Der Lehrermangel trifft die sorbischen Schulen besonders hart – tschechische Kollegen sollen jetzt helfen

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BAUTZEN. Der Lehrermangel insbesondere an Grundschulen wird bundesweit immer gravierender. Das bekommen nicht nur die Regelschulen zu spüren. An den sorbischen Schulen, einer Besonderheit im sächsischen Bildungswesen, fehlen immer häufiger muttersprachliche Lehrer. Die Lücken könnten jetzt Kollegen aus Tschechien schließen. Šárka Blažková ist eine von ihnen.

Amtssprache Sorbisch: Zweisprachiger Name auf dem Ortsschild von Bautzen. Foto: Julian Nitzsche, / Wikimedia Commons (CC-BY-SA 3.0)
Amtssprache Sorbisch: Zweisprachiger Name auf dem Ortsschild von Bautzen. Foto: Julian Nitzsche / Wikimedia Commons (CC-BY-SA 3.0)

Auf den ersten Blick ist es ihr nicht anzusehen. Šárka Blažková ist eine Hoffnungsträgerin. Die junge Tschechin unterstützt seit Beginn des neuen Schuljahres das Team der Sorbischen Grundschule in Räckelwitz (Kreis Bautzen). Die ausgebildete Pädagogin ist damit einem Ruf aus der Lausitz gefolgt, die Lücke in den sorbischsprachigen Lehrerzimmern zu schließen. Laut sächsischem Kultusministerium werden bis 2025 rund 100 Muttersprachlicher fehlen, um den Unterricht an sorbischen Schulen abzudecken.

An diesem Morgen begleitet Šárka Blažková eine Mathematiklehrerin in die erste Klasse. Die gebürtige Pragerin hat Germanistik und Tschechisch an der Karls-Universität studiert. Ihr Deutsch ist perfekt, Sorbisch versteht sie wenigstens. «Es erinnert mich an das Alt-Tschechisch», sagt sie. Aufgrund der noch fehlenden Sprachkenntnisse hält sie sich im Hintergrund, während die Kollegin den Unterricht mit einem Lied beginnt. Im Anschluss holen sich die Mädchen und Jungen Ziffernkarten aus einem Schrank. Die Zahlen von Eins bis Zwölf stehen gerade auf dem Lehrplan.

Jetzt tritt Šárka Blažková in Aktion. Den Räckelwitzer Erstklässlern wird der Unterrichtsstoff zweisprachig vermittelt. Die 38-Jährige hilft allen, die nicht ganz so schnell die richtige Lösung finden. Dabei spricht sie Deutsch. Erfahrungen an der Schule hat sie schon in ihrer Heimat gesammelt, zuletzt betreute sie eine Montessouri-Vorschulgruppe.

Nach Räckelwitz hat die junge Frau gleich ihre beiden Kinder mitgebracht, ihr Mann schaut sich indes noch nach einer passenden Arbeit in Deutschland um. Über die Gesellschaft der Freunde der Lausitz in Prag erfuhr sie, dass die sorbischen Schulen händeringend Lehrkräfte suchen. Denn die Situation an den sorbischen Schulen spitzt sich immer mehr zu.

Teamteaching nur noch eingeschränkt

Zwar könne man den Grundbereich an den sorbischen Schulen im kommenden Schuljahren noch sichern, heißt es in der Sächsischen Bildungsagentur. Doch es werde immer schwieriger, das 2plus-Konzept abzudecken. In diesen 2plus-Gruppen wird in den Sprachen Sorbisch und Deutsch mit zwei Lehrern unterrichtet. Dieses sogenannte Teamteaching kann daher vielerorts nur noch eingeschränkt angeboten werden.

In Räckelwitz gibt es dafür nun Šárka Blažková. Die Erstklässler im Mathematik-Unterricht sollen anhand der Punkte auf zwei Würfeln die Summe bilden. Schnell halten sie ihre Ziffernkarte nach oben. «Mamy – Habt Ihr’s», fragt die Lehrerin. «Ja mam», antworten die Kinder.

