Bis zur Pensionierung Realschul-Rektor – und dann Priester: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Karriere

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BAIENFURT. Mit 66 Jahren sind die meisten Menschen bereits im Ruhestand. Erwin Lang aus Baden-Württemberg hatte nach seiner Pensionierung als Schulrektor ein anderes Ziel – das Priesteramt.

So stellt die Kirchengemeinde ihren Pfarrer vor. (Screenshot)
So stellt die Kirchengemeinde ihren Pfarrer vor. (Screenshot)

Es ist nur ein kurzer Moment. Aber wenn Erwin Lang in der Marienkirche in Baienfurt (Kreis Ravensburg) steht, dann vergisst wahrscheinlich sogar er selbst sein Alter. Dann verschwinden die Sorgen um das Bein, das nicht mehr so will, und der 80-Jährige beginnt zu erzählen. Von den blauen Wänden des expressionistischen Gebäudes, den ungewöhnlichen Bögen am Seitenschiff, vom Abbild der Muttergottes hinter dem Altar. «Man kommt hier rein und fühlt sich geborgen», sagt Lang. «Ich habe die Kirche vom ersten Augenblick an geliebt.» Dieser erste Augenblick ist 13 Jahre her: 2004 kam Lang als Pfarrvikar in die katholische Gemeinde Mariä Himmelfahrt, nachdem er mit 66 Jahren zum Priester geweiht wurde.

Dabei hatte er den Ruf Gottes eigentlich schon früh gehört. Ein Pfarrer habe in seiner Jugend zu seiner Schwester gesagt: «Den Erwin, den könnte ich mir auch als Novizen vorstellen», sagt Lang. «Ich hab ihr den Vogel gezeigt.» Und trotzdem setzt sich die Idee ganz still und leise in ihm fest – auch wenn ihn sein Weg erst einmal in eine ganz andere Richtung führt. Der Vater besitzt in Frickingen im Bodenseekreis ein Lebensmittelgeschäft, das Lang später übernehmen soll. Um den Jungen darauf vorzubereiten, schickt er ihn zu einer Ausbildung in die Bank. «Ich will nicht angeben, aber da habe ich mich wirklich gut angestellt», sagt der Pfarrvikar.

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Irgendwann fragt er sich aber: «Will ich das wirklich noch die nächsten 20 Jahre machen?» Lang lässt sich nach Stuttgart versetzen, schreibt sich in der Abendschule ein und holt das Abitur nach. Er habe damals viel Glück gehabt, sagt der 80-Jährige. Die Schule habe unter den Bewerbern stark ausgesiebt. Lang bekommt trotzdem einen Platz in der Klasse. «Ich glaube, das sind Fügungen», sagt er. «Wenn man den Weg geht, der für einen gedacht ist, bekommt man auch Hilfe dafür.»

Nach dem Schulabschluss kommt ihm erneut das Priesteramt in den Sinn, aber er fühlt sich noch nicht bereit dazu. «Ich dachte, ich wäre noch nicht würdig.» Stattdessen studiert Lang an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten und arbeitet später in verschiedenen Schulen, bis er schließlich als Lehrer für Theologie und Physik an eine Realschule in Stockach (Kreis Konstanz) kommt. Passte das denn gut zusammen? «Ja», sagt Lang. «Wenn ein Physiker gut ist, achtet er seine Grenzen. Ein guter Theologe auch.»

„Halt, da ist noch was“

Bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 wird Lang an der Realschule bleiben, erst als Lehrer, später als Rektor. «Ich hatte das Gefühl, ich habe eine Stelle, die in diesem Moment keiner besser ausfüllen konnte als ich.» Erst kurz vor dem Ruhestand kommen wieder Fragen auf. «Was mache ich, wenn ich pensioniert bin?», erzählt der 80-Jährige. «Das war der Moment, in dem ich dachte: Halt, da ist noch was.»

Lang geht für einige Zeit in ein Kloster nach Bayern und bittet schließlich den Pater, sich diskret bei der Kirche umzuhören – ob das überhaupt geht, in seinem Alter noch Priester werden? Und tatsächlich: Die Diözese Rottenburg ist interessiert. Und noch etwas fügt sich: Lang hatte während seiner Zeit an der Realschule Fernstudien in Theologie und Philosohie abgeschlossen, die nun von der Diözese anerkannt werden.

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Es gebe zwar durchaus Menschen, die erst spät dem Ruf Gottes folgten, sagt ein Sprecher der Diözese in Rottenburg. Andere Spätberufene seien etwa ein 1962 geborener studierter Sozialarbeiter, oder ein 1960 geborener bildender Künstler. Erwin Lang sei aber eindeutig der Älteste von ihnen. Das Kirchenrecht schreibt ein Mindestalter für die Priesterweihe von 25 Jahren vor – ein maximales Alter ist allerdings nicht vorgegeben. «Nach oben ist das offen.»

Die Lehrzeit sei nicht einfach gewesen, sagt Lang im Rückblick. «Das war wie ein Ritt über den Bodensee.» Erst später habe er von seinen Ausbildern gehört, dass es geheißen habe: Wenn er nichts taugt, schickt ihn fort. Doch Lang kämpft sich durch. Damals wie heute habe er von seiner Lebenserfahrung zehren können. «Das hat mich geerdet.» 2003 ist es dann soweit: Erwin Lang wird mit 66 Jahren durch den Rottenburger Bischof Gebhard Fürst zum Priester geweiht. Wie sich das anfühlte? «Ich habe immer versucht, demütig zu bleiben», sagt Lang, dem bei der Erinnerung mitunter die Stimme bricht. «Aber das war einfach ein Riesenereignis in meinem Leben.» Von Kathrin Drinkuth, dpa

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