schreiben …

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

What` s up ? Das Gebrabbel versteht kein Mensch.Was haben die aufgeführten Schriftarten mit Süterlin gemein ? Nichts. Und mit der Druckschrift ? Sehr viel, denn diese leiten sich aus der Druckschrift ab.

ysnp
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

Hier etwas zu den Schriften:
Die Sütterlinschriften waren grob gesagt ab Anfang des 20. Jahrhunderts die üblichen Ausgangsschriften. Davon gab es verschiedene Varianten. Nach dem Krieg wurden die Ausgangsschriften weiter vereinfacht in Richtung Lateinischer Ausgangsschrift, Schulausgangsschrift und Vereinfachter Ausgangsschrift. Besonders bei der Vereinfachten Ausgangsschrift versuchte man einen Kompromiss zwischen der unverbundenen Druckschrift und einer verbundenen Schreibschrift zu finden. Bei der VA springt man öfter als bei den anderen Schriften (also man setzt ab). Bei der LA muss man theoretisch lange durchhalten, bis man einmal absetzen kann. Früher hatte ich Kinder, denen musste ich bei der LA abgewöhnen bei jedem Buchstaben abzusetzen.
Alte Druckschriften sind aber nicht die Sütterlinschriften, sondern die Fraktur- Schriften. Wie der Name schon sagt, sind sie „gebrochen.“ Die Buchstaben der Fraktuschriften sind verschnörkelter als die heutigen Druckschriften, dasselbe ist auch für die Sütterlinschriften zu sagen.
In den 60igern hatten wir noch Lesebücher, da gab es Lesestücke in Fraktursschrift und normaler Druckschrift. Gelernt haben wir die LA.
Von daher ist die – wahrscheinlich ironische – Bemerkung von dickebank zu verstehen.

Mediterranea
6 Jahre zuvor

Es war zu befürchten, dass uns die neue Landesregierung (wie jede andere neugewählte) nicht in Ruhe arbeiten lassen würde. Bildung darf kein Politikum sein, keine Möglichkeit sich zu profilieren…

mississippi
6 Jahre zuvor

Bei mir haben nur sehr wenige Kinder echte Probleme mit der Schreibschrift. Höchstens 2 oder 3 pro Klasse. Wenn alle Unterstützung nichts hilft, bleiben die bei der Druckschrift. Die anderen kriegen das ganz ordentlich hin und ich lege da auch Wert drauf. Ich persönlich sehe das überhaupt nicht ein, dauernd irgendwelche Ansprüche herunterzuschrauben, nur weil das zu viel Zeit kostet oder zu anstrengend ist. Lieber kürze ich andere Themen. Eine gut lesbare verbundene Schrift wird ja wohl noch drin sein, es sei denn es gibt massive Probleme, die dagegen sprechen.

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  mississippi

Ja, das fand ich früher auch: 2-3 Kinder pro Klasse, von denen dann 1-2 bei der Druckschrift blieben. Da hatte ich Klassen mit einer Mischung aus starken und schwachen Kinder und einzelne hatten in wenigen Bereichen Probleme. Die 2-3 Kinder, die größere Probleme hatten, wechselten ggf. die Schule.
Inzwischen – nach ca. 10 Jahren und mit einer erheblich größeren Heterogenität und sehr vielen auffälligen Kindern mit und ohne ansonsten normaler Begabung – sehe ich das anders und irgendwann muss man sich überlegen, welche Fähigkeiten wichtiger als andere sind: bei jedem Kind, aber auch insgesamt.

Eine leserliche und fließende Handschrift reicht aus, sich zu verständigen und seitenweise Aufsätze zu verfassen, mangelndes Lesen und Kopfrechnen, sowie ein sehr eingeschränkter Wortschatz werden nicht ausreichen, dem Unterricht in höheren Klassen zu folgen.
Die Anforderungen in anderer Hinsicht sind gestiegen, die Unterrichtsinhalte werden immer mehr und Sachverhalte auch in der Grundschule komplexer und vielschichtiger. Da finde ich das mehrwöchige Einüben einer neuen Schrift, nachdem die Kinder bereits schreiben können, nicht mehr so wichtig.

Monika Niemann
6 Jahre zuvor

Ich verstehe die Sorgen, der Gs-Lehrkräfte, was das Zeitproblem betrifft. An der weiterführenden Schule wäre es uns jedoch viel lieber, wenn die Gs bei einigen Inhalten kürzen dürften zugunsten einer flüssigen halbwegs leserlichen Handschrift. Wenn das die weiterführenden Schulen wissen, könnten sie nachsteuern. Wir stellen immer wieder fest, Schüler/innen, die die flüssige Handschrift nicht beherrschen, in den Sachfächern rasant abgekoppelt werden und sie sich besonders in Mathematik durch unsauberes Schreiben komplett verzetteln und somit auch am Ende unnötig versagen. Die Versuche, mit vorgefertigten Rastern gegenzusteuern helfen nicht.