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«Ich hab’s» würde gern auch CDU-Landtagsabgeordneter Marko Schiemann sagen, wenn es um die Bereitstellung sorbischsprachiger Pädagogen geht. Im Frühjahr forderte er den Freistaat auf, die Ausbildung von Sorbisch-Lehrern mehr zu unterstützen. Gleichzeitig regte er den Aufbau einer Sprachschule an, um deutsche wie tschechische Lehrer weiterzubilden. Šárka Blažková würde den Kurs sofort beginnen.

Ein Vierteljahr nach Schiemanns Forderung steht nun der Lehrplan für die Sprachschule. In zwei Semestern sollen Interessenten aus dem Nachbarland ohne Deutschkenntnisse zuerst einen Crashkurs in Deutsch belegen. Im Anschluss müssen sie Sorbisch pauken und das deutsche Schulsystem kennenlernen. Entworfen haben die Rahmenbedingungen das Sorbische Institut, das Witaj-Sprachzentrum und der Sorbische Schulverein unter Federführung des säschsischen Kultusministeriums. «Die Sprachschule müsste jährlich mindestens zehn Interessierte weiterbilden, um die entstehende Lücke zu schließen», sagt Schiemann.

Šárka Blažková weiß, es würden sich einige ihrer Landsleute mehr auf den Weg in die Lausitz machen. «Diese Brücke muss der Freistaat bauen. Er muss sich nun strecken, dass es genügend Bewerber gibt», sagt der Christdemokrat. Er wünscht sich einen Start der Sprachschule im Frühjahr 2018. Dann soll die tschechische Kollegin aus Räckelwitz schon ihren Sorbisch-Sprachkurs beendet haben. Zusätzlich lernt sie im täglichen Umgang mit den Schülern, Lehrern und Eltern neue Vokabeln. «Diese Zweisprachigkeit der Region ist ein echtes Geschenk», sagt sie. Wenn nichts dazwischen kommt, wird sie nach der einjährigen Eingewöhnung im kommenden Schuljahr mit ihrer ersten Klasse den Unterrichtstag mit einem Lied beginnen und danach mit den Kindern das Einmaleins auf Sorbisch pauken. Von Miriam Schönbach, dpa

 

Hintergrund: Sorbische Schulen

In Sachsen, genauer: im zweisprachigen Siedlungsgebiet der Lausitz, gibt es insgesamt 16 sorbische Schulen, darunter neun Grundschulen. Alle Schüler sollen in der Schule eine aktive sorbisch-deutsche Zweisprachigkeit erreichen, unabhängig vom jeweiligen sprachlichen Ausgangsniveau. Ab dem Schuljahr 2002/2003 wurde laut Sächsischem Kultusministerium ein neues Konzept mit dem schulart-übergreifenden Projekt »2plus – Die zweisprachige sorbisch-deutsche Schule« in wissenschaftlicher Begleitung durch die Universität Hamburg erprobt – mit Erfolg. Seit dem Schuljahr 2013/14 werden alle Schüler an sorbischen Schulen nach dem neuen Schulkonzept zweisprachig unterrichtet. Das Fach Sorbisch wird je nach Sprachstand der Schüler in drei Sprachgruppen unterrichtet. Im Fach Sorbisch ist die sorbische Sprache sowohl Unterrichtssprache als auch Unterrichtsgegenstand, während sie in anderen Fächern vollständig oder teilweise Unterrichtssprache ist. Die Lerninhalte der Sachfachfächer werden bilingual gelehrt. Quereinsteigern ist der Zugang zu den zweisprachigen Klassen gewährleistet, in dem sie durch zusätzlichen Sorbisch-Unterricht an das Sprachniveau herangeführt werden.

In Deutschland gibt es rund 60.000 Sorben, die in Deutschland als nationale Minderheit anerkannt sind. Sie sind in der Regel deutsche Staatsangehörige.

 

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sofawolf
6 Jahre zuvor

Es wäre schade, wenn der muttersprachliche Unterricht in Sorbisch nicht mehr stattfinden kann. Ob „auf Tschechisch“ geholfen werden kann, wage ich zu bezweifeln. Wahrscheinlich helfen auch hier nur Seiteneinsteiger, denn die Zahl der sorbischen Muttersprachler sinkt von Generation zu Generation. Sollen es um 1900 noch rund 200.000 gewesen sein (nach dem 1. WK wünschten sie sogar den Anschluss an die neugebildete Tschechoslowakei), sind es heute offiziell noch rund 60.000.

Ich drücke die Daumen.