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  Monika Niemann

“ zugunsten einer flüssigen halbwegs leserlichen Handschrift“ ist für mich aber nicht gleichbedeutend damit, dass die Kinder eine bestimmte Ausgangsschrift erlernen müssen, sondern eher damit, dass die Kinder auch längere Texte sorgfältig schreiben lernen und dabei eben eine leserliche Handschrift üben und zeigen.
Auch Ausgangsschriften bleiben nicht als solche, sondern werden zu Handschriften weiterentwickelt.

xxx
6 Jahre zuvor

ich selber habe die verbundene schreibschrift in der Grundschule gelernt und sonst nichts. in Klasse 5 odet 6 habe ich dann auf druckschrift umgestellt, weil ich wollte und nicht weil ich musste. warum sind didaktiker der ansicht, dass das heutige Schüler nicht mehr können?

mississippi
6 Jahre zuvor

In unserem GS-Lehrplan steht sinngemäß: Die Kinder lernen die Druckschrift und eine verbundene Schrift. Am Ende der Grundschulzeit finden sie zu einer individuellen (aber gut lesbaren) Handschrift. Damit kann ich gut leben. Wir machen bis in Klasse 3 hinein zwischendurch auch immer mal wieder Schönschreibübungen. Unsere Dorfkinder mögen das und da es im Zeugnis eine Extranote für Schrift und Gestaltung gibt, ist der Stellenwert da. Schüler konnen ihre Schrift auch noch in Klasse 4 verbessern, wenn man sie daran erinnert.

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  mississippi

Die Benotung für „Schrift und Form“ wurde vor etlichen Jahren in Nds. abgeschafft.
Die Stundentafel von Nds. weist 6 Std. Deutsch auf, BW hat 7 Std. pro Jahr, in BY ist die Tafel anders notiert, es könnten 6 oder 7 Std. Deutsch sein, in jedem Fall gibt es zusätzlich noch fest ausgewiesene Förderstunden und insgesamt pro Schuljahr 2-3 Stunden mehr Unterricht.
Die Tabelle der Wochenpflichtstunden der KMK weist für 2016 einen Spielraum von 92 (Be/He(SH) bis 104 (BY) Stunden in 4 Grundschuljahren aus.
Die bundesweiten Bildungsstandards der KMK werden also in allen Bundesländern umgesetzt, in manchen hat man aber bis zu 12 Stunden mehr dafür zur Verfügung als in anderen.
Wenn in SH nur 92 Stunden in der Grundschule erteilt werden, verstehe ich gut, dass man bei weiteren Forderungen zu Unterrichtsinhalten erwartet, dass dann auch Zeit zur Verfügung gestellt wird. Das sollten Schulen viel deutlicher einfordern angesichts der ständig an sie heran getragenen zusätzlichen Aufgaben.

Monika Niemann
6 Jahre zuvor

Ich habe da eine Geschichte parat, wo ein Schüler meiner damaligen RS seit der GS als diagnostiziert LRS galt. Er hatte entweder die fünf in De oder in Englisch. Als ich ihn in Englisch in Klasse 9 bekam, war selbst bei gutem Willen kaum noch ein Satz zu erraten. Ich fragte mich, „Wo waren die GS-LK ? Wo waren meine RS-Kollegen?“ und weigerte mich, die Arbeiten zu korrigieren, bzw. zählte alles, was nicht lesbar war, als Fehler. Zugleich bekam er ein Angebot zur Verbesserung der Handschrift.
Dieses konnte ich erst nach langer Recherche anbieten, denn in Deutschland gibt es NULLKOMMANULL Material für Schüler/innen über 8 oder 9. Fündig wurde ich auf einer Amerikanischen Seite http://www.bfhhandwriting.com/nan-jay-barchowsky , eine Dame, die seit 50 Jahren Handschrift unterrichtet.
Nach ihren Arbeitsblättern hat dieser Schüler gearbeitet (kosteten 60 Euro im Übersee-Shipping).
Nach 6 Wochen war die Englischarbeit bewertbar, er hat die 10. Klasse mit Deutsch 3 und Englisch 3 beendet. Von LRS keine Spur. Keinerlei Sonderbewertung. Es .ag einfach nur an der Schrift.

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  Monika Niemann

Man kann nur wenig einsehen bei diesem Material, aber die Schrift erinnert stark an die Grundschrift, die ebenfalls aus einfachen Buchstaben besteht, die dann verbunden werden.
Und ich entnehme den Seiten, dass man gezielt an Buchstabengruppen arbeitet. Auch das ist in der Grundschrift umgesetzt.
Dass an der Schrift immer wieder gearbeitet werden muss, kann wohl jede Lehrkraft bestätigen.

Die Fragen nach LRS oder schlechter Schrift sind einerseits zu trennen, gehen aber oft auch einher:
Wenn die Handmotorik nicht ausreichend trainiert ist, sind Buchstaben schon in Klasse 1 nur schwer abzubilden und es braucht Geduld und Training, um angemessene Ergebnisse zu erzielen. Die Einführung einer weiteren, ganz anders gearteten Schrift nach 1 Jahr finde ich eher kontraproduktiv für diese Kinder.
Wenn die Schrift schon im 1. und 2. Schuljahr so schlecht ist, kann das Kind viele Wortschreibungen gar nicht kontrollieren.
Wenn man die Schrift nicht lesen kann, meinen wohl manche Schüler, kann man auch keine Fehler anstreichen.
Und immer noch hört man ein „Ist ein Junge, die schreiben nicht so schön.“ als Ausrede, ebenso wie Mädchen nicht rechnen können – angeblich.

JG
6 Jahre zuvor

Ich finde es spannend, dass Probleme nie an der Wurzel gegriffen werden… Die Kinder kommen teilweise in die Schule, ohne eine vernünftige Stifthaktung, verkrampft und nicht einmal in der Lage eine Fläche ordentlich auszumalen. Ich hätte gerne ein Jahr mehr Grundschule, vor der ersten Klasse, damit man die Grundlagen für das Schreiben – egal mit welcher Schrift- überhaupt erst trainieren kann! (Ich weiß, es gibt auch Kinder, die das ganz toll können! Bei denen ist es in der Regel aber auch egal, welche Schrift sie schreiben…sie ist dann immer leserlich!